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PRESSE/936: Zukunftsdeutung und Buddhismus? (DMW)


Der Mittlere Weg - Nr. 1, Januar - April 2012
Zeitschrift des Buddhistischen Bundes Hannover e.V.

Zukunftsdeutung und Buddhismus? Wie sinnvoll ist Astrologie? - Über Synchronizität und Kausalität

von Uwe Kickstein


Sternendeutung (Astrologie), Tarot, I Ging, Bleigießen - Menschen wollten zu allen Zeiten wissen, wie ihre Zukunft aussieht, welche Widerfährnisse ihnen begegnen könnten, wie sie sinnvoll auf zukünftige Ereignisse reagieren könnten, um dem Leiden zu entgehen und Glück in einem sorgenfreien Leben zu finden.

Oft sind es "die anderen" - so meinen wir in unserer Egozentrik - die unser Glück vereiteln. Daher ist es wohl ein Bedürfnis, andere Menschen nach ihren charakterlichen (ethischen) Eigenschaften, ihrer Emotionalität "einschätzen" zu können. Angst vor Enttäuschungen, aber auch das Bestreben, sich die eigenen Wünsche und Sehnsüchte zu erfüllen, lassen Menschen nach Hilfe in den unterschiedlichen Formen der Wahrsagerei und Zukunftsdeutung suchen. Sicherheit im Alltäglichen, in der Partnerschaft sind weitere Motive.

Die dort gebotene scheinbare Analyse der eigenen Gefühls- und Antriebswelt ist ein weiterer Aspekt, warum Menschen sich z.B. Horoskope stellen lassen, sich von Astrologen und anderen "Zukunfts-Deutern" beraten lassen.

Mehrere Fragen sind dabei zu beantworten:

- Vermitteln all die Zukunftsdeuter eine Wirklichkeit oder werden irrationale, nicht-kausale Hinweise, Perspektiven und Deutungen gegeben?

- Wichtiger noch als die erste Frage: In welche Abhängigkeiten begeben sich zum Beispiel astrologiegläubige Menschen? Welche Gefahren für die eigene Erkenntnisfähigkeit erwachsen?

- Verhindert oder beeinträchtigt der Glaube an Charakter- und Zukunftsdeutung durch die Konstellation von Sternen (Planeten, Sonne, Mond), durch das Legen von Tarotkarten, dem Münzwerfen beim I Ging und ähnliche Praktiken die Achtsamkeit (satipatthana) auf Körper, Gefühle und Geistregungen?

Gerade in spirituellen und esoterischen Gruppen wird man recht häufig nach dem eigenen Stern-(Tierkreis-)Zeichen und Geburtsjahr, dem Tag der Geburt - manchmal auch nach der Geburtsstunde - gefragt und erfährt dann - nach Beantwortung dieser Frage - wie man in die eine oder andere Charakter-Schublade gesteckt wird. Der Fragende "weiß" nun anscheinend mehr über meinen inneren Zustand, meine Motivationen, als ich selbst.


Was steht im Pali-Kanon - welche Aussagen Buddhas finden wir?

"Als wie etwa gar manche ehrsame Priester und Asketen, die von den dargebrachten Gaben der Gläubigen leben, durch eine derartige gemeine Wissenschaft auf unrechte Weise (micchâjîvena) ihren Unterhalt erwerben, und zwar durch Auslegen der Sterngesichte (Astrologie, Anm. des Verfassers), Vorzeichen, Warnungen, der Träume, der Körpermale, der Maulwurflöcher, der Feueropfer, Löffelopfer, der Hülsenopfer, der Korn- und Reisopfer, der Milch- und Ölopfer, der Speichel- und Blutopfer, durch Besprechen der Leibesglieder, Besprechen von Haus und Feld, durch Wurzelsegen und Kräutersegen und Erdesegen, durch Beschwörung von Schlangen, Giften, Skorpionen, sie deuten den Lauf der Mäuse, den Flug der Vögel, die Krähen und ihr Krächzen, raten wie man vor Pfeilen sich freien, wie man wilde Tiere bannen kann, und dergleichen mehr: eine derartige gemeine Wissenschaft mit unrechtem Unterhalt hat er verschmäht, der Asket Gotamo." So etwa schon, ihr Mönche, mag der gewöhnliche Mensch über den Vollendeten ein günstiges Urteil fällen.

"Als wie etwa gar manche ehrsame Priester und Asketen, die von den dargebrachten Gaben der Gläubigen leben, durch eine derartige gemeine Wissenschaft auf unrechte Weise ihren Unterhalt erwerben, und zwar durch Auslegen der glücklichen Zeichen an Edelsteinen, an Stöcken, an Kleidern, an Schwertern, Pfeilen, Bogen, Wurfscheiben, an Weibern und Männern, an Knaben und Mädchen, an Knechten und Mägden, an Elefanten und Rossen, an Büffeln und Stieren und Kühen, an Ziegen und Schafen, an Hühnern und Wachteln, an Eidechsen, Katzen, Schildkröten, wilden Tieren, und dergleichen mehr: eine derartige gemeine Wissenschaft mit unrechtem Unterhalt hat er verschmäht, der Asket Gotamo." So etwa schon, ihr Mönche mag der gewöhnliche Mensch über den Vollendeten ein günstiges Urteil fällen.

Auszug aus dem Dhiga-Nikaya, 1. Brahmajâla Sutta 1.2.3. ,Der Lange Teil der Sittlichkeit (mahâsîla), Abs. 19 und 20


Im Vinaya Pitaka heißt es unter "Anâcâra - Einem Mönch unangemessenes Verhalten":

1. Spielereien, Spiele und Streiche:
Kindische Spielereien: z.B. Spielen mit Spielzeug, Blindekuhspielen u.ä.
Wilde Spielereien: z.B. Raufen, Boxen u.ä.
Gewinnspiele
Schaden anrichtende Spiele (Lausbubenstreiche)
Lärmende Spiele

2. Blumenkränze herstellen

3. tiracchâna-vijjâ: "Wissen der Tiere", d.h. alle Arten von Wahrsagerei, Zeichendeuterei, Magie

Anhand der Astrologie sollen einige mögliche Gefahren dieser Art von Zukunftsdeutung betrachtet werden:

1. Sich selbst erfüllende Prophezeiungen

2. Identifzierung mit nur angenehmen Aussagen über den eigenen Charakter

3. Sich entwickelnde Unfähigkeit, eigene (nicht fremdbestimmte, horoskop-gesteuerte) Entscheidungen zu treffen oder Einschätzungen vorzunehmen. Zukunftsdeutung wird dabei zur Sucht.

