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PRESSE/933: Interview mit dem Kalligrafiemeister Kazuaki Tanahashi (Buddhismus aktuell)


Buddhismus aktuell, Ausgabe 4/2011
Zeitschrift der Deutschen Buddhistischen Union

"Meine Kunst ist meine Achtsamkeitspraxis"

Interview mit dem Kalligrafiemeister Kazuaki Tanahashi


Es gibt Menschen, die scheinen aus längst vergangenen Jahrhunderten zu uns gereist zu sein - Kazuaki Tanahashi ist einer von ihnen. Der Kalligrafiemeister, bildende Künstler, Übersetzer, Schriftsteller, Friedensaktivist und Dharma-Praktizierende zeigte sich im Gespräch mit Friederike Boissevain als wahrer Allround-Künstler.


BUDDHISMUS AKTUELL: Was war deine erste ernsthafte Begegnung mit dem Buddhismus?

KAZUAKI TANAHASHI: Mit etwa Mitte zwanzig verspürte ich das Bedürfnis nach spiritueller Anleitung und entdeckte die Schriften Dogens. Natürlich verstand ich fast nichts, aber er übte eine unwiderstehliche Anziehungskraft auf mich aus. Während einer Ausstellung Jahre später kam täglich ein älterer Herr in die Galerie. Irgendwann stellte ich fest, dass er ein bekannter Zen-Lehrer und anerkannter Dogen-Spezialist war. Daher sagte ich zu Soichi Nakamura Roshi: "Man sagt, dass es in ganz Japan nur drei Personen gibt, die Dogen verstehen. Sie müssen einer von Ihnen sein. Es wäre wunderbar, wenn Sie ihn in verständliches, modernes Japanisch übersetzen könnten." Er antwortete: "Nur, wenn Sie mir dabei helfen." Fortan trafen wir uns einmal pro Woche. Es war sehr schwierig für mich, denn oft übersetzten wir an einem ganzen Nachmittag nicht viel mehr als einen einzigen Satz. Irgendwann stellte ich fest, dass ich Chinesisch, buddhistische Philosophie und Sanskrit studieren musste. So begann meine Beschäftigung mit buddhistischen Themen.

BUDDHISMUS AKTUELL: Du hast fünfzig Jahre damit verbracht, Dogen zu übersetzen, zunächst vom Altjapanischen ins Neujapanische, später ins Englische. Warum Dogen?

KAZUAKI TANAHASHI: Dogen stellt wahrscheinlich einen der bedeutendsten Erläuterer der Meditationspraxis dar - durch die Jahrhunderte bis heute. Wer auch immer gerne meditieren lernen möchte, kann hier eine genaue Anleitung finden - aber auch das weite Feld der Meditation erforschen, jenseits des dualistischen Denkens. Dogen ist für mich unübertroffen im Hinblick auf seine poetische Schönheit sowie seine Liebe zum Paradox und zu gedanklicher Tiefgründigkeit. Außerdem ist Dogen so positiv! (lacht)

Wir neigen oft zu Zynismus - insbesondere in Anbetracht von Kriegen und Umweltzerstörung. Das kann uns entmutigen. Dogen lässt das völlig kalt. Er glaubt unerschütterlich an die Kraft der Meditation, der Handlung. Dogen hat insgesamt nur wenig über soziale Veränderung gesprochen. In einem Brief, in dem er zu Spenden zur Gründung seines ersten Klosters aufruft, heißt es aber: "Wir werden uns gründlich in jede Handlung einbringen, um fruchtbare Bedingungen zur Verwandlung der zehn Richtungen zu kultivieren." Das erinnert uns sehr schön daran, jedem Detail unseres Zusammenwirkens mit anderen vollkommene Aufmerksamkeit zu schenken, um uns selbst zu verwandeln und somit die gesamte Welt. Ich finde Dogens Vertrauen in die Kraft der Handlung immer wieder aufs Neue inspirierend.

