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PRESSE/711: Bodhidharma (470 - 543) (Zenshin)


ZENSHIN - Zeitschrift für Zenbuddhismus, Nr. 1/08

Bodhidharma (470 - 543) (jap. Daruma) (ehm. Puti Damo)
28. Patriarch in der Traditionslinie

Von Tenshin Puppa Buhlig


Tausend Jahre lang war in Indien die Lehre des Buddha von einer Generation von Mönchen auf die andere überliefert worden. Dabei hatte sich, wie es in der Tradition heißt, die Gewohnheit herausgebildet, einen hervorragenden Mönch als Patriarchen zu verehren. In der Linie dieser Patriarchen war Bodhidharma der 28. Patriarch. Im Alter reiste er auf dem Seeweg von Indien nach China. Die Frage, welches Motiv Bodhidharma bewogen hatte, aus dem fernen Westen ins Reich der Mitte zu kommen, ist eine der am meisten gestellten Fragen unter den Buddhisten des Ostens geworden. Es mag eine Ahnung gewesen sein, dass der Untergang der Lehre in Indien nicht mehr aufzuhalten war und dass dagegen die Mystiker Chinas reif schienen, die Lehre in vertiefter Form aufzunehmen und zu neuer Blüte zu bringen. Als Bodhidharma in Südchina bei Kanton landete, zog er sofort die Aufmerksamkeit des Gouverneurs auf sich. Der empfing den blauäugigen Fremden mit dem durchdringenden Blick und berichtete dem Kaiser Wu-Di von Liang von diesem ungewöhnlichen Mann. So kam es zu einer Begegnung von Kaiser Wu-Di mit Bodhidharma. Kaiser Wu-Di war ein eifriger Bekenner und Förderer der buddhistischen Lehre. Großzügig unterstützte er auch den Orden und baute viele Klöster, so dass man ihn auch als den chinesischen Konstantin bezeichnet hat oder als den "Sohn des Himmels mit dem Buddhaherzen".

Folgender Dialog ist im ersten Beispiel des Bi-Yan-Lu zu finden. Kaiser: "Wir haben Klöster gebaut und Mönche bestätigt: was für ein Verdienst wird uns dafür?" Bodhidharma: "Kein Verdienst." Kaiser: "Welches ist der höchste Sinn der heiligen Wahrheit?" Bodhidharma: "Offene Weite - nichts Heiliges." Kaiser: "Wer ist das uns gegenüber?" Bodhidharma: "Ich weiß es nicht".

Der Kaiser pflegte wohlgefällig auf seine Werke zu schauen und meinte, damit habe er die Lehre erfüllt. Doch Bodhidharma ging auf die spekulativen Tendenzen des Kaisers nicht ein. Sondern wies auf die Unermesslichkeit der Wahrheit hin, auf das Erleben der Befreiung, die alle Schranken überwindet. Da ist "nichts Heiliges", über das man ehrfürchtig diskutiert, sondern da ist praktische Umerziehung der Anschauung. Dazu sagte später Yüan-Wu als Kommentar zu "Offene Weite - nichts Heiliges", wenn dies einer richtig durchschaut und begriffen hat, dann geht er still nach Hause und setzt sich ruhig hin.