4. Die eingeschränkte,sich vermindernde Fähigkeit, Körper, Emotionen, Gedanken, Motivationen wahrzunehmen, zu betrachten.

Deshalb möchte ich mich jetzt den sozialen und psychologischen Aspekten der Astrologie zuwenden.


Astrologische Beratung

Astrologie will Hilfe für den Menschen in Lebensfragen sein. Astrologen bezeichnen das, was sie tun, auch gerne als seelsorgerische Tätigkeit. Nicht selten verbergen sich Astrologieausübende hinter der Bezeichnung "Psychologe". Untersuchungen haben ergeben, daß gerade im Berufsstand des Psychologen - wenn auch in einer Minderheit - Astrologen, Kosmologen und Kosmo-Biologen zu finden sind. Das Problem für den Patienten hierbei: Astrologen in der psychologischen Beratung geben sich nicht immer offen zu erkennen.

Menschen, die sich in astrologische Beratung begeben, kommen aus allen Bereichen. (So wurde bekannt, daß der damalige US-Präsident Ronald Reagan und Indiens Präsidentin Indira Gandhi sich vor wichtigen politischen Entscheidungen mit ihren Astrologen darüber und über die terminliche Günstigkeit absprachen). Es handelt sich hier um sogenannte "Stundenhoroskope" oder "Fragenhoroskope". Auf konkrete Fragen werden konkrete Antworten erwartet, wie z.B.: "Soll ich mich operieren lassen?"

"Soll ich mich um einen neuen Arbeitsplatz bewerben?"
"Soll ich mich von meinem Partner trennen?"
"Sollen wir das angebotene Haus kaufen?"

(aus: Zeitschrift "merCur" 2/97 - aus der Praxis eines Stundenastrologen)

Das läßt mich auch zu sozialen Verwicklungen kommen, die uns die Astrologie bereiten kann. So kann es uns passieren, daß wir mit einem astrologiegläubigen Mitmenschen zusammenkommen: Vielleicht bewerben wir uns um eine Arbeitsstelle und der Personalchef versucht an Hand der ihm von uns vorliegenden Daten durch Erstellung eines Geburtshoroskops eine Entscheidungshilfe über unsere Bewerbung zu bekommen. Das ist leider kein Witz. Dergleichen passiert tatsächlich. Hier lassen sich auch Unternehmer von Astrologen zu Investitionen und betrieblicher Zukunft beraten. Es ist bei der heutzutage anzutreffenden Horoskop- und Astrologie-Gläubigkeit von Hunderttausenden Menschen allein in Deutschland nicht unwahrscheinlich, daß wir an einen Menschen geraten, der, ohne daß wir es überhaupt erfahren, über unsere Zukunft durch Horoskope entscheidet - so oder so.


Astrologiegefahr "Diskriminierung"

Wer kennt sie nicht, die unbedarft oder auch mit tiefblickenden Augen gestellten Fragen nach unserem Tierkreiszeichen. Die "Aha-Erlebnisse"; man hatte es ja schon immer gewußt, warum der und die nicht zueinander passen oder die und der doch zueinander passen müssen - oder warum Hans sowieso einen ganz miesen unstetigen Charakter haben muß und Petra so ein einnehmendes Wesen hat. Daß man/frau da in Schablonendenken verfällt, Menschen in bestimmte Schubladen gesteckt werden, eine Art Diskriminierung und Einteilung nach Tierkreiszeichen entsteht, fällt bei diesen so "harmlosen" Astrologiespielchen kaum jemanden auf.

Astrologie-Ausübende behaupten von sich, daß sie eine positive seelsorgerische (psychotherapeutische) Tätigkeit in der Gesellschaft ausüben. Lebenshilfe kann aber nur dann wirklich erfolgen, wo an tatsächlichen Schwierigkeiten, an tatsächlichen Gefühlskonflikten, bei tatsächlichen Entscheidungsnotwendigkeiten diese Hilfe erfolgt. Ein fiktives Menschenbild im Einzelfall, wie es sich die Astrologie aus den Konstellationen der Sterne und Planeten zieht, wird nicht in der Lage sein, dem so beratenen Menschen angemessene Entscheidungshilfen zu geben. Aus einem irrationalen, fiktiven Menschenbild können nur irrationale und unangemessene Voraussagen und Entscheidungshilfen resultieren.

Wenn dennoch so viele Menschen über Jahre - manchmal ihr ganzes Leben - die "Hilfe" der Astrologie in Anspruch nehmen - und dabei glücklich sind, sich aufgehoben und geborgen fühlen -, gibt es auch dafür Ursachen, die jedoch nicht in der Schlüssigkeit der Astrologie liegen.

Einer der Gründe ist die Hilflosigkeit, sich in schwierigen, gefühlsbelastenden Situationen alleine mit seinem emotionalen Zustand auseinander zu setzen und das (vielleicht unerfreuliche) Notwendige zu tun, sich über innere Beweggründe klar zu werden. So wird Astrologie häufig in Richtung des geringsten emotionalen Widerstands ein probates Mittel. Hier spielt auch die Bereitschaft des schon zur Genüge gesellschaftlich manipulierten, an Autoritäten gewöhnten Menschen hinein, der sich um so leichter in die Hände der Autorität Astrologie begibt, weil er nicht willens ist, wirklich Verantwortung für sein Leben zu tragen. Er überläßt sie anderen - und kann sich natürlich so auch jederzeit (innerlich) herausreden, wenn durch astrologische Charakter- und Zukunftsdeutung, durch scheinbare Möglichkeiten, Chancen und Gefahren, welche das Horoskop offenbart und ein hierdurch gelenktes vorausbestimmtes Handeln, andere Menschen leiden müssen.

Astrologie ist ein einfaches Mittel, sein emotionales Gleichgewicht auf einem niedrigen Level, nämlich dem der Konfliktlösung durch eine fremde Macht (den kosmischen Zusammenhängen und sie deutende Astrologen) beizubehalten. Sie ist ein Droge mit dem Potential zur Abhängigkeit.

