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PRESSE/838: Vor 10 Jahren - Die Weltausstellung und die Weltreligionen (DMW)


Der Mittlere Weg - Nr. 2, Mai - August 2010
Zeitschrift des Buddhistischen Bundes Hannover e.V.

Vor 10 Jahren: Die Weltausstellung und die Weltreligionen

Von Axel Rodeck


Ein Jubiläum - auch für Buddhisten

Am 1. Juni 2010 ist es 10 Jahre her, daß in Hannover die Weltausstellung "Expo 2000" eröffnet wurde unter dem Leitthema "Mensch - Natur - Technik". Viele Hannoveraner, die zunächst sehr skeptisch dem Ereignis in ihrer Stadt gegenüberstanden, gewöhnten sich an die Schau oder gewannen zu ihr gar ein herzliches Verhältnis. Kein Wunder daher, daß mancher Besucher mit melancholischem Blick und wehmütigen Erinnerungen den Abbau der Anlagen verfolgte, als die Zeit um war und ein regnerischer November dem Treiben ein Ende machte.

Wir hatten im "Mittleren Weg" ausführlich über alle Veranstaltungen mit religiösem und insbesondere buddhistischem Bezug berichtet, die auf dem Messegelände und parallel dazu in der vietnamesischen Pagode Vien Giac stattfanden. Uns war klar, daß eine derartige Ansammlung kultureller Ereignisse, dargebracht in den bunten Gewändern vieler Völker, ein einmaliges Geschehen war, in welches wir als lokale Buddhisten mit eingebunden waren. Spontan erinnere ich mich an meinen ersten Einsatz auf dem Expo-Gelände: Ein junger Mönch aus Bhutan, der noch nie aus seinem ruhigen Himalaja-Kloster herausgekommen war, sollte nun im bhutanesischen Lhakang auf dem Messegelände in einer Kammer schlafen, die direkt auf das bayrische Bierzelt ausgerichtet war. Ich besorgte ihm eine Packung "Ohropax", eine ihm bislang unbekannte Errungenschaft der westlichen Kultur (gegen den ebenfalls unerwarteten Lärm der westlichen Kultur), die er mit Erfolg verwendete.

Wir versprachen damals, nach 10 Jahren noch einmal auf dieses großartige, einmalige Ereignis in memoriam zurückzukommen und sind erstaunt, daß diese einst so fern erscheinende Zeit nun schon gekommen ist. Lassen Sie uns daher aus dem zeitlichen Abstand heraus noch einmal in Erinnerung rufen, was im religiösen Bereich anläßlich der Expo 2000 alles angeboten wurde.


Buddhistische Veranstaltungen in der Klosterpagode

Mit einer Vorbereitungszeit von zwei Jahren hatten der "Lebensgarten Steyerberg e.V." und die vietnamesische Klosterpagode "Vien Giac", die durch eine geradezu unwahrscheinliche Gunst des Schicksals/Zufalls nur wenige Hundert Meter vom Expo-Gelände entfernt liegt, ein umfangreiches Programm organisiert. Es stand unter der Überschrift "Buddha - Dharma - Expo 2000" und erhoffte sich, mit Menschen aus aller Welt eine riesige Gemeinschaft in Hannover zu bilden.Wie es der Ehrwürdige Thich Nhu Dien, der damalige Abt der Pagode Vien Giac, erwartungsvoll ausdrückte: "Wir wollen mit heiterer Gelassenheit feiern, daß die Welt bei uns zu Gast ist! Alle sind willkommen, die sich bei uns erholen oder erfrischen wollen!"

Die Eröffnungszeremonie unter Anwesenheit von Vertretern des öffentlichen Lebens und der DBU war schon am 27. Mai 2000, und gleich am nächsten Tag wurde gemeinsam mit allen hannoverschen buddhistischen Gruppen das Vesakfest (Vollmondtag mit Gedenken an Buddhas Geburt, Erleuchtung und vollständiges Erlöschen) gefeiert. Es folgte über fünf Monate ein Programm, wie es in seiner Vielfalt wohl kaum noch einmal erreicht werden wird, und es werden viele so wie ich bedauern, daß sie nur einen kleinen Teil der Veranstaltungen wahrnehmen konnten oder wollten. Es würde den Rahmen dieses Berichtes sprengen, auch nur annähernd erschöpfend den Veranstaltungskalender wiederzugeben, deshalb sollen ohne jede Wertung nur einige Programmpunkte erwähnt werden:

