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PRESSE/763: Im Fluß der Zeit - wieder ein Abschnitt zu Ende (DMW)


Der Mittlere Weg - Nr. 2, Mai - August 2009
Zeitschrift des Buddhistischen Bundes Hannover e.V.

Im Fluß der Zeit - wieder ein Abschnitt zu Ende

Von Axel Rodeck


So mancher Dharmafreund wird mir sicherlich erfreut zustimmen: Schluss jetzt - zehn Jahre sind genug! Zehn Jahre nämlich als Schriftführer oder Vorstandsvorsitzender des Buddhistischen Bundes Hannover. Die in diesem Jahr wieder fälligen Vorstandswahlen (am 13. Juni) geben Gelegenheit, das Schiff "BBH" frischen Winden auszusetzen und die mittlerweile eingetretene Stagnation mit neuen Kräften zu beenden. Für den Verein wie auch für mich geht ein Abschnitt der eigenen Geschichte zu Ende und dies gibt Anlaß, einmal zurück zu schauen.

Als ich im Juni 2001 den Vorstandsvorsitz übernahm, war mir bewusst, die Leitung eines im hiesigen Buddhismus tief verwurzelten Vereins übernommen zu haben. Ich machte aber klar, dass ich dem ungeheuren Engagement eines Karl Stort für den hannoverschen Verein wie auch auf internationaler buddhistischer Bühne weder nacheifern wollte noch dieses konnte. Beruf und Familie blieben stets vorrangig. Da ich mich auch nicht der Unterrichtung durch namhafte spirituelle Lehrer berühmen kann, stand fest, dass das Schwergewicht der Tätigkeit bei der Organisationsstruktur anzusiedeln sein würde. Dies deckte sich auch mit der Vereinssatzung, die als Vereinszweck in Paragraph 1 die Bekanntmachung buddhistischen Gedankenguts ohne Festlegung auf bestimmte Lehrrichtungen angibt. Eine derart objektive Grundhaltung führt dann zwangsläufig dazu, den "Buddhismus" primär aus theravadischer wie auch (religions-)wissenschaftlicher Sicht zu erörtern.

Schon bald erkannten wir, dass bei dieser nüchternen Zielsetzung der damalige "Buddhismus-Boom" an uns vorübergehen würde. Sachlich wird in DMW 3/2001 zur damaligen Situation ausgeführt:

"Der Verein muß sich in seinen Angeboten auf das beschränken, was er leisten kann, genauer: was seine Mitglieder zu leisten bereit sind. Dazu gehört primär die Erhaltung des Zentrums als Basis für alle Aktivitäten. Mit Vornahme einer Renovierung und Anschaffung neuer Möbel und technischer Geräte wurde hier schon ein Anfang gemacht. Sodann gilt es, interessierte Menschen besser als bisher auf den BBH als Anlaufstelle aufmerksam zu machen. Auch hier ist schon ein erster Schritt mit regelmäßig jeden Freitag angebotenen Sprechzeiten gemacht worden.

Laßt uns also gemeinsam den interessierten Laien das bieten, was sie nach den auch im Zusammenhang mit der Expo 2000 gemachten Erfahrungen meistens wollen: Grundlagenwissen über den Buddhismus ohne verwirrende Schnörkel. Wer sich dann mit den Vier Edlen Wahrheiten befasst hat, wird schon selber feststellen, welchen Weg er weiter gehen sollte."

Zwei Jahre später, wir feierten das 40-jährige Jubiläum des BBH, hatte die Realität unseren Aktivitäten schon ihren Stempel aufgedrückt. Wieder sei aus dem "Mittleren Weg" (3/2003) zitiert:

"Wir sollten bescheiden sein und akzeptieren, dass auch unser Verein bei aller rühmlichen Tradition nicht unentbehrlich ist. Doch noch hat er Vitalität, der inzwischen abgeklungene Buddhismus-Boom hat ihm kein hinderliches Schein-Wachstum verschafft. Auf dem DBU-Kongreß 2000 in Hannover traf Ringu Tulku die Feststellung, dass es für einen Buddhisten nur zwei Dinge gibt, nämlich Studieren und Praktizieren, und dass daraus für buddhistische Zentren zwei Aufgaben entstehen: "Sie müssen eine Gelegenheit (engl. "Situation") für das Studium und eine Gelegenheit für die Praxis schaffen." Und dazu muß eine Infrastruktur geschaffen werden, vom Angebot von Gesprächs- und Meditationsabenden bis zum Leeren von Mülltonnen und Papierkörben. Dies ist unsere Aufgabe.