Um den gläubigen Astrologieanhänger bei der Stange zu halten, mußte sich die Astrologie allerdings einige Tricks einfallen lassen. Im groben Umriß läßt sich sagen, daß ihr Trick darin besteht, in ihren Aussagen so allgemein wie nur möglich zu bleiben, trotzdem aber durch eine rhetorische Findigkeit dem Horoskopkonsumenten die Möglichkeit zu geben, seine spezielle Situation, seine ihm auffallenden Charaktereigenschaften aus allerlei Allgemeinplätzen herauszulesen. Wer sich einmal die Mühe macht und verschiedene Horoskope untersucht, (nicht die kurzen Illustrierten-Horoskope, sondern jene von anerkannten Fachleuten der Astrologie, welche oftmals über zwei und mehr Seiten sich über Charakter und Zukunftsmöglichkeiten, Fähigkeiten und Schwächen eines Menschen ausbreiten), der wird nach intensiverem Lesen feststellen, daß Aussagen zu Charakter, Fähigkeiten und Schwächen einer Person, dermaßen konträr oder allgemein angegeben werden, daß sich jeder das Gewünschte aus seinem Horoskop herauslesen kann.

Hier noch eine kurze Zusammenstellung, die deutlich macht, daß die Aussagekraft der Astrologie zumindest sehr "flexibel" ist:

Zunächst eine auszugsweise Auflistung von Schlüsselwörtern, welche in der Astrologie zur Beschreibung des Charakters einzelnen Planeten zugeordnet werden:

Mars
aktiv, ungeduldig, streitsüchtig, rücksichtslos, kampfbereit, mutig, dynamisch, energisch, erregt, unermüdlich, kämpferisch,aggressiv, furchtlos, unverblümt, robust, unerschrocken, tapfer, vital, lebhaft, eigenwillig

Jupiter
ungezwungen, ehrgeizig, opportunistisch, autoritär, gesprächig, durchsetzungswillig, Gespür fürs Komische, kommunikativ, gutmütig, verschwenderisch, fröhlich, gern gestikulierend, unabhängig, glücklich, diesseitig, großzügig, scherzhaft, liebenswert, eitel

Saturn
förmlich, zurückhaltend, gewissenhaft, kühl, methodisch, genau, bescheiden, aufmerksam, gründlich, nicht gesprächig, präzis, nachdenklich, zurückhaltend, reserviert, vernünftig, melancholisch, furchtsam, fleißig, schweigsam, traurig

Mond
freundlich, viele Freunde, einfach gesellig, gutmütig, entgegenkommend, unordentlich, geistesabwesend, großzügig, phantasievoll, leicht beeinflußbar, beliebt, weltzugewandt, nachlässig, poetisch, verträumt, hilfsbereit, ziemlich dünkelhaft, oberflächlich, tolerant

Die Sternzeichen (Tierkreis) sind mit den Himmelskörpern (= Charaktereigenschaften der Götter) verbunden:

Widder - Mars
Stier - Venus
Zwilling - Merkur
Krebs - Mond
Löwe - Sonne
Jungfrau - Merkur
Waage - Venus
Skorpion - Pluto
Schütze - Jupiter
Steinbock - Saturn
Wassermann - Uranus
Fische - Neptun

Moderne Astrologen haben also zusätzlich zu den schon im Altertum bekannten Planeten die erst in der Neuzeit entdeckten hinzugenommen. Die zufällige (willkürliche) Namensgebung der Astronomen für Neptun, Uranus und Pluto ist unter Astrologen merkwürdigerweise sinngebend für die Charaktereigenschaften geworden - anhand der Eigenschaften der antiken Götter mit gleichen Namen.

Nicht alle Astrologie-Schulen stimmen mit den oben gemachten Zuordnungen von Planeten und Eigenschaften überein. So haben viele Schulen ihre diesbezüglichen Eigenheiten. Interessant aber ist doch die Struktur, die sich aus den Gegenüberstellungen der Planeteneigenschaften ergibt, auch die Überschneidungen von Eigenschaften, die zwar mit anderen Worten benannt werden, aber ähnliches ausdrücken.

Eine Gegenüberstellung von Planetencharakteristiken zeigt die Mehrdeutigkeit und die reichlichen Interpretationsmöglichkeiten, die sich aus den Überschneidungen der Charakterzuordnungen ergeben. Das bedeutet eine weite Kombinationsmöglichkeit "bedeutungsschwerer" Charakterisierungen. Indem Astrologen ihre Aussagen mit Wörtern wie "wahrscheinlich", "möglich", "könnte", "dürfte", "eher", "mehr" umschreiben, darf sich jeder so "Beratene" seine ihm angenehme Charakteristik und Zukunftsumschreibung aus den Horoskoptexten selbst herauslesen. Man bezeichnet das als den "Barnum-Effekt": Mehrdeutige Allerweltsfloskeln, die so gut wie nichts ausschließen.

Astrologen arbeiten laufend mit dem Erfolgsrezept des legendären Zirkusdirektors Phineas Barnum: "Ein bißchen für jeden."


Astrologie im Test

In einem psychologischen Test der Forscherinnen Fichten und Sunerton wurde den ein Dutzend Tierkreis-Charakterisierungen eine 13. Charakterisierung hinzugefügt. Es handelte sich hierbei um einen sogenannten Barnum-Satz: die 13. Charakteristik war von Allgemeinplätzen und Schmeicheleien nur so angefüllt. Solange den Versuchspersonen nicht gesagt wurde, daß es sich nur bei den zwölf der dreizehn Charakteristiken um Tierkreis-Charakteristiken handelte, wurde die "Barnum-Charakteristik" (das 13. Horoskop) mit Abstand als die zutreffendste empfunden.

Ähnliche Erfahrungen machte der französische Psychologe L.H. Couderec. Er bot in einer Anzeige seine Dienste als Astrologe an und verschickte an alle Interessenten die gleiche, allgemeingehaltene und vieldeutige "Horoskopanalyse". Couderec erhielt über 200 Antworten, die ihm für seine hervorragende Einfühlungsgabe und frappierende Treffsicherheit dankten.

