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PRESSE/792: Rundherum gelungen - Besuch in der Buddhistischen Gesellschaft Hamburg (BuMo)


Buddhistische Monatsblätter Nr. 3/2009, September - Dezember
Vierteljahreszeitschrift der Buddhistischen Gesellschaft Hamburg e.V.

Rundherum gelungen - Besuch in der BGH

Von der Ehrwürdigen Sister Cittapala


Es ist jetzt genau 13 Jahre her, dass ich von Hamburg in das Buddhistische Kloster Amaravati in England umgesiedelt bin, eine Reise, die 4 Jahre zuvor in der Buddhistischen Gesellschaft begonnen hatte: 1992 hatte ich beim Vesak-Fest in der BGH zum ersten Mal thailändische Mönche getroffen und bin seitdem einem inneren Ruf gefolgt, der mich bis heute nicht losgelassen hat und mich in der thailändischen Waldtradition unter Ajahn Sumedho hat Nonne werden lassen. Ajahn Sumedho war zu dieser Zeit der einzige Abt in dieser Tradition, der angefangen hatte, Nonnen (Siladhara) zu ordinieren, und mich auch sonst durch seine direkte Art, Buddhismus zu lehren, sehr beeindruckt hatte. Also sollte mein Nonnentraining in England stattfinden. Obwohl ich heute in der Nonnengemeinschaft in Amaravati auf umfangreiche Weise unterstützt und gebraucht werde und viele lebendige Möglichkeiten der Praxis erlebe, verspüre ich doch den Wunsch, etwas von dem, was ich in den nun 10 Jahren meines Trainings als Nonne lernen durfte, nach Deutschland und in die BGH zurückzubringen. Nun kann man als Nonne nicht so einfach reisen. Ich kann allerdings meine Bereitschaft, wieder mehr nach Hamburg zu kommen, dem "Universum" signalisieren. Wiebke Jensen war während all dieser Jahre eine liebevolle und interessierte Ansprechpartnerin und hatte mich schon zweimal zuvor in die BGH eingeladen. Im Juli dieses Jahres wurde ein fast zweiwöchiger Besuch daraus, der mich auf manche Weise berührt hat. Wiebke hat mich gebeten, darüber zu berichten.

Bei meiner Ankunft am Flughafen Fuhlsbüttel am Abend des 5. Juli strahlten mich aus der Menge der dort auf die Reisenden Wartenden Wiebke Jensen und Susi Poppenberg an. Wiebke hielt mir einen kleinen Strauß mit Sommerblumen entgegen, gepflückt im Garten in der BGH. Das war der Auftakt zu einem sehr warmen und herzlichen Willkommen. Als wir in der BGH ankamen, war trotz später Stunde Wolfgang Krohn noch da, und so folgte das gemeinsame Teetrinken um den Küchentisch in der Beisserstraße 23, das zu einem wiederkehrenden Ritual werden sollte.


Dana

Am nächsten Morgen, wie an vielen weiteren, bereitete Wolfgang das Frühstück und bot es mir durch das symbolische "Überreichen des Tisches" an. Und auch Wiebke und Susi gesellten sich dazu. Zum für mich ungewohnt reichen Frühstücksangebot kam die Besprechung des Tages: Wer mich an diesem Tag zum Dana eingeladen oder sich fürs Dana in der BGH angesagt hatte, ob und wann ich abgeholt oder wie ich dorthin kommen würde, wer angerufen hatte oder noch angerufen werden wollte - und was es sonst noch zu besprechen gab.