Zur Erfüllung dieser Aufgabe stehen uns aber nach wie vor nur knappe personelle und materielle Mittel zur Verfügung. Es gibt nur eine kleine Schar von Mitgliedern, die neben ihrem Berufs- und Familienleben einen Teil ihrer (Lebens-)Zeit für Aufgaben des Vereins zur Verfügung stellen können oder wollen. Vor einigen Jahren ins Auge gefasste Projekte, etwa im sozialen Bereich, sind daher derzeit nicht realisierbar. Wie in der Wirtschaft ist es deshalb ratsam, dass wir uns auf unser "Kerngeschäft" beschränken, welches nach Paragraph 1 unserer Vereinssatzung die Bekanntmachung buddhistischen Gedankenguts ist. Und dazu bedarf es - hier schließt sich der Kreis eines funktionierenden Zentrums."

Auch für mich persönlich war die hier besprochene Zeit nicht frei von Vorwürfen, die sich vor allem aus meinen Beiträgen in unserer Vereinszeitung "DMW" ergaben. Dort widmete ich mich nicht nur frommen Themen, sondern auch politisch brisanten wie "Die Grenzen von Multikulti und der Islamismus" oder "Von Toleranz und Gewaltfreiheit". Angesichts der Tatsache, dass uns heute bei fast jedem Aufschlagen einer Zeitung ein islamistischer Bombenanschlag ins Auge springt, ist die damalige' (2001) Aufregung wegen Erwähnung eines (missglückten) islamistischen Terroranschlags auf den Weihnachtsmarkt von Straßburg kaum noch verständlich. Dadurch sah man das zarte Pflänzchen interreligiösen Dialoges gefährdet.

Die Übung der "rechten Rede" ist eine komplizierte Sache und sicherlich nicht zu Unrecht wurde ich gelegentlich einer apodiktischen Argumentation bezichtigt. Als Entschuldigung hierfür mag die den deutschen Juristen antrainierte Denkweise dienen. Denn sie lernen schon im Studium, einen Sachverhalt entweder abwägend im "Gutachtenstil" oder apodiktisch im "Urteilsstil" zu behandeln - letzteres setzt sich dann offenbar auch hinsichtlich anderer als juristischer Themen durch. Wir wissen es ja: Die langjährige Konditionierung prägt das Bewußtsein, siehe Lehrrede 57 der Mittleren Sammlung. (Und hier angelangt lesen wir doch bitte gleich weiter die Lehrrede 58 "Prinz Abaya", die wir in diesem Heft, S. 20 wiedergeben. Der Buddha hat dort weise die Kriterien aufgeführt, die bei einer angemessenen Rede(-erwiderung) beachtet werden sollten.)

Wie geht es weiter? Zu dumm, dass sich Prognosen immer auf die Zukunft beziehen - und diese ist uns ja nicht bekannt. Wir wissen daher weder, wie sich der hiesige Buddhismus noch der BBH entwickeln werden. In DMW 3/2007 hatten wir unter der Überschrift "Quo vadis, Buddhismus?" über die Zukunft des Buddhismus im Westen und die Frage nachgedacht, ob die Erkenntnis eines "reinen" Buddhismus jenseits zeit- und ortsbedingter Formen (wie sie Georg Grimm vorschwebte) nur eine "den europäischen Bedingungen entsprechende Fiktion" (V. Zotz) sei. Immerhin stellten wir fest: "Enge Wechselbeziehungen zwischen den buddhistischen Erneuerungsbewegungen in Asien und der Verbreitung des Buddhismus im Abendland sind entstanden und haben gemeinsam die Tendenz, die buddhistische Lehre zeitgemäß neu zu interpretieren (sog. "buddhistischer Modernismus", H. Bechert)."

Wie immer die Entwicklung sein wird. Dem BBH sei gewünscht, dass er auch in Zukunft mit frischen Kräften auf dem Weg zur Erlösung Hilfestellung zu leisten vermag. Mitgestalten kann jeder, der sich der Vereinsarbeit widmen möchte. Die bevorstehenden Vorstandswahlen geben einen guten Anlaß, sich aktiv zu beteiligen.


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Unaufhörlich rauscht der Frühlingsregen nieder und schlägt
ohne Erbarmen die Kirschblüten von den Bäumen.
Wem sich da nicht das Herz zusammenkrampft,
der hat das Leben nicht verstanden.

Matsuo Basho


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Quelle:
Der Mittlere Weg - majjhima-patipada
41. Jahrgang, Mai - August 2009/2553, Nr. 2, Seite 22-23
Herausgeber: Buddhistischer Bund Hannover e.V.
Drostestr. 8, 30161 Hannover,
Tel. und Fax: 05 11/3 94 17 56
E-mail: info@buddha-hannover.de
Internet: www.buddha-hannover.de

"Der Mittlere Weg - majjhima-patipada" erscheint
nach Bedarf und ist für Mitglieder kostenlos.


veröffentlicht im Schattenblick zum 15. Mai 2009