BUDDHISMUS AKTUELL: Im Buddhismus nimmt die Praxis der Achtsamkeit eine zentrale Stellung ein. Wie sieht das bei dir aus?

KAZUAKI TANAHASHI: Meine Kunst ist meine Achtsamkeitspraxis. Ich bin Kalligraf. Kalligrafie ist in Ostasien sehr bekannt, sie gilt als eine der höchsten Künste. In der Kalligrafie muss jede Linie mit einem hohen Maß an Konzentration und einem gleich hohen Maß an Entspannung gezogen werden. Das gleiche Prinzip wende ich auf meine Malerei an. Ich verwende oft selbst gebastelte Pinsel, die manchmal länger sind als ich. Damit erschaffe ich Bilder, die mit nur einem Pinselstrich gemalt werden. Dann habe ich den Zen-Kreis (Enso) weiterentwickelt, der normalerweise monochrom gemalt wird. Ich male ihn vielfarbig. Manchmal beschäftige ich mich auch mit Stillleben oder Landschaftsmalerei, also den mehr konventionellen Sparten.

Ich schreibe viel und halte oft Vorträge, auch das gehört zu meiner Achtsamkeitspraxis. Etwa drei Mal pro Jahr nehme ich an Kursen mit längerer Meditationsübung (Sesshin) teil.

BUDDHISMUS AKTUELL: Wie ist das Verhältnis zwischen deiner Kunst und deinem buddhistischen Engagement?

KAZUAKI TANAHASHI: In der Meditation lernen wir, entspannt zu sein, unseren Kopf klar zu bekommen, konzentriert zu sein. Kalligrafie erfordert Meditation, sie stellt in Ostasien einen wichtigen Bestandteil buddhistischer Meditationspraxis dar. Die Präsenz des Künstlers und die Tiefe der Übung eines Meditierenden sind miteinander verschränkt. Kunst ist weit mehr als Technik und Ästhetik, sie ist auch Präsenz und Praxis desjenigen, der sie erschafft.

Dogen sagt: "Auf der großen Straße der Buddha-Ahnen gibt es immer unübertroffene Übung, fortwährend und anhaltend. Sie bildet den Kreis des Weges und ist niemals unterbrochen. Zwischen dem Streben nach Praxis, Erwachen und Nirwana gibt es keinen Zwischenraum; fortwährende Übung bildet den Kreis des Weges."

Nach Dogens Worten stellt in der Meditation jeder Augenblick ein Erkennen, eine Verwirklichung dar: Streben nach Erwachen, Praxis des Erwachens, Erwachen, Nirwana sind für Dogen unteilbare Erfahrungen. Die Übung der Meditation ist auf gewisse Weise ähnlich wie das wiederholte Malen eines Kreises: Nichts ist perfekt, aber jeder Kreis, obschon verschieden, ist in sich vollkommen. Jeder Kreis ist Ausdruck der Vollkommenheit jedes Augenblicks. In der Kalligrafie ist das ähnlich: Jede Linie muss unter Einbeziehung des ganzen Lebens gezogen werden - sozusagen mit Himmel und Erde. Du malst vielleicht nur eine Linie, aber sie drückt dein gesamtes Leben aus.

BUDDHISMUS AKTUELL: Welche Erfahrungen hast du im Zweiten Weltkrieg gemacht und inwiefern haben sie deine Familiengeschichte und deine Kunst beeinflusst?

KAZUAKI TANAHASHI: Japan befand sich Anfang der dreißiger Jahre des letzten Jahrhunderts in einer schwierigen Phase der kolonialen Expansion sowie des Militarismus, Sexismus und Rassismus. Es stand unter dem Joch eines autoritär geprägten Systems. Im Jahr 1937 begann der Pazifikkrieg mit dem Angriff auf China, wobei die Japaner furchtbare Grausamkeiten begingen. Damals war ich vier Jahre alt. Ich erlebte, wie unsere Stadt zerbombt wurde. Ich erinnere mich noch genau an die offizielle Stellungnahme der damaligen japanischen Regierung: "Einhundert Millionen Menschen zerschlagen wie Juwelen." Mit anderen Worten: Sie empfahlen den kollektiven Selbstmord. Das entsprach dem japanischen Selbstverständnis, dass wir niemals aufgeben würden. Wir wussten, der Krieg war verloren, und ich wusste nicht, wie wir leben sollten.