Wenn Ordinierte zu Besuch sind, bleibt es nicht aus, dass die eine oder andere Vinaya-Regel (es gibt umfangreiche Trainingsregeln für Mönche und Nonnen) erklärt werden muss. Ich war erstaunt und erleichtert über die Hilfsbereitschaft aller Beteiligten. Ohne das ist Reisen für mich nicht so leicht oder sogar unmöglich. Vieles ist in der BGH ja auch schon bekannt, z.B. dass ich kein Geld benutzen und auch von mir aus um nichts bitten darf - außer um Wasser - und daher darauf angewiesen bin, dass jemand mich von Zeit zu Zeit fragt, ob ich was brauche. Z.B. muss ich mir zu jedem Uposatha-Tag den Kopf rasieren, hatte aber keinen Rasierschaum dabei. Ich hatte mich schon damit abgefunden, dass ich mir den Kopf auf die harte Weise würde rasieren müssen, als die wunderbare Frage "Gibt es etwas, was wir für dich besorgen könnten?" an mein Ohr drang. Und so kam ich doch noch rechtzeitig zum Rasierschaum.

Wiebke hatte schon lange vor meinem Besuch Dana-Einladungen gesammelt und eine Liste gemacht, um sicherzustellen, dass ich an jedem Tag versorgt war. Diese Liste stellte sich als organisatorischer Leitfaden heraus: Wiebke war unermüdlich, mir die notwendigen Fahrkarten für den HVV zu besorgen und begleitete mich auf Fahrten auch zu entfernteren Besuchen. Einige Mitglieder stellten sich und ihr Auto für den Transport zu Dana-Einladungen zur Verfügung. Manchmal mussten ursprüngliche Transportabsprachen auch wieder neu geregelt werden, weil eine Nonne ja nicht ohne weibliche Begleitung mit einem männlichen Fahrer im Auto fahren darf!

Zum Glück hatte ich nicht zu viele tägliche Pflichten, sodass die Dana-Besuche großzügig geplant werden konnten und nach dem Mittag erfreulich viel Zeit für Gespräche zur Verfügung stand. So hatte ich wunderbare Gelegenheiten, alte und neue Mitglieder der BGH wieder zu treffen oder neu kennenzulernen und etwas über ihre Geschichte zu hören - wie sie zum Buddhismus gefunden hatten und wie das ihr Leben verändert hat.

Immer wieder fing es bei Paul Debes und Hellmuth Hecker an, dem Lehrredenkreis, den Retreats in Roseburg und den vielen verschiedenen Lehrern, die in der BGH selbst Retreats gegeben haben. So habe ich einen kleinen und mehr persönlichen Einblick in den unglaublichen Reichtum der Geschichte und Rolle der BGH für den Buddhismus in Hamburg bekommen können und erfahren, wie starke und hilfreiche "Äste" es im Stammbaum ihrer Mitglieder gegeben hat und weiterhin gibt. -

Auch wurden mir immer wieder voller Vertrauen Alltagsfragen gestellt: Was ist eine "buddhistische" Lösung im Umgang mit einem Nachbarn, der ständig den Fernseher zu laut laufen lässt? Wie kann ich meinen Kindern und Enkelkindern etwas mitgeben, die nicht am Buddhismus interessiert sind? Wie soll ich mich auf einer Arbeitsstelle verhalten, auf der Ehrlichkeit nicht immer gefragt ist? Was mache ich, wenn ich mich nicht in der Lage fühle, anderen so zu helfen, wie ich es meinen buddhistischen Idealen nach gern täte? Welche Meditationspraxis ist hilfreich im Alltag? - Ich glaube nicht, dass ich anderen ihre Fragen wirklich beantworten kann, habe mich aber an den Gelegenheiten für einen angeregten Austausch gefreut, besonders wenn die Stimmung sich dabei entspannte und man über sich selbst und die manchmal verzweifelten Versuche, es immer "richtig" machen zu wollen, lachen konnte.

