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PRESSE/975: Man liebt zuletzt seine Begierde, und nicht das Begehrte (DMW)


Der Mittlere Weg - Nr. 3, September - Dezember 2013
Zeitschrift des Buddhistischen Bundes Hannover e.V.

Eine Kritik, Aufklärung - oder gar Provokation? - unserer extravertierten "modernen" Verbraucherkultur:
Man liebt zuletzt seine Begierde, und nicht das Begehrte
(Friedrich Nietzsche - Aphorismus 175 aus "Jenseits von Gut und Böse")

von Rother Baumert



Ganz im Sinne der Buddha-Lehre wird hier ein scheinbar selbständiges Objekt infragegestellt. Worauf projizieren wir alles "Begehrte"?

Denn gerade das Begehrliche daran liegt nur "in uns selbst", nämlich unserer Begierde. Nur scheinbar weilt und "winkt" das Begehrte (noch) getrennt von uns im Außen; man sieht und erlebt "sich selbst" als getrennt und sucht (strebt, sehnt sich, dürstet nach) Rückbindung auf gewohntem Wege des Verlangens: Haben- und Besitzen-Wollen! Dieses Bedürfnis projiziert man extravertiert nach außen, um "etwas" als ein "Sein" zu fxieren(*) und zu benennen, es auch verbal abzusondern, herauszuheben aus dem Strom allen bedingten Werdens und Vergehens - paticcasamuppada . Nichts kann jedoch getrennt existieren. Insofern verführt (täuscht) schon die Sprache bzw. Grammatik uns - meist unbewusst vom Schema "Subjekt-Prädikat-Objekt" abhängig - über die originäre Qualität von Realität hinweg, nämlich als leeren Prozess, der nichts Bleibendes enthält.

Hat man dies irgendwann - nachspürend, einfühlsam ... - verstanden und sich auch eingestanden, kann letztlich auch ein Prozess des Loslassens beginnen - jagt man doch immer nur einer Chimäre, Einbildung oder Vorstellung von "sich selbst" hinterher - gleichbedeutend hier auf das nach außen projizierte Bedürfnis bezogen: man läuft auch vor "sich selbst" davon