Thangka-Ausstellung, Vorstellung tibetischer und anderer buddhistischer Gruppen, Vorträge beispielsweise über das Herzsutra, Sitzmeditationen, Filmvorführungen, Erörterung des Zwecks einer staatlichen Anerkennung des Buddhismus, Naikan-Methode, Frauen und Buddhismus, Nichiren-Chor, Sitarkonzert, Bedeutung des Zen heute, Vietnamveteran und Zenmönch Anshin Thomas, Vortrag des umstrittenen Lama Ole Nydal, diverse Aktivitäten des hiesigen Zen-Dojos Shobogendo usw. usw. Zum Abschluß dann der Kongreß "Buddhismus in Wissenschaft und Praxis" und letztlich als feierlicher Ausklang der Jahreskongreß 2000 der Deutschen Buddhistischen Union. Eine sicherlich einmalige Fülle des Gebotenen in idealem Umfeld, die schon fast verwirrend war. So etwa auch für jenen braven Mann aus einem fernen Theravada-Land, der mit ungläubiger Miene eine in der Pagode ausliegende Postkarte scheu betrachtete, die den Adibuddha Samantabhadra in geschlechtlicher Vereinigung mit Samantabhadri zeigte.

Leider mußte aber die Erfahrung gemacht werden, daß das Publikum doch nicht auf seinem Wege zur oder von der Expo zurück die Gelegenheit einer Beschäftigung mit dem Buddhismus so ergriff, wie sich alle erhofft hatten. Ein ähnlicher Irrtum, wie ihm die hannoverschen Kaufleute unterlagen: Der Expo-Besucher war nach einem anstrengenden Tag auf dem Gelände meist zu müde, sich noch anderen Aktivitäten zu widmen, wenn er nicht sowieso gleich vom Expo-Gelände direkt die Heimfahrt antrat. Oft saß daher die mit dem jeweiligen Referenten angereiste kleine Buddhistenschar, verstärkt durch einige wenige lokale Zuhörer, allein und recht verlassen am Tagungsort. Vor den liebevoll an die Klosterpagode angebauten überdachten Ständen mit Büchern und Informationsmaterial herrschte oft gähnende Leere.


Buddhistische Aktivitäten auf dem Expo-Gelände

Zu den Publikumslieblingen der Expo-Besucher gehörten die Pavillons der Staaten Nepal und Bhutan.

Nepal hatte eine buddhistische Stupa mit einem hinduistischen Tempel zusammengefügt als Sinnbild religiöser Toleranz auf dem Dach der Welt, wo nach amtlichen Aussagen "Buddhismus und Hinduismus miteinander verschmelzen". Eine erfreuliche Darstellung der nepalesischen Handwerkskunst boten die filigranen Schnitzereien und die reich verzierten Holzsäulen, an denen 800 nepalesische Familien 2 Jahre lang gearbeitet hatten. Der Wunsch des nepalesischen Architekten Amrit Ratna Shaky, die Menschen sollten sich in der Anlage wohl fühlen, ging zweifellos in Erfüllung, wie man den in hölzernen Liegestühlen die besondere Atmosphäre der Anlage genießenden Besuchern ansehen konnte. Neben exotischem Augenschmaus erfreute die Gäste das kleine Restaurant "Mani Mandap" mit wohlschmeckenden "Momos", das sind mit Mett gefüllte Maultaschen.

In den nach Art eines orientalischen Basars eingerichteten, jedoch ruhig und unaufdringlich wirkenden Verkaufsständen waren Thangkas, Buddhas, Götterbilder und sonstiges aus dem religiösen Empfinden der nepalesischen Menschen entstandenes Kunstwerk zu erstehen und die Menschenmassen schoben sich neugierig durch diese für sie ungewohnte bunteWelt.Was war aber neben exotischen Mitbringseln von einem fernen Kontinent sonst noch mitzunehmen? Kam auf die meist unvorbereiteten europäischen Besucher etwas herüber, was über den bloßen Reiz des Fremden hinausging?