Die großen Themen Krankheit, Alter und Tod kamen bei manchen Besuchen auch auf und wiegen schwerer, besonders wenn sie in das eigene Leben einbrechen und man plötzlich nicht mehr über die gewohnten geistigen und körperlichen Kräfte verfügt, selbst Lesen manchmal nicht mehr möglich ist und das Leben seinen Sinn zu verlieren scheint. Auch wenn die Lehrreden des Buddha uns gründlich auf solche Themen vorbereiten, muss ich in solchen Momenten feststellen, dass das Leiden des Anderen etwas ist, das ich achten muss und ihm nicht ausreden kann. Ich würde so gern in der Lage sein, und oft scheint es auch von mir erwartet zu werden, hilfreiche Antworten zu geben, etwas Erhebendes zu sagen. Und doch zögere ich dann. - Es fühlt sich oft nicht richtig an. Solche Momente zeigen mir, dass meine Rolle dabei eher auf die Bereitschaft, mit ganzem Herzen hinzuhören, beschränkt ist, auf ein Mit-Fühlen - soweit mir das überhaupt möglich ist. Das braucht eine Demut, die mir nicht immer leicht fällt. Und wahrscheinlich sollte ich dankbar für solche Gelegenheiten sein.


Meditation

Jeden Morgen vor dem Frühstück hatten Susi und ich eine Verabredung zum Meditieren im Schreinraum.

Für mich ist das morgendliche Meditieren eine Gelegenheit, geistige Klarheit zu üben: das weit offene Gewahrsein zu erinnern, in welchem ich der aufsteigenden Gedanken und Identifikationen bewusst werden und sie loslassen kann, bevor sie von mir Besitz ergreifen und die Sicht auf den Tag trüben. Im Kloster Amaravati gehört die Morgenmeditation zum festen Programm und ich kann mir ein Leben ohne sie kaum vorstellen. Um so schöner, wenn man sich auch in Hamburg gegenseitig darin unterstützen kann!

Die nächtliche Meditation am Uposatha-Tag gehört auch zu meinen Kloster-Gewohnheiten. Also hatte ich vorgeschlagen, dass wir uns an einem Halbmond-Abend im Garten in der Beisserstraße zusammensetzen und in die Dunkelheit hinein meditieren. Tatsächlich kam ein "harter Kern" zusammen. Es war ein warmer Sommerabend, und so hatten wir die Gelegenheit, die lebhaften Geräusche aus der Nachbarschaft durch uns hindurch ziehen zu lassen und im Laufe des Abends das langsame Stillwerden der Stadt zu verfolgen, innere und äußere Dynamik in denkwürdigem Gleichklang. Dieses Bild von einer kleinen Gruppe Meditierender in einem Garten mitten in der Stadt wird mir in Erinnerung bleiben: als ein Symbol für einen Stadt-Sangha.

Wenn ich gebeten werde, eine Meditation zu leiten, beginne ich meist mit dem Erinnern unseres weit offenen Gewahrseins, in dem "Inseln" verschiedener körperlicher Empfindungen zu spüren sind. Ob man seine Achtsamkeit dann auf einzelne Bereiche innerhalb dieses großen Raumes, z.B. den Bereich des Atems, beschränken oder das Gewahrsein weit offen halten möchte, stelle ich in die Entscheidung der einzelnen Teilnehmer der Gruppe, die ja meistens schon länger meditieren und ihre bevorzugten Meditationstechniken haben. Das hat sich auch bei den verschiedenen Gruppen, zu denen ich in der BGH eingeladen war, besser bewährt als eine mehr detaillierte Anleitung, die manche als störend empfinden. Ich finde es hilfreich, die Teilnehmer nach der Meditation zu einer kurzen Rückmeldung zu ermutigen: was ihr Meditationsschwerpunkt ist, wie es für sie gelaufen ist und ob sie Fragen dazu haben. Zum einen erlaubt mir das ein besseres Kennenlernen und Eingehen auf die Teilnehmer und zum anderen führt es dazu, dass einige von ihnen die manchmal übertriebenen Erwartungen, ihre Ängste und Unsicherheiten abbauen können. Sie merken, dass sie mit ihren Zweifeln und Fragen nicht allein sind, und können sich darüber austauschen und voneinander lernen. Das gehört für mich zu den Stärken eines Sangha, und es ist mir eine Freude, wenn ich das unterstützen kann. Mit guter Anleitung und offenem Austausch kann Meditation zu Zuversicht, Freude und befreienden Einsichten führen anstatt zur einsamen Frustration darüber, dass man das Denken nicht "abstellen" kann.


