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PRESSE/696: Versuch eines buddhistischen Alltags (Der Mittlere Weg)


Der Mittlere Weg - Nr. 2, Mai - August 2008
Zeitschrift des Buddhistischen Bundes Hannover e.V.

Versuch eines buddhistischen Alltags

Von Ulrike Hecker


Morgens früh aufstehen? Keine Frage, das muss sein! Doch wie wäre es mit ein paar kurzen Gedanken zum Tag, bevor ich die Augen aufmache?! Etwa so: "Wie fühle ich mich? Was wird der Tag bringen?" Ein guter Vorsatz: jeden Augenblick so achtsam wie möglich sein. Wenigstens heute, wenigstens die nächsten fünf Minuten ...

Die Zeit bis ich morgens ins Büro fahre, ist meistens meine "buddhistischste" am Tag. Dann bin ich achtsam, meditiere ein wenig. Jeden Morgen beginne ich mit lauter guten Vorsätzen, die leider im Laufe des Tages im Arbeitsstress versickern und in Vergessenheit geraten. Doch, wie sagte schon meine Mutter immer? "Übung macht den Meister!" Ich glaube, Buddha hat so was ähnliches auch schon erklärt.

Aus meinen täglichen 10 Minuten Meditation morgens sind auf diese Weise übrigens schon 20 Minuten geworden. Im Bad mache ich dann ein paar kurze Qigong-Übungen, bei denen ich mich sammle und Energie tanke.

Treppensteigen nutze ich jedes Mal zum innerlichen Aufsagen eines Mantras. Da gibt es verschiedene Möglichkeiten. Wirksam und einfach ist es, bei jeder zweiten Stufe zusagen: "Ich bin glücklich!"

Apropos Mantras: Ich habe mein Passwort für diverse Computeranwendungen aus den Anfangsbuchstaben eines Pali-Mantras zusammengesetzt - welches, verrate ich hier natürlich nicht. Aber so habe ich immer wieder im Laufe des Tages die Möglichkeit, dieses Mantra zu sagen. So erinnert mich dieses Mantra daran, achtsam zu sein.

20 Minuten mit dem Fahrrad dauert mein Weg zur Arbeit. Da ich mich beim Radfahren immer wieder dabei erwische, dass ich mit meinen Gedanken schon an meinem Schreibtisch sitze und mir Gedanken um meine Arbeit mache, sind diese 20 Minuten eine gute Übung, mich in den Augenblick zurückholen und mich daran zu erinnern, aufmerksam im Staßenverkehr zu sein.

Doch da gibt es eine kurze Strecke, die auf 200 m durch ein paar alte Bäume führt. Dies ist der Punkt für mein Fahrrad-Baum-Qigong! Ich fahre langsam, schaue mir in Ruhe die rissige Borke der hohen Bäume an. Dabei atme ich tief und bewusst ein und etwas länger wieder aus. Ich stelle mir vor, dass ich damit die Kraft der Bäume in mir aufnehme und die schlechten Gefühle und Gedanken ausatme.

An meinem Arbeitsplatz angekommen, sind schnell alle Gedanken an Achtsamkeit vergessen. Doch auch hier habe ich mir ein paar Tricks einfallen lassen, die mich regelmäßig an die Achtsamkeit erinnern. Z.B. das o.g. Passwort. Auf meinem Schreibtisch steht eine kleine Buddhafigur, die mich an meine guten Vorsätze erinnern soll. Demnächst soll ein Raum in der Firma übrigens zu einem Ruheraum umgestaltet werden. Hach, da hoffe ich, dass ich dann hin und wieder daran denke, dort als Mittagspause ein paar Minuten zu meditieren!

Wenn ich abends dann wieder zuhause bin, kommt die schwierigste Zeit für meine buddhistischen Vorsätze. Ich bemühe mich, dann zunächst in Ruhe und achtsam zu Abend zu essen, keinen Alkohol zu trinken und nicht sofort den Fernseher anzumachen.

Eigentlich könnte ich abends ja auch noch meditieren. Aber dazu habe ich meistens keine Lust mehr. Da siegt mein innerer Schweinehund. Doch ich arbeite dran. Meistens lese ich wenigsten ein paar Zeilen aus einem Buch von einem buddhistischen Lehrer. Zur Zeit ist es "Buddhas Anleitung zu Glücklichsein" von Marie Mannschatz. Ein wirklich gutes Buch mit vielen hilfreichen Übungen und Anregungen!

Vielleicht mag das, was ich hier erzählt habe, nicht ausreichen. Sicher ist es eher ein "Buddhismus light", aber es ist ein Anfang!


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Quelle:
Der Mittlere Weg - majjhima-patipada
40. Jahrgang, Mai - August 2008/2552, Nr. 2, Seite 35
Herausgeber: Buddhistischer Bund Hannover e.V.
Drostestr. 8, 30161 Hannover,
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E-mail: info@buddha-hannover.de
Internet: www.buddha-hannover.de

"Der Mittlere Weg - majjhima-patipada" erscheint
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veröffentlicht im Schattenblick zum 22. Mai 2008