Das kleine Land Bhutan war mit einem Lhakang vertreten, dem traditionellen Tempel aus Lehm und Holz. Auch hier schoben sich, zuletzt in schon unangenehmer Drängelei, die Besucher durch die enge Gasse der Ausstellungsräume, stapften die Treppe zum Tempel hinauf, den sie meist schweigend und staunend im Gänsemarsch durchquerten. Auch hier war die Distanz zu der fremdartigen Kultur spürbar, es wurde hauptsächlich fotografiert und nach den Preisen der ausgestellten Sachen gefragt. Eine im Verkauf tätige Bhutanesin, die zum Kreis der von mir gelegentlich betreuten Expo-Gäste gehörte, fragte mich eines Tages, ob ich Engländer sei. Denn von den Deutschen sei sie nur immer ein kühl-distanziertes Verhalten ohne jede persönliche Note gewohnt. Es war wirklich erschütternd zu sehen, wie zum Beispiel die Stempelsammler sich ihre Pavillonstempel "verpassen" ließen, ohne die Person auf der anderen Seite des Tisches auch nur eines (freundlichen) Blickes zu würdigen.

Zu erwähnen ist noch, dass die deutschen Buddhisten neben dem Lhakang einen eigenen Tisch mit Informationsmaterial aufstellten und sprachliche Barriere anboten.

Die beeindruckenden Anlagen von Bhutan und Nepal dürfen nicht vergessen lassen, dass auch andere asiatische Länder ihre buddhistische Kultur zeigten. Vor der Halle von Sri Lanka grüßte eine 6 m hohe Buddhafigur den Gast und innerhalb der Halle fand sich die Nachbildung eines prachtvollen kleinen Tempels mit einem aus Glasfiber gefertigten goldenen Buddha (s. Bild Seite 28). Malereien aus dem "Tempel des heiligen Zahns" in Kandy und andere buddhistische Darstellungen schmückten die Halle. Selbst die Verkaufsstände mit ihren vielen Exponaten, darunter auch Großserien von Buddhafiguren, ließen die buddhistisch-religiöse Prägung des Volkes erahnen.

Erwähnenswert ist auch der Pavillon Thailands, wo der Besucher schon beim Betreten der Halle an einem riesigen Wandbild vorbeiging, welches die Versuchung Buddhas durch Mara, den buddhistischen "Teufel", zeigte. Indien hatte einen von Lotosblättern verzierten Eingang, der in einen als Mandala konzipierten Innenraum führte. Ein Meditationsraum lud zur Ruhe ein. Sehr liebevoll gestaltet war der Ausstellungsraum von Indonesien. Hier war vor einem Foto des Borobudur die Replik eines Buddhas dieser Anlage ausgestellt, eine beeindruckende Steinfigur, die sicherlich nach der Expo irgendwo in Deutschland verblieben ist. (Für Buddhisten wäre sie zum Freundschaftspreis von 4000 DM zu kaufen gewesen!) Schließlich boten auch die kleinen Länder in der Asienhalle manchen kulturbezogenen Aspekt, so etwa Kambodscha mit Fotos von Angkor Wat und Nachbildungen der Weltschlange, an der gute und böse Dämonen herumzerren.


Nichtbuddhistische Kulturen und Religionen

Es liegt auf der Hand, dass die Selbstdarstellungen buddhistisch geprägter Länder die hiesigen deutschen Buddhisten besonders ansprachen. Doch auch viele Länder mit nichtbuddhistischer Kultur und Religion bekannten sich zu ihren Wurzeln und verdienen es, erwähnt zu werden. Leider kann hier aber nicht weiter darauf eingegangen werden und es sollen nur beispielhaft erwähnt werden die Tschechische Republik, welche die Kapelle des Heiligen Kreuzes auf der Burg Karlstein naturgetreu nachgebildet hatte, Israel mit seiner Betonung der Basis für die großen drei monotheistischen Weltreligionen und Palästina, welches sich von der Geburtskirche Christi und dem Felsendom bei der Gestaltung seiner Ausstellung bestimmen ließ.