Dann kam die Kapitulationserklärung. In den folgenden Jahren litten wir unter Mangel an allem, unsere Städte waren ähnlich zerstört wie hier in Deutschland. Mein Vater gehörte zur militärischen Elite. Er hatte zuletzt als Kriegsstratege gearbeitet und fiel dann in Ungnade, weil er eine Kampagne gestartet hatte, die sich gegen den Angriff auf Pearl Harbor richtete. Nach dem Krieg wurde er Shinto-Priester. Das war eine interessante Wandlung, die mich sicherlich sehr beeinflusst hat. Gleich nach dem Krieg begann ich bei Morihei Ueshiba, dem Gründer des Aikido, zu studieren. Er gehörte zu jenen, die die Vision der "Kampfkunst für den Frieden" propagierte. Gleichzeitig wandelte sich das gesellschaftliche Bewusstsein in meiner Heimat, alle wollten nur noch Frieden. Dieser Wandel bildete einen Teil der Grundlage für meine eigene Kunst für den Frieden.

BUDDHISMUS AKTUELL: Hast du einen Helden?

KAZUAKI TANAHASHI: König Ashoka. Unter ihm wurde der Buddhismus eine panindische Religion, er führte ein Modell für Sozialarbeit ein. Seinen Edikten nach unterstützte er alle Religionen, warb für Gleichheit vor dem Gesetz, ließ Krankenhäuser für Mensch und Tier errichten, verurteilte Tieropfer und setzte sich für eine vegetarische Ernährungsweise ein. Obschon er weit vor der Zeit des Mahayana-Buddhismus lebte, kann er als ein Modell des Bodhisattva-Ideals betrachtet werden.

BUDDHISMUS AKTUELL: In welchem Verhältnis steht deine Kunst zu deiner Friedensarbeit?

KAZUAKI TANAHASHI: Ende der siebziger Jahre war der Schrecken der atomaren Bedrohung auch in San Francisco groß. Ich schloss mich daher einer Bewegung an, die sich zum Ziel gesetzt hatte, dem nuklearen Wettrüsten ein Ende zu bereiten, und schuf eine Bilderserie mit dem Titel "Beendet das Wettrüsten oder ...".

Zu Beginn des ersten Golfkriegs malte ich mit einem menschengroßen Pinsel eine Reihe von explosiven Bildern, ganz in Schwarz und Blutrot gehalten.

Etwa 1992 gründeten der Maler Mayumi Oda und ich einen Verein namens "Plutoniumfreie Zukunft", um gemeinsam mit anderen gegen Japans Plutoniumprogramm zu protestieren, das kostengünstige Elektrizität versprach. In Japan wurde diesem Projekt damals oberste Priorität eingeräumt. Wundersamerweise gelang es uns, mit überzeugender Sprache und bildnerischen Mitteln eines der ehrgeizigsten Regierungsprojekte zu stoppen.

1995 malte ich gemeinsam mit Kollegen der Amerikanischen Schule für japanische Kunst einen überdimensionalen vielfarbigen Kreis anlässlich des fünfzigsten Jahrestags der Unterzeichnung der UN-Charta in San Francisco. Später arbeitete ich an einer Bilderserie, die unsere Vorstellung davon schärfen soll, wie wir als Menschheit langfristig überleben können. Das Projekt trug den Namen "Zehn Millionen Jahre Zukunft".