Bodhidharma verließ bald Nanking und begab sich nach Norden zum Berg Sung-schan. Dort weilte er neun Jahre lang in einer Höhle mit dem Gesicht zur Wand meditierend. Während dieser Zeit fand er Anhänger und Nachfolger. Huiko, der der 2. (chinesische) Patriarch wurde, war einer von ihnen und suchte vergeblich eine Unterredung mit Bodhidharma. Eines Tages setzte er alles auf eine Karte und stellte sich im Dezember einen ganzen Tag stumm in den fallenden Schnee. Da bekam Bodhidharma Mitleid: "Du hast eine Weile im Schnee gestanden. Was ist Dein Begehr?". Huiko erwiderte: "Ich bin gekommen, um Eure unschätzbare Belehrung zu empfangen. Tut bitte das Tor auf und reicht eure rettende Hand diesem armen leidenden Sterblichen." Bodhidharma erwiderte: "Die unvergleichliche Lehre des Erwachten ist nur zu verstehen nach langer, harter Übung: durch Ertragen dessen, was am schwersten zu ertragen ist und durch Ausübung dessen, was am schwersten auszuüben ist. Menschen geringerer Kraft und Weisheit, die ein leichtfertiges Herz besitzen und voll Selbstgefälligkeit sind, ist es nicht gestattet, auch nur ihre Augen zur Wahrheit der Lehre zu erheben". Davon war Huiko so ergriffen, dass er zum Beweis seiner Aufrichtigkeit sich mit dem Schwert den linken Arm abschlug und diesen stumm vor Bodhidharma niederlegte. Dieser erwiderte gelassen: "Du musst die Wahrheit nicht außen durch andere suchen". Huiko: "Meine Seele ist noch nicht beruhigt. Bitte Meister, beruhige sie." Bodhidharma: "Bring deine Seele her und ich werde dafür sorgen, dass sie sich beruhigt." Nach kurzem Zögern gestand Huiko: "Ich habe seit vielen Jahren gesucht und bin immer noch außerstande sie zu erfassen." Bodhidharma: "Da! Deine Seele hat ein für alle Mal Ruhe gefunden." Dies öffnete Huiko das Verständnis für Anatta, für den Frieden, der gerade darin besteht, keine Seele festhalten zu wollen.

Bodhidharma wurde im Laufe der Jahre immer berühmter. In Gesprächen mit buddhistischen Gelehrten wies er immer wieder auf die meditative Erfahrung und Verwirklichung hin und darauf, dass rein intellektuelles Vielwissen ungenügend sei. Es gab auch Scholastiker, die dies nicht ertragen konnten, und als sie mit Argumenten nichts gegen ihn ausrichten konnten, trachteten sie ihm nach dem Leben. Sechsmal gaben sie ihm Gift. Fünfmal wandte Bodhidharma durch seine Kraft das Gift ab. Beim sechsten Mal, als er wusste, dass seine Schüler die Lehre ganz erfasst hatten und weitergeben konnten, tat er nichts mehr zu seiner Rettung. Er setzte sich aufrecht hin und verstarb im Alter von 100 Jahren. Der Kaiser Wu aber verfasste zu seinem Gedächtnis eine Grabinschrift: "Weh mir! Ich sah und sah ihn nicht! Ich traf und traf ihn nicht! Empfing ihn und empfing ihn nicht! Heute wie vor Jahren schon, klag ich es an, hass' mich darob!"

Quellen: Asiatische Mystiker von Helmut Hecker, Octopus Verlag
Zen-Guide Deutschland


Ryokan

Sprich aus Verblendung - und alles wird zu Verblendung.
Sprich aus der Wirklichkeit - und alles wird zur Wirklichkeit.
Jenseits der Wirklichkeit gibt es keine Verblendung,
Doch jenseits der Verblendung gibt es keine besondere Wirklichkeit.
Ihr, die ihr Buddhas Weg folgt:
Warum sucht ihr die Wirklichkeit so beharrlich an fernen Plätzen?
Sucht Verblendung und Wirklichkeit in der Tiefe eures eigenen Herzens!

Quelle, John Stevens (Übers.), Eine Schale, ein Gewand, Werner Kritstkeitz Verlag


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Quelle:
ZENSHIN - Zeitschrift für Zenbuddhismus, Nr. 1/08, S. 11-12
Herausgeberin: Hakuin Zen Gemeinschaft Deutschland e.V. (HZG)
Burggasse 15, 86424 Dinkelscherben
Redaktion: Nanshu Susanne Fendler / Bunsetsu Michael Schön
Übelherrgasse 6, 89420 Höchstädt a.d.D.
E-Mail: s-fendler@t-online.de / schoen-bio@gmx.de

ZENSHIN erscheint halbjährlich.
Einzelheft 7,50 Euro inklusive Versand


veröffentlicht im Schattenblick zum 26. Juli 2008