Gruppen-Leben in der BGH

Die Teilnahme an den regelmäßigen Gruppen, zu denen ich eingeladen war - dem Lehrreden-Kreis, der Gacchama-Gruppe, dem Offenen Vipassana-Nachmittag und der Bhavana-Gruppe - war eine reine Freude. So verschieden diese Gruppen sind, sie alle haben mir ein starkes Gefühl von Sangha vermittelt: Menschen, die die Lehre des Buddha zum Teil schon jahrzehntelang miteinander studieren, diskutieren und in aller Ehrlichkeit auf ihre Praxis, ihr Leben anwenden. Ein buddhistischer Verein wie die BGH hat Mitglieder mit verschiedenen Bedürfnissen und Vorlieben, und so erscheint es nur als natürlich, wenn jede Gruppe auch verschiedene Schwerpunkte und Teilnehmer hat und auf diese Weise ihre besondere Dynamik und "Power" entwickeln kann. Es hat mich fasziniert zu sehen, dass es dabei auch einen geheimen roten Faden gab, der in allen Gruppen während dieser zwei Wochen zum Ausdruck kam. - Für mich war dieses Verbindende die Beschäftigung mit Bhava-Tanha (Durst nach Werden) und Vibhava-Tanha (Durst nach Selbst-Vernichtung). Im Allgemeinen sieht man als Buddhist diesen Durst, dieses Anhaften an dem, was wir werden wollen, bzw. die Abwehr gegen das, was wir nicht ertragen wollen, als etwas Negatives an, weil es zu Leiden führt. Solches Leiden möchte man möglichst schnell überwinden, loswerden. Im Umgang mit solchen Ideen stellt sich dann leicht ein neues Anhaften und Leiden ein, denn wir können uns selbst mit dem Besser-werden-Wollen oder dem Das-Schlechte-vermeiden-Wollen quälen. Immer wieder kamen in diesem Zusammenhang dieselben Fragen auf: Wie kann man diesen Widerspruch auf heilsame Weise halten? Wie weit gehört es zur Praxis, das eigene Leiden da, wo es erscheint, aufmerksam zu ertragen, damit man es tiefer verstehen kann - wie es zustande kommt und wie es vergeht? Wenn ich nicht hinfühlen mag, was kann ich dann überhaupt lernen? Und wird nicht gerade die Bereitschaft, den Pfad zur Befreiung zu gehen, immer wieder genährt von einem positiven Durst und dem damit zusammenhängenden Leiden, dass man noch nicht vollständig befreit ist? Was ist das Gefühl von "Selbst" darin - wie weit brauchen wir es und wo müssen wir es loslassen? Und wer ist da überhaupt, der etwas loslassen kann?

In der Folge des Lehrreden-Kreises und der Gacchama-Gruppe gab es noch lange Diskussionen am Küchentisch und gemeinsame Internet-Suchen, z.B. um die möglichen Bedeutungen von tanha zu ergründen und die entsprechenden Lehrreden und Übersetzungen dazu zu finden. Das hat es für mich schon lange nicht mehr gegeben. Meine Dhamma-Sprache ist bisher eher Englisch, da meine Lehrer und Weggefährten in Amaravati englisch sprechen. Es wurde mir jetzt fast schmerzlich bewusst, wie sehr ich die deutsche Dhamma-Sprache vermisse. Ich habe ihren Reichtum noch gar nicht richtig kennengelernt, viel zu wenig deutsche Lehrreden-Übersetzungen gelesen und auch wenig von Paul Debes und Hellmuth Hecker. Das nehme ich mir für die kommende Zeit vor, weil die Auseinandersetzung mit dem Dhamma im Deutschen für mich viel tiefer zu gehen scheint, als ich es vom Englischen gewohnt bin. Das ist ein ganz unerwartetes Geschenk meines diesjährigen Besuches in der BGH.