G.A. Tyson (Universität Johannesburg, Südafrika) testete die Genauigkeit von Geburtshoroskopen an 15 jungen Frauen. Ein renommierter Astrologe hatte die Horoskope für diese zuvor erstellt. Die 15 Versuchspersonen bestimmten nun ein Familienmitglied oder einen Freund ihrer Wahl, von dem sie sich am besten verstanden und erkannt fühlten. Diese sollten nun aus fünf Horoskopen - von denen vier fingiert waren - dasjenige herausfinden, das der Astrologe jeweils für die Versuchspersonen erstellt hatte. Die Freunde oder Angehörigen der Versuchsperson konnten das "echte" Horoskop nicht identifizieren. Außerdem ließ Tyson den Astrologen noch für jede Versuchsperson fünf Persönlichkeitsdimensionen anhand des Geburtshoroskops einschätzen. Die Charaktereinschätzung des Astrologen verfehlte die vor Horoskoperstellung erfolgte schriftliche Selbsteinschätzung der Versuchspersonen meilenweit und auch Freunde und Verwandte konnten mit der Charaktereinschätzung (fünf Persönlichkeitsdimensionen) des Astrologen die so beschriebene Versuchsperson nicht wiedererkennen. Dagegen stimmten Selbsteinschätzung und Einschätzung durch Verwandte und Freunde weitgehend überein.

Ein anderer Effekt wurde von Fichten und Sunerton untersucht. Sie kamen darauf, nachdem eines ihrer Forschungsergebnisse im ersten Augenschein für die Astrologie sprach: Mit erstaunlicher Sicherheit identifizierten ihre Testpersonen "blind" unter 12 vorgegebenen (echten) Horoskopen dasjenige für ihr eigenes Sternzeichen als das "zutreffendste" - obwohl jeder Hinweis fehlte, welchem Tierkreis die Horoskope jeweils galten. Daraufhin wollten Fichten und Sunerton von den Testpersonen wissen, ob sie früher schon einmal eine astrologische Beschreibung ihrer Tierkreiszeichen gelesen hätten. Diejenigen die "ihr" Tierkreiszeichen richtig herausgesucht hatten, waren fast alle mit den Charakteristiken ihres Tierkreiszeichen wohlvertraut, wußten also schon vorher, was einen "Fisch" oder "Widder" ausmacht.

Die Beschäftigung mit Astrologie, das Lesen eigener Horoskope und der Glaube daran lösen nach Fichten und Sunerton drei innere Mechanismen aus:

1. Astrologie steuert und fördert - ähnlich wie Tarot, Bleigießen und andere Zukunftsschau - eine selektive Aufmerksamkeit: Wer sich vom Astrologen und Horoskop "zu Recht" als "ehrlich" oder "liebevoll" oder "aktiv" eingeschätzt findet, erinnert sich in der Rückschau eher an Begebenheiten, die dieser Einschätzung entsprechen und verdrängt oder unterbewertet Erlebnisse, die zu diesem Selbstbild nicht passen. Die Astrologie kann also jederzeit - bei denen, die an sie glauben - mit der Selektierung und Verdrängung von zum Horoskop entgegengesetzten Charaktereigenschaften und Erinnerungen des Horoskopkonsumenten rechnen und darauf bauen. So wurde auch festgestellt, daß Horoskope in 99 % aller Fälle überwiegend positiv für den Kunden ausfallen, was die selektierende Identifizierung für den Kunden natürlich sehr leicht macht, ebenso wie die schwammigen Allgemeinplätze der Horoskope.

2. Manipulation des Selbstbildes: Es handelt sich hierbei um den Balsam-Effekt: Wenn mir jemand etwas nettes über mich erzählt, z.B. ich sei gesellig, aktiv, intelligent und einfühlsam, mache ich mir diese Fremdeinschätzung zu meiner eigenen, auch wenn ich objektiv vielleicht eher ein "Miesegram" bin. In astrologischen Beratungsstunden wird dieser Balsam großzügig ausgeschüttet.

3. Autosuggestion und Selbsterfüllung von astrologischen Prophezeiungen: Bei Horoskopgläubigen findet sich oft die Tendenz, sich den Charakterbeschreibungen ihres speziellen Tierkreiszeichens anzugleichen. Andere "nichtpassende" Charaktereigenschaften - oft negativer Art - werden im besten Fall "ausgemerzt" oder im oft schlechten Fall nicht mehr wahrgenommen. Immerhin bekennen auch 3 % der Bundesbürger, daß sie sich in ihrem täglichen Verhalten auf ihr Horoskop einstellen. Der Mechanismus "sich selbst erfüllender Prophezeiungen" läuft überspitzt dargestellt etwa folgendermaßen ab: Ein Astrologe (oder das selbst - vielleicht über ein Computerprogramm - erstellte Horoskop) deutet zu einem "wahrscheinlichen" Zeitpunkt ein "wahrscheinlich" schwerwiegendes nicht näher bestimmbares Ereignis an: vielleicht Krankheit, vielleicht Trennung oder Unfall. Um so näher der wahrscheinliche Zeitpunkt der Voraussage rückt, um so ängstlicher wird der Mensch, dadurch stellt sich Appetitmangel ein, das Immunsystem wird extrem geschwächt aufgrund von Ängsten und Depressionen (Dauerstress); letztendlich wird der Mensch tatsächlich krank - oder aufgeregt und unaufmerksam und hat einen Unfall - und der "astrologische Voodoozauber" hat gewirkt. Allerdings würde es dem Menschen ohne Horoskopstellung vermutlich bedeutend besser gehen, dann hätte er nie von seiner möglichen Zukunft erfahren. Im "Positiven" läßt sich ein solcher Mechanismus der Selbsterfüllung auch beschreiben: Da erhält ein beziehungs-unsicherer Mann die "Bestätigung" durch sein Sternzeichen, daß gerade "die Fischefrau" besonders gut zu ihm (seinem Sternzeichen) passt, er mit ihr glücklich werden könnte. Der Mann begegnet seiner "Fischefrau", verliebt sich und glaubt an eine gemeinsame glückliche Zukunft (was tatsächlich an Konfliktpotenzial bei Partnereinschätzung nach Tierkreiszeichen entsteht, soll hier nicht weiter erörtert werden).