"A World Without Armies" wurde 1999 inspiriert durch die Vision von Rodrigo Carazo, einem früheren Präsidenten von Costa Rica. Costa Rica hat seit 1949 keine Armee mehr, seine Einwohner erfreuen sich eines guten Gesundheitssystems, kostenloser Schulbildung und eines hohen Grades an Zufriedenheit. Panama folgte 1994. Ich habe in dieses Projekt viel Zeit und Energie gesteckt und spende nach wie vor einen Teil der Einnahmen aus meinen Bildern dafür.

Während diese Arbeit für die Zukunft eine sehr freudige Aufgabe darstellen kann, ist die Beschäftigung mit der Vergangenheit oft zutiefst schmerzhaft. Bis heute versuchen viele Japaner, die Gräueltaten, welche japanische Truppen angerichtet haben, zu verharmlosen oder schlichtweg zu leugnen. Deswegen sind Japaner in vielen Ländern Asiens verhasst. Gemeinsam mit meinen chinesischen und japanischen Kollegen habe ich deswegen anlässlich des siebzigsten Jahrestages des japanischen Massakers in Nanjing, der ehemaligen Hauptstadt Chinas, dort eine Konferenz organisiert.

Zuvor hatte ich noch den Text für die Symphonie "Ah Nagasaki" geschrieben, die das unendliche Leid anspricht, das durch den Abwurf der Atombombe verursacht worden ist, und dies mit einem Gelübde für Frieden verbindet.

Meine Ausstellung in Nanjing enthielt Bilder, die meiner Trauer und Reue Ausdruck verleihen sollten, verbunden mit meiner tiefen Hoffnung auf eine künftige Freundschaft zwischen beiden Ländern. Es geht hierbei immer um individuelles und gesellschaftliches Leid - an beides zu erinnern, war mir wichtig. Natürlich wäre es wundervoll, wenn sich der Kaiser für Nanjing entschuldigen würde. Das ist eine Seite. Wichtig sind aber die Menschen, die - von Angesicht zu Angesicht - einen ehrlichen Austausch miteinander pflegen. Außerdem ist die individuelle Ebene frei von politischer Einflussnahme und daher meines Erachtens oft wirksamer und stabiler.

Inzwischen gibt es im Rahmen dieses Projektes einen Austausch zwischen japanischen und chinesischen Studenten. Die japanische Regierung hat kürzlich hierfür ein dreijähriges Stipendienprogramm verabschiedet. So etwas macht mich sehr glücklich.

BUDDHISMUS AKTUELL: Was sagst du zur Atomkatastrophe in Fukushima?

KAZUAKI TANAHASHI: Mein Herz ist bei allen, die ihr Leben dort ließen, die ihre Angehörige verloren haben, ihr Zuhause, ihre Arbeit und den Millionen von Menschen, die sich jetzt einer radioaktiver Verseuchung gegenüber sehen. Als Gründungsmitglied des Projektes "Plutoniumfreie Zukunft" möchte ich meine Japanischen Mitbürgerinnen und Mitbürger auf das Kräftigste ermutigen, sich für eine Gesellschaft einzusetzen, die ausschliesslich von sauberen, sicheren und erneuerbaren Energien abhängig ist.

BUDDHISMUS AKTUELL: Wie siehst du die buddhistischen Übenden im Westen?

KAZUAKI TANAHASHI: Der japanische Buddhismus hat eine reiche Geschichte voller ernsthafter Übender - bis heute. Inzwischen ist sein Geist aber auch sehr institutionalisiert. Hinzu kommt die Tatsache, dass die Tempel in Familienbesitz sind und - von wenigen Ausnahmen abgesehen - nur innerhalb dieser weitergegeben werden. Das bringt eine gewisse Geschäftstüchtigkeit bis hin zu korrupten Ansätzen mit sich. Außerdem ist das Kernstück, die Meditation, vorwiegend der Priesterschaft vorbehalten. Im Westen hingegen gibt es eine stark von Laien getragene Übung, die auf Gleichberechtigung beruht und sehr umweltbewusst ist. Es besteht ein hohes Interesse an sozialer Veränderung. Ich besuche viele Zen-Zentren und empfinde die Atmosphäre meistens als erfrischend offen, rein und von erstaunlicher Vielfalt. Für einen Japaner sehr inspirierend! (lacht)

In letzter Zeit hat sich zudem das Studium vieler asiatischer Sprachen, einschließlich Sanskrit und Pali, im Westen vertieft.

Es ist schon erstaunlich, an Konferenzen teilzunehmen, auf denen Neurowissenschaftler über die biologischen Vorgänge während der Meditation referieren, oder zu beobachten, wie die von meinem langjährigen Freund Jon Kabat-Zinn gegründete "mindfulness-based stress reduction" Einzug in Arbeitsplätze und Krankenhäuser hält. Bestimmt werden die Veränderungen, die der Dharma im Westen vollzieht, dabei helfen, den Buddhismus in Asien zu erhalten und zu revitalisieren.

BUDDHISMUS AKTUELL: Worin besteht die Rolle von Dharma-Übenden in einer Zeit der globalen Krise?

KAZUAKI TANAHASHI: Ich bin tatsächlich der Meinung, dass wir uns in Richtung einer kollektiven Vernichtung bewegen: durch unseren Konsum, unsere schweren Nuklearwaffen, unsere Umweltverschmutzung. Natürlich kann ein Künstler sagen, er sei nur an der Kunst interessiert, genauso wie ein Dharma-Übender sagen kann, er sei nur am eigenen Erwachen interessiert. Das muss jedem Einzelnen überlassen bleiben. Ich glaube aber, wir benötigen auch Dharma-Übende, die sich engagieren und eine Inspiration für all jene darstellen, die leiden müssen. Wir brauchen Einzelne, die sich für den Frieden einsetzen - Frieden mit unseren Nachbarn, mit anderen Ländern, mit der Umwelt.

BUDDHISMUS AKTUELL: Du bist ein anerkannter Künstler. Für die meisten Menschen endet ihr künstlerischer Ausdruck mit der Schulzeit. Wie wichtig ist Kreativität für unser Leben?

KAZUAKI TANAHASHI: Ob anerkannt oder nicht - jeder ist Künstler. Jeder macht etwas Schönes. Es kommt darauf an, dies zu sehen. Alles, was achtsam getan wird, ist Kunst. Singen, musizieren, tanzen, malen - das ist die eine Sache. Jeder aber kann einen Kreis malen oder eine Linie. Ich habe Freunde, die jeden Tag versuchen, eine Linie zu malen oder die ein bisschen Kalligrafie üben. Viel Arbeit ist keine Entschuldigung. Jeder kann Zwiebeln oder Birnen malen. Ich glaube, dass es für jeden gut ist, sich hierin eine gewisse Routine zuzulegen. Diese Dinge machen einfach so viel Freude.

BUDDHISMUS AKTUELL: Im Zen sagen wir oft: Wir gehen nirgendwohin, es gibt nichts zu lernen. Dogen kam mit "leeren Händen" aus China zurück. Wenn man sich dein Leben anschaut, so scheinen bestimmte Zielvorstellungen eine wichtige Rolle gespielt zu haben. Wie wichtig sind Visionen für ein erfülltes spirituelles Leben?

KAZUAKI TANAHASHI: Ich denke, dass dieses "Nichts-Erreichen" eine etwas arrogante Illusion darstellt. Vielleicht kann man das aufs Erwachen begrenzen. Wenn du aber eine Gruppe hast und versuchst, für einen Meditationsraum Spenden zu sammeln, brauchst du ein Ziel, eine gute Planung. Wir können die kollektive Weisheit dazu benutzen, etwas zu erreichen. Um Gutes zu tun, benötigen wir gute Visionen, gute Strategien und einen anhaltend langen Atem! Ich glaube, wozu Zen uns aufruft ist, nicht an den eigenen Versuchen festzuhalten. Eine Art des Nichtanhaftens. Kein Anhaften, denn das wäre ein Hindernis. Kein Aufgeben, denn das wäre nur ein Ausweichen. Sondern ein Nichtanhaften. Dabei bleibst du voll und ganz verantwortlich, aber du hängst nicht am Ergebnis, obschon du dich deinem Vorhaben zutiefst verpflichtet fühlst.