Am Ende meiner Zeit in der BGH haben wir uns zu einer kleinen Rückmeldung und Vorschau zusammengesetzt. Dabei konnte ich meiner Freude darüber Ausdruck geben, dass mit Wolfgang Krohn, Wiebke Jensen, Silke Krohn und Susi Poppenberg wieder eine kleine, lebendige Kerngruppe entstanden ist, die sich auf leichte und freundschaftliche Art bei den notwendigen organisatorischen Arbeiten unterstützt und auch tagsüber Leben ins Haus bringt. Ich habe dieser kleinen "Familie" einen angenehmen und inspirierenden Besuch zu verdanken und nehme an, dass noch andere Mitglieder davon angezogen werden und dieses Gemeinschaftsleben weiter wachsen kann.

Für die Zeit meines diesjährigen Besuchs in der BGH hatten viele Mitglieder eine herzliche Dana-Einladung ausgesprochen. Davon bestärkt, wurde ich im Namen des Vorstands der BGH für Juli 2010 wieder für zwei Wochen eingeladen. Ich nehme diese Einladung gern an. Bei einem unserer nächsten Nonnentreffen werde ich sie in der Hoffnung vortragen, dass meine Verpflichtungen in Amaravati mir erlauben, im nächsten Jahr wiederzukommen.


Almosenrundgang

Anschließend an die Zeit in der BGH habe ich noch eine Woche in Hamburg-Ottensen verbringen können, um Freunde zu treffen und weitere Verbindungen zu vertiefen. In dieser Zeit wollte ich auch ausprobieren, wie es ist, dort auf Pindapat (Almosengang) zu gehen. Ich hatte in der kleinen BGH-Gruppe von diesen Plänen gesprochen und Neugier und Besorgnis erweckt: Ob das überhaupt möglich wäre? Silke rief mich dann an, um mir zu berichten, dass sie, Susi und Wiebke dort vorbeikommen wollten, um sicherzugehen, dass ich auch etwas zu Essen bekäme. Ich war gerührt von ihrer Hilfsbereitschaft und wir vereinbarten, an welchem Ort und zu welcher Zeit sie mich finden würden.

Es sind Ferien in Hamburg. Kurz nach 10 Uhr sind nur wenige Menschen auf der Straße, scheinbar in Gedanken verloren. Kaum einer sieht die Nonne an, die da neben dem Naturkostladen steht. Nur Kinder gucken neugierig und sprechen völlig unbefangen mit mir, während ihre Mütter sich miteinander unterhalten. Nach 10 Minuten ist sonst gar nichts geschehen, abgesehen von einem inneren Klärungsprozess: Ich sehe diesem Almosengang mit Vertrauen und einer Art Lernbereitschaft entgegen, und darunter liegt eine spürbare Unsicherheit über seinen Ausgang. Fürs erste bin ich mir im Klaren, dass ich nichts erwarten kann an einem Ort, an dem der Almosengang von Mönchen und Nonnen wohl völlig unbekannt ist. Die Sonne scheint und nährt mich auf ihre Weise. Die kleine Gruppe der Frauen aus der BGH beobachtet die Szene aus einiger Entfernung und ist offensichtlich beunruhigt. Sie hatten sich vorgestellt, Fotos machen zu können, wie mir jemand Essen in die Almosenschale legt. Ich wandere weiter zu einer etwas belebteren Kreuzung. Dort empfange ich erstaunte und meist freundliche Blicke von Vorbeigehenden. Doch weiß offensichtlich keiner, dass ich darauf warte, von jemandem die Nahrung für den Tag in die Schale gelegt zu bekommen oder angesprochen zu werden, ob ich etwas brauche. - Dann könnte ich es erklären. Meine Regeln verbieten es, von mir aus nach etwas zu fragen. Ich stehe still mit meiner fast geschlossenen Schale in den Händen, bereit dafür, dass jemand geben möchte, und beobachte das Aufflackern und wieder Vergehen von kleinen Hoffnungen.