Im Grunde produziert die Astrologie laufend Placebo-Effekte, das heißt: ähnlich wie bei Medikamenten, die keinen Wirkstoff in sich tragen, also selbst ohne Heilsubstanzen sind, aber trotzdem durch psychologische Aufmunterung des Patienten - seine Hoffnung auf die Wirkung - die Selbstheilungskräfte aktivieren und zu seiner Genesung führen, verteilt die Astrologie laufend Zuckerpillen einschmeichelnder Art. Dem an Astrologie Glaubenden wird ein positives Bild seiner selbst abgeliefert, dem er sich nur allzu bereitwillig anpaßt und so selbst die Voraussetzungen dafür schafft, daß sich die ihm gemachten "Prophezeiungen" erfüllen, bzw. Charaktereigenschaften scheinbar manifestieren.

Und das ist auch das einzig vermeintlich "Gute" an der Astrologie. Der Preis dafür ist zu hoch. Denn die Folgen der Astrologiegläubigkeit sind Unselbständigkeit, willkürliche Handlungen. Astrologie verhindert letztendlich Reflexion und Einsicht in eigene Gefühle und Motivationen und kann in ein komplexes Wahn- und Willkürgebäude führen, aus dem eine Befreiung nicht so ohne weiteres möglich ist.


Astrologie und der achtfältige Pfad

Achtsamkeit statt Deutung

Gewahrsein, Achtsamkeit - die Betrachtung von Körper und Geistregungen, um unheilsame und heilsame Motivationen in uns zu erkennen, ist Teil buddhistischer Praxis. Die Lehre des Buddha ist auf Eigenverantwortlichkeit ausgelegt. Wir sind die Eigner unseres Karma (unserer Handlungen). Was auch immer wir denken, reden und tun - es wirkt sich auf uns aus.

Daher macht es keinen Sinn, sich die eigenen Motivationen und geistigen Zustände von einem System (Astrologie) deuten zu lassen. Gewahrsein ist direkte Schau unseres Innenlebens und unserer zwischenmenschlichen Beziehungen. Gewahrsein führt zu Erkenntnissicherheit. Interpretation durch angenommene kausale oder synchrone Zusammenhänge mit Planetenkonstellationen, Charakter- und Zukunftsdeutung durch Tierkreiszeichen bedeutet, Zufälligem und Willkürlichem einen tieferen Sinn zu geben, als sie haben: Es ist eben nur Zufall und Willkür.


Eigenverantwortlichkeit statt Fremdbestimmung

Ein Leben in Systemen der Zukunfts- und Charakterdeutung bedeutet auch die Teilabgabe unserer Lebensführung an Astrologen und/oder Computerprogramme (zur Horoskoperstellung). Astrologieglaube führt zu einer Einschränkung der Wahrnehmungsfähigkeit im Innern und Äußeren, da der Mensch - wie Forschungen zeigen - sich den Charakter- und Zukunftsaussagen der Astrologie selektiv anpasst, ihm unangenehme Charaktereigenschaften ausblendet und so in einer rosaroten Scheinwelt lebt. Entscheidungen werden ihm abgenommen oder erleichtert. Je nach Grad der Hingabe an Deutungssysteme wird der Mensch mehr oder weniger fremdbestimmt.


Nichtanhaften statt Zukunfts-Deutungs-Sucht

Astrologie macht süchtig. Der Astrologiegläubige kann immer weniger eigenständige Entscheidungen und Einschätzungen von sich selbst, anderen Menschen und Situationen treffen. Es ist ein fortschreitender Prozess der Abhängigkeit, in dem das eigene Leben (das eigene Glück, glückliche Partnerschaft, Problembewältigung, gesellschaftlicher, wirtschaftlicher, sogar politischer Erfolg) oft im Mittelpunkt steht.

Loslassen, Gleichmut und Gelassenheit verkehren sich im Astrologiegläubigen zu Fatalismus und sich "Fügen müssen" oder bei glückverheißender Deutung die "Gewogenheit der Sterne" auszunutzen, im Sinne der Deutung das Glück zu mehren.

Der Astrologiegläubige wird von glückhaften oder unglückverheißenden Planetenkonstellationsdeutungen vor sich her getrieben, muß sein Leben danach ausrichten. In der Überantwortung an das "System" der Deutungen spürt er aber auch so etwas wie Erleichterung und verwechselt diese mit Gleichmut und Gelassenheit.


Kausalität statt Synchronizität (Theorie von C.G. Jung)

Die buddhistische Lehre ist durchdrungen von (Multi-)Kausalität. Ursachen setzen Wirkungen, die wieder zu Ursachen für weitere Wirkungen werden. Es ist das Entstehen (und Vergehen) in Abhängigkeit. Nachdem die Astrologie in der Neuzeit eine kausale Erklärung ihrer Annahmen nicht mehr leisten konnte, ohne in Konflikt und Erklärungsnot zur Astronomie zu kommen, musste eine andere Erklärung gefunden werden, um das Astrologie-System zu retten.

Die bisherigen, scheinbar wissenschaftlichen Erklärungen - Gravitationskräfte, Strahlung (elektromagnetische Wellen) - konnten nicht mehr aufrecht erhalten werden, da sich nicht nur Astronomen fragten, warum nur bestimmte Sterne und diese nur auf Grund ihrer guten Sichtbarkeit und Symbolträchtigkeit in den zwölf Tierkreiszeichen zusammengefasst wurden, obwohl andere Sterne (ferne Sonnen) räumlich der Erde sehr viele Lichtjahre näherstanden. Und welches Strahlungsspektrum wäre denn nun charakter- und zukunftsdeutungsrelevant, da das für Menschen sichtbare Licht nur einen kleinen Bereich der von Sternen (Sonnen) tatsächlich ausgesendeten elektromagnetischen Wellen ausmacht. Die Gravitationskräfte der Planeten unseres Sonnensystems sind mit Ausnahme des Erdmondes geringer als die von irgendwelchen Gegenständen, welche nur etwas größer als eine Briefmarke wären (z.B. bei den bei Astrologen so wichtigen Zeitpunkt der Geburt.)