Eine lobenswerte Ausstellung, die in kosmopolitischer Weise über alle Grenzen hinweg ging und eine Brücke zwischen Orient und Okzident zu schlagen versuchte, bot auch die Türkei. Das Hauptthema des Pavillons, nämlich die Begegnungen zwischen Menschen und Göttern, zwischen Kulturen und Zivilisationen, wurde in einer Weise behandelt, wie es sich für einen Staat an der Schnittstelle zwischen West und Ost geziemt. Hier wurde nicht eine bestimmte Religion hervorgehoben, sondern allgemein das Streben des Menschen nach dem Göttlichen festgehalten, symbolisiert durch Repliken von Reliefs, die sich auf dem Götterberg Nemrud befinden und das Zusammentreffen König Antiochos' I. mit den Göttern zeigen.

Von den großen monotheistischen Weltreligionen konnte natürlich keine religionsübergreifende neutrale Darstellung wie bei der Türkei erwartet werden, ja, die Christen lehnten es im Vorfeld der Expo sogar ab, mit den nichtchristlichen Religionen eine gemeinsame Schau zu veranstalten. So wurde den "Exoten" demonstriert, wer hier die "Platzhirsche" sind. Da zeigte sich zunächst auf 9 Stahlstützen ruhend und mit einem 18 m hohen zentralen Sakralraum der "Christus-Pavillon" der evangelischen und katholischen Kirche. Die enormen Baukosten wurden je zur Hälfte von der EKD und von Sponsoren aufgebracht. Ein Wassergraben vor dem Eingang symbolisierte die Trennung vom Trubel auf dem Expo-Gelände. Christliche Ausstellungsstücke waren in 9 kleineren Kammern zu sehen, den Innenhof dominierte ein 27 m hohes Kreuz.

In Form eines Walfisches gestaltet war der "Pavillon der Hoffnung" als Gemeinschaftsobjekt von CVJM und Evangelischer Allianz mit Erlebnisprogrammen, deren Lautstärke und auf Jugendliche zugeschnittene schrille Buntheit jedoch manchen Besucher abschreckte. Diese Anlage gehört zu den wenigen auf dem Expo-Gelände, die nach wie vor genutzt werden, sei es für Gottesdienst (mit Musik und Buffet) oder private Feiern.

Während der Christus-Pavillon mitten im Gewühl der Expo lag, fand sich in ruhiger Randlage auf demWestgelände in unmittelbarer Nachbarschaft der Anlagen von Indien, Bhutan und Korea der Pavillon des Heiligen Stuhls. Der ringförmige Bau aus Holz und Glas vermied katholischen Protz und die behandelten Themen sollten daran erinnern, daß in unserer Glitzerwelt immer noch viele Menschen auf der Schattenseite leben. Neben anderen Kunstwerken aus den Vatikanischen Sammlungen war hinter Panzerglas erstmals außerhalb der päpstlichen Privatkapelle das "Mandylion" ausgestellt, ein Tuchbild, welches angeblich die älteste erhaltene Darstellung des Christusantlitzes sein soll.

Nicht als freistehendes eigenes Gebäude, sondern innerhalb der Asienhalle war der Islam-Pavillon aufgebaut, ein prächtiges Gebilde mit 116 Bögen und 2 Minaretten. Große Modelle und Fotos der Moscheen von Mekka und Medina waren zu bestaunen und ein üppig geschmückter Gebetsraum stand den Besuchern zur Verfügung. Wer dabei war, wird die Veranstaltungen auf dem Expo-Gelände und in der Pagode Vin Giac sicherlich in guter Erinnerung behalten.


Letzte Meldung: Der thailändische Tempel hat sich in einer Lagerhalle wieder angefunden und wird von einer Arbeitsgruppe liebevoll restauriert. Er war vor seinem Expo-Auftritt eigens von buddhistischen Mönchen geweiht worden.


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Quelle:
Der Mittlere Weg - majjhima-patipada
42. Jahrgang, Mai - August 2010/2554, Nr. 2, Seite 27-31
Herausgeber: Buddhistischer Bund Hannover e.V.
Drostestr. 8, 30161 Hannover,
Tel. und Fax: 05 11/3 94 17 56
E-mail: info@buddha-hannover.de
Internet: www.buddha-hannover.de

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veröffentlicht im Schattenblick zum 15. Mai 2010