Schließlich kommt Silke auf mich zu und legt mir zwei Tüten vom Bäcker in die Schale. Sie wollte ein Beispiel setzen und hatte etwas für mich gekauft. Verschmitztes Lächeln auf ihrer Seite und spürbare Erleichterung bei mir. Ich wandere weiter, suche mir Standorte in sicherem Abstand von den Mülltonnen, die heute rausgestellt worden sind. Immer noch sind nur wenige Passanten auf der Straße, aber einige Anwohner sitzen draußen vor den Bäckereien und frühstücken in der Sonne. Ich habe Zeit, das friedliche Sommerleben in den Straßen zu beobachten, und frage mich, was wohl in den Menschen vorgeht, wenn sie mich sehen? Ich weiß es nicht. Sie wissen wohl ebenso wenig, was in mir vorgeht. Gegen 12 Uhr treffe ich schließlich wieder auf die kleine Dreiergruppe von der BGH, die sich jetzt entschlossen auf mich zu bewegt. Alle drei haben etwas gekocht und möchten es mir endlich geben. Schälchen und Töpfe öffnen sich, meine Almosenschale wird gefüllt. Traditionell sollen wir uns nicht bedanken, wenn wir etwas bekommen, sondern singen einen Segen auf Pali für das Wohlergehen der Spender. Doch jetzt halte ich meine Freude über diese Gaben nicht zurück und singe den Segen. Vielleicht ist es das erste Mal, dass eine solche Almosen-Zeremonie auf einer Straße in Ottensen geschieht? Das an sich ist schon ein Segen.

Auf dem Weg zurück zu meiner Unterkunft, höre ich plötzlich ein überschwängliches "Hallo" von einer Frau, die mit großem Strahlen auf mich zukommt. Es stellt sich heraus, dass es Stefanie von der Bhavana-Gruppe ist, die mich ein paarmal in der BGH getroffen hatte und jetzt hier in Ottensen arbeitet. Als sie hört, dass ich gerade vom Almosenrundgang zurückkomme, ist sie überglücklich und will mir unbedingt auch etwas geben. Sie erzählt mir, dass sie in Thailand war und traurig angenommen hatte, dass sie die Almosenszenen, die sie dort beobachtet hatte, wohl nie in Hamburg erleben würde. Und nun scheint ein Traum von ihr in Erfüllung zu gehen, direkt an ihrer Arbeitsstelle! Sie füllt meine Almosenschale noch mit einer Handvoll Schokolade und lädt mich ein, an einem anderen Tag wiederzukommen.

War dieser Almosenrundgang nun ein Erfolg oder nicht? - Er ist mir eine Lehre: Menschen, die nicht selbst erlebt haben, was Mönche und Nonnen geben können und wie sie leben, haben kaum das Bedürfnis, uns zu unterstützen. Unser Leben als Ordinierte hängt also wirklich davon ab, dass wir den Kontakt mit Laien suchen und für sie da sind. Besonders hier im Westen, wo die Dana-Kultur fast unbekannt ist, ist dieses gegenseitige Geben und Empfangen, das der Buddha in seiner Lehre und auch in den Vinaya-Regeln zur Grundlage der Beziehung von Ordinierten und Laien gemacht hat, besonders zu pflegen. In einem Kloster wie Amaravati ist dieses Dana-Prinzip nach Jahrzehnten jetzt fast schon zur Selbstverständlichkeit geworden. Hier in Hamburg ist der Kreis der Eingeweihten noch klein, kann aber mit jeder Begegnung wachsen.


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Quelle:
Buddhistische Monatsblätter Nr. 3/2009, September - Dezember, Seite 15-24
Vierteljahreszeitschrift der Buddhistischen Gesellschaft Hamburg e.V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 16. September 2009