Das Interview führte Friederike Boissevain für Buddhismus aktuell.


Kazuaki Tanahashi - Begegnung mit einem Meister

Ein Porträt von Friederike Boissevain

Anfangs verläuft unser Gespräch scheinbar gewöhnlich - ein älterer Herr, 1933 in Japan geboren, erzählt von seinen Kriegserlebnissen, seinem Umzug nach Amerika. Plötzlich aber sprechen wir über seine Beteiligung an der Beendigung des japanischen Plutoniumprogramms, die von ihm gegründete Organisation "Eine Welt ohne Armeen" und sein Projekt "Nanjing", das die Versöhnung Japans mit China zum Ziel hat.

Waren wir gerade noch bei seinen Lehrstunden mit dem Begründer des Aikido, Morihei Ueshiba, sprechen wir kurz darauf über einen von ihm verfassten Operntext und sind wenig später bei seinen Übersetzungen des Zen-Meisters Dogen, die er über einen Zeitraum von fünfzig Jahren erarbeitet hat. Dann wechseln wir zu seiner Kunst und den von ihm geschaffenen großformatigen Bildern, die mit nur einem Pinselstrich entstanden sind. Von hier aus springen wir weiter zur Übersetzung und Interpretation bekannter buddhistischer Texte wie dem Herz-Sutra. Während mir als Interviewerin schon ein wenig schwindelig wird, bleibt der Meister bei all den Ausführungen sympathisch zurückhaltend und ansteckend humorvoll.

Kazuaki Tanahashi hat als bildender Künstler Einzelausstellungen auf der ganzen Welt gezeigt und mehr als zwanzig Bücher veröffentlicht. Seit Ende der achtziger Jahre kommt er regelmäßig auch in die deutschsprachigen Länder - vornehmlich um Kalligrafiekurse abzuhalten. Jeder, der schon einmal einen solchen Kurs besucht hat, fühlt sich hinterher nicht nur über die Kunst der ostasiatischen Linienführung belehrt, sondern hat noch etwas ganz anderes geschenkt bekommen: eine Lektion in Langsamkeit, Leichtigkeit und Lebensfreude.


Kazuaki Tanahashi, 1933 in Japan geboren, erlernte dort traditionelle Kalligraphie und Malerei. Seit 1977 lebt und arbeitet er in den USA als Maler, Kalligraphiemeister, Schriftsteller, Friedens- und Umweltaktivist. Zahllose seiner Werke wurden in verschiedenen Ländern ausgestellt; er hat mehr als 20 Bücher veröffentlicht. Sein letztes Buch ist die 2500 Seiten umfassende englischsprachige Gesamtausgabe des japanischen Zen-Meisters und Begründers der Soto-Zen-Schule, Dogen Zenji (1200-1253): "Treasury of the True Dharma Eye: Zen Master Dogen's Shobo Genzo".

Weitere Infos: www.brushmind.net
www.tanahashi.de

Friederike Boissevain arbeitet als Fachärztin für Innere Medizin, Krebserkrankungen und Palliativmedizin. Zudem ist sie als Übersetzerin und Autorin tätig. Sie praktiziert mit der "Wind und Wolken Sangha", einer Zen-Gemeinschaft in Schleswig-Holstein.

Infos: www.wind-wolken-sangha.de


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Quelle:
Buddhismus aktuell, Ausgabe 4/2011, S. 12-20
Herausgeberin: Deutsche Buddhistische Union (DBU)
Buddhistische Religionsgemeinschaft e.V.
www.dharma.de
www.buddhismus-deutschland.de

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veröffentlicht im Schattenblick zum 15. Oktober 2011