Das homöopathisch-medizinische Prinzip (Gleiches mit geringsten Dosierungen/Informationen von Gleichem zu heilen) war für die Astrologie ebenfalls kausal/logisch nicht mehr haltbar. Denn warum sollten gerade die "homöopathisch" geringen physikalischen Kräfte von Planeten und fernen Sonnen mehr Einfluß haben als die "homöopathisch" geringen Einflüsse von z.B. eingeschaltetem Fernseher, Staubsauger oder Mobilfunkantenne in der Nachbarschaft eines Geburtsvorganges. Ganz zu Schweigen von der logischen Umsetzung eines homöopathisch/biologischen Prinzips auf Planetenkräfte oder den Stand, den unsere Sonne bei der Geburt hat. (Es sei hier dahingestellt, ob die Homöopathie sich andere Wirkungen als den Placebo-Effekt nutzbar macht - die Meinungen und Untersuchungen - auch Tierversuche mit homöopathischen Mitteln - sind nicht für alle Wissenschaftler stichhaltig.)

Der Psychiater Carl Gustav Jung benannte erstmals in einer Veröffentlichung das "synchronistische Prinzip" im Zusammenhang mit derartige Nicht-Kausalität des I Ging (Buch der Wandlungen). Die späteren Ausführungen von C.G. Jung zur "Synchronizität" von Ereignissen wurden auch von Astrologen dahingehend als Erklärungsmodell übernommen, warum Astrologie Zusammenhänge kennt, die kausal (wirkend) nicht begründbar sind.

"Als Synchronizität (von griechisch synchron, gleichzeitig) bezeichnete Carl Gustav Jung relativ zeitnah aufeinander folgende Ereignisse, die nicht über eine Kausalbeziehung verknüpft sind, vom Beobachter jedoch als sinnhaft verbunden erlebt werden. (...)

Es handelt sich bei der Synchronizität um ein inneres Ereignis (eine lebhafte, aufrührende Idee, einen Traum, eine Vision oder Emotion) und ein äußeres, physisches Ereignis, welches eine (körperlich) manifestierte Spiegelung des inneren (seelischen) Zustandes bzw. dessen Entsprechung darstellt. Um das Doppelereignis tatsächlich als Synchronizität definieren zu können, ist es unerlässlich, dass das innere chronologisch vor oder aber genau gleichzeitig ("synchron") mit dem äußeren Ereignis geschehen ist. Andernfalls könnte angenommen werden, dass das innere Phänomen auf das äußerlich wahrgenommene vorherige Ereignis reagiert (womit wieder eine quasi kausale Erklärung möglich wäre)."
(aus Wikipedia - Stichwort "C.G. Jung, Synchronizität")

Als ein Beispiel führte Jung folgende Begebenheit aus seiner Praxis an:

"Eine junge Patientin hatte in einem entscheidenden Moment ihrer Behandlung einen Traum, in welchem sie einen goldenen Skarabäus zum Geschenk erhielt. Ich saß, während sie mir den Traum erzählte, mit dem Rücken gegen das geschlossene Fenster. Plötzlich hörte ich hinter mir ein Geräusch, wie wenn etwas leise an das Fenster klopfte. Ich drehte mich um und sah, dass ein fliegendes Insekt von außen gegen das Fenster stieß. Ich öffnete das Fenster und fing das Tier im Fluge. Es war die nächste Analogie zu einem goldenen Skarabäus, welche unsere Breiten aufzubringen vermochten, nämlich ein Scarabaeide (Blatthornkäfer), Cetonia aurata, der gemeine Rosenkäfer, der sich offenbar veranlasst gefühlt hatte, entgegen seinen sonstigen Gewohnheiten in ein dunkles Zimmer gerade in diesem Moment einzudringen."
(C. G. Jung: Gesammelte Werke, Bd. 8, S. 497)

Er führte die weiteren Therapieerfolge mit seiner Patientin auf dieses synchrone Erlebnis mit dem Käfer zurück, da hierbei eine Blockade gelöst wurde.

C.G. Jung sieht im Prinzip der Synchronizität keine bloße Koinzidenz, welche ein zeitliches und seltener auch zusätzlich räumliches Zusammentreffen von Ereignissen ohne ursächlichen Zusammenhang ist. Den Zusammenhang bei der "Synchronizität" stellt die Psyche des Menschen her. Synchrone Ereignisse sind nach Jung symbolträchtig durch die physikalische/weltliche Komponente, welche als "Antwort" und "Resonanz" auf ein starkes emotionales Ereignis entsteht.

Übertragen auf die Astrologie würde es bedeuten, dass in einem nicht-kausalen Zusammenhang die Planeten und Sternzeichen in ihrer Symbolik nur "Resonanz" und "Antwort", also "Spiegelung" eines psychischen, emotionalen Vorgangs sind.

Die Parapsychologen Gauger und Bender führten in den 70er Jahren den Begriff des "sinnvollen Zufalls" ein. Darunter versteht man das nicht-kausale gemeinsame zeitliche Auftreten zweier seltener Ereignisse, die dadurch eine besondere Bedeutung bekommen. Die Parapsychologie beschäftigt sich auch mit außersinnlicher Wahrnehmung (ASW), wozu auch Präkognition (Zukunftsblick), Wahrträume (Prophezeiungen in Träumen) gehören.

Ein Beispiel von Bender:

"Herr Meyer tritt aus dem Haus, es fällt ihm ein Ziegelstein auf den Kopf.

Was geschah? Welche Beziehung besteht zwischen den Ereignissen?

Naturwissenschaftliche Interpretation: Zwei voneinander unabhängige Kausalreihen stoßen quasi zufällig aufeinander.

Parapsychologische Interpretation: Es gibt eine schicksalhaft lenkende Macht, die den Zusammenstoß arrangierte." (aus: "Methodische Fehler und Fallen in der Parapsychologie", von Ulrich Hoffrage, 1999/2000, Seminar der FU Berlin)

"In der einschlägigen Literatur werden immer wieder klassische Beispiele für Synchronizität zitiert, die bereits von Jung aufgebracht wurden. Einige dieser Beispiele sollen, wegen ihrer Bedeutung als Prototypen, auch hier nicht fehlen.

1. Beispiel: Kurz vor dem ersten Weltkrieg macht eine Frau eine Aufnahme von ihrem Kind. Sie gibt den Film zum entwickeln ab und vergißt ihn abzuholen. Jahrzehnte später kauft sie in einer anderen Stadt einen neuen Film. Bei der Entwicklung dieses Filmes stellt sich heraus, dass der Film doppelt belichtet ist. Die erste Belichtung zeigt das Kind von damals. Offenbar handelte es sich um denselben Film, welcher versehentlich wieder in den Handel gekommen war.

2. Beispiel: Im ersten Weltkrieg kommen zwei verwundete deutsche Soldaten in das gleiche Lazarett. Sie kennen sich vorher nicht. Sie sind beide 19, kommen beide aus Schlesien, dienen beide als Freiwillige in einer Transportkompanie, haben beide dieselbe Verwundung (an der Lunge) und heißen beide Franz Richter."

"(...) Kennt man die Basisraten solcher Zufälle, so verlieren sie jede Mystik. Die meisten dieser Zufälle sind alles andere als unwahrscheinlich, die (mathematische) Wahrscheinlichkeit wird von den meisten Menschen lediglich unterschätzt. So ist zunächst zu differenzieren, ob ein bestimmtes ungewöhnliches Ereignis einer bestimmten, vorher ausgewählten Person widerfährt, oder ob dieses ungewöhnliche Ereignis einfach irgend einer Person widerfährt. Ersteres ist sicher sehr unwahrscheinlich, letzteres jedoch nicht. So ist es z.B. äußerst unwahrscheinlich, selbst je irgendwann im Lotto zu gewinnen, aber daß irgend jemand im Lotto gewinnt, geschieht ständig. Der Trugschluß besteht nach Krämer (1996) darin, daß die Menschen aus der Tatsache, daß etwas für sie selbst extrem unwahrscheinlich ist, schließen, daß es für alle anderen auch unwahrscheinlich sein muß. (...)

Damit kann man auch das klassische Beispiel der zwei Soldaten angreifen, welches (...) angeführt wurde: Natürlich ist es unwahrscheinlich, daß sich zwei bestimmte Leute auf diese Weise treffen. Aber daß in irgendeinem Lazarett des jahrelangen 1. Weltkrieges irgendwelche Verwundete (bei Millionen Beteiligten) mit irgendeinem gleichen Nachnamen und irgendeinem gleichen Geburtsjahr zusammenkommen, ist fast zu erwarten. - Natürlich werden vor allem die spektakulären Fälle publik, so daß man den Eindruck gewinnt, so etwas ereigne sich ständig."
(aus: "Methodische Fehler und Fallen in der Parapsychologie", von Ulrich Hoffrage, 1999/2000, Seminar der FU Berlin)

Bei Jung sind synchrone Ereignisse immer mit dem Auftreten von Urbildern, Urmustern (Archetypus) in der Psyche des Menschen - unabhängig von seiner Kultur - verbunden. Es ist das "kollektive Unbewusste", ein gemeinsamer seelischer Urgrund, welcher in tief-emotionalen Situationen als Symbol ins Bewusstsein tritt, um die Psyche wieder ins Lot zu bringen, sie gesunden zu lassen.

Nach Jung drückt sich ein Achetypus aus als

"mehrdeutiges Symbol wie z.B. Kind, der Krieger, der Wanderer, der Beschützer, der Heilsbringer, Jugend, Alter, Armut, Angst, Früchte, Hausbau, Feuer und Brand, ein Fluss, ein See, ein Baum, ein Kreis (Mandala). Hierbei gibt es Grundassoziationen, die sich in vielen Kulturen stark ähneln und das kollektive Element des archetypischen Symbols ausmachen."
(Wikipedia)

Viele Archetypen beruhen auf menschlichen Grunderfahrungen wie Geburt, Kindheit, Pubertät, Sexualität, Mutter und Vater werden, Jagd, Kampf, Fruchtbarkeit in der Natur, Altwerden, Sterben und Tod.

Zum Ende seines Lebens erklärte Jung in einem Brief (1960), dass es sich bei der Astrologie um eine Projektion psychologischen Urwissens als archetypische Symbole in die Sterne handele.

In einer späten Schrift "Naturerklärung und Psyche", einer gemeinsamen Veröffentlichung mit dem Physiker Wolfgang Pauli, drückt Jung seine Hoffnung und Erwartung auf gemeinsame Forschungen in Psychologie und Physik aus:

"Früher oder später werden sich Atomphysik und Psychologie des Unbewussten in bedeutender Weise annähern, da beide, unabhängig voneinander und von entgegengesetzter Seite, in ein transzendentales Gebiet vorstoßen, jene mit der Vorstellung des Atoms, diese mit dem Archetypus. (...) Mann müsste daher, wenn die Forschung nur weit genug vorstoßen kann, zu einer letzthinnigen Übereinstimmung physischer und psychologischer Begriffe gelangen." (aus "Sychronizität als ein Prinzip akausaler Zusammenhänge", C.G. Jung, 1952)

"Die Ahnung, die Quantentheorie könnte einen solchen Zugang zum psychischen Hintergrund der Welt eröffnen, ist seit der Vollendung der Theorie ... öfters aufgetaucht. Bedeutende Physiker wie Pauli und Jordan haben solche Gedanken geäußert ..." (C. F. v. Weizsäcker, 1985)

"Nehmt ihr im Menschen einen Geist an, so müsst ihr auch jedem Stein einen Geist zugestehen. - Kann eure tote Materie als Schwere streben, als Elektrizität anziehen und Funken schlagen, so kann sie auch als Gehirnbrei denken. - Aller Geist ist Materie; aber auch jede Materie ist Geist."
(Arthur Schopenhauer, handschriftlicher Nachlass)

Das Problem einer sinnvollen Theorie von "Materie und Geist (Bewusstsein) - wie kann aus etwas Nicht-Geistigem (der Materie) Bewusstsein (eine geistige Innenwelt) entstehen" ist meiner Meinung nach ungelöst.

Bewusstsein, psychisches Erleben, mit Quantenvorgängen zu beschreiben oder die "Freiheit des Willens" mit einer angenommenen Nicht-Kausalität von Quantenvorgängen in Verbindung zu bringen, hört sich zwar erst mal interessant an, ist aber auch nicht besonders hilfreich. Kann auch (muss aber nicht) eine schlicht unsinnige Hypothese sein.

In die gleiche Kategorie von Hypothese fällt die unter wissenschaftsinteressierten Buddhisten manchmal gemachte Behauptung, die Leerheit und Substanzlosigkeit (Shunyata) der geistigen "Erfahrung" eines Anatta (nichtvorhanden Selbst) wäre auch wesenhaft für die atomare und subatomare Welt. Zum einen fehlt hier der begründete kausale Zusammenhang von geistiger Innenwelt und materiell-energetischer Außenwelt, zum andern ist die subatomare Welt nicht wirklich "leer", da vielfältige Kräfte (Energien) zwischen den einzelnen Teilchen wirken (wie z.B. zwischen Atomkern und Elektronenhülle). Dass subatomare Teilchen sowohl Wellen- als auch Teilchencharakter haben können, bedeutet auch nicht, dass unsere Welt nun keine "Festigkeit" mehr hätte und in ständigem "vibrierenden Fluss" wäre. Man beiße einmal in die nächste Tischkante, um sich vom Gegenteil zu überzeugen - will sagen: was für mikrokosmische Zusammenhänge gilt, trifft für makrokosmische Zusammenhänge (unsere Alltagswelt) nicht zu. Eine Übertragung mikrokosmischer (quantenmechanischer) Gesetze in die Alltagswelt macht für uns keinen praktikablen Sinn - ist bestenfalls pseudowissenschaftliche Schwärmerei.

Dass subatomare Quantenerscheinungen nicht durchgängig schlüssig kausal begründet werden können, bedeutet auch nicht, dass Ursache und Wirkung nicht vorhanden wären. Sie sind nur nicht mehr in unsere Alltagswelt (dem Makrokosmos) übertragbar, gestalten sich komplexer. Quantenphysikalische "Wahrscheinlichkeiten", "Unschärferelation" oder "sowohl Welle als auch subatomares Teilchen gleichzeitig sein" "Verschränkungen von subatomaren Teilchen" lassen sich eben nicht im Makrokosmischen wahrnehmen und schon gar nicht in makrokosmische Alltags-Kausalitäten bringen.

Zurück zur Astrologie: Bislang haben Physiker noch keine Beweise für "sinnvolle Koinzidenzen = Synchronizität" als Begründung für die Astrologie" festgestellt.

Synchronizität anstelle von Kausalität anzunehmen, bedeutet letztendlich bei zwei oder mehreren Kausalketten (das Entstehen und Vergehen in Abhängigkeit von seinen Ursachen), die untereinander keine sachlich (kräftewirkende) begründbare Abhängigkeit haben, nur durch eine sinngebende psychische Bewertung eine Verbindung dahingehend herzustellen, dass die eine Kausalitätskette eben nicht zufällig gleichzeitig mit der anderen aufgetreten ist.

Nun kann man sagen:Wir sehen nicht alle Ursachen und Wirkungen. Auf einer nicht-materiellen, transzendenten Ebene könnten all diese "Zufälligkeiten", "Synchronizitäten" miteinander verbunden sein.

Oder sogar - wie es die "Nur-Geist"-Lehre (Cittamatra) im Mahayana-Buddhismus formuliert - bestehen Dinge nicht im Sinn einer äußeren Wirklichkeit, sondern nur als geistige Phänomene. Somit wäre die "psychologische Sinngebung" von synchronen nicht-kausalen Ereignissen legitimiert. Das Bewusstsein schafft also eine "wirkliche" Welt. Alles ist nur Bewusstsein, nur Geist (citta). Das "Entstehen" der Welt in uns als "Vorstellung" wird nach außen in eine "scheinbare" Außenwelt projiziert. Die Hirnforschung gibt dieser Auffassung nur zum Teil recht: Denn ohne eine wirkende, auf die Sinnestorwege (Auge, Ohr, Nase, Zunge, Haut) einwirkende, sie reizende, Außenwelt gäbe es die "Innenwelt des Bewußtseins" nicht. Außen- und Innenwelt bedingen einander. Sicher ist aber auch, dass wir nur einen Teil der Welt wahrnehmen, da unsere Sinnesorgane - evolutionär bedingt und angepasst - nicht das ganze Spektrum erfassen (wie z.B. Radiowellen, ultraviolette Strahlung usw.)

Das Dilemma der Astrologie ist, dass sie sich über Kausalzusammenhänge nicht begründen lässt und neuere Begründungsversuche über "sinnvolle Koinzidenzen = sinnvolle Zufälle" (Synchronizität) nur dann haltbar wären, wenn die Welt (das Universum) nicht-kausal wäre. Ähnlich wie in C.G Jungs "Synchronizität" schafft hier aber nur das Bewusstsein einen Deutungs-Zusammenhang zwischen innerem Erleben und es angeblich spiegelnden äußerem Ereignis oder Symbol (Stand der Himmelskörper). Ein "Deuten" aber ohne erkennbarem Wirkzusammenhang kommt meiner Meinung nach schon sehr einem "Wähnen" nahe, einem "wahnhaften" Sinnen.


Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:

Quantensicht auf ein Wasserstoffatom

Im Bohrschen Atommodell kreisen die Elektronen wie Planeten um den Atomkern. In der Quantenphysik ändert sich das Bild dramatisch: Elektronen sind nicht länger Teilchen mit definiertem Ort und definierter Geschwindigkeit, sondern treten als "Wellenfunktion", als komplexe Wahrscheinlichkeitsverteilung in Erscheinung. Die Computergrafik zeigt die Wellenfunktion eines Elektrons im Wasserstoffatom. Elektronen können im Atom unterschiedliche Energiezustände (Quantenzustände) einnehmen. Je höher ihre Energie, desto komplizierter die dazugehörige Wellenfunktion.
Aus: Welt der Quanten (Quelle: www.weltderphysik.de - Deutsche Physikalische Gesellschaft)


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Quelle:
Der Mittlere Weg - majjhima-patipada
44. Jahrgang, Januar - April 2012/2555, Nr. 1, Seite 14-27
Herausgeber: Buddhistischer Bund Hannover e.V.
Drostestr. 8, 30161 Hannover,
Tel. und Fax: 05 11/3 94 17 56
E-mail: info@buddha-hannover.de
Internet: www.buddha-hannover.de

"Der Mittlere Weg - majjhima-patipada" erscheint
nach Bedarf und ist für Mitglieder kostenlos.


veröffentlicht im Schattenblick zum 2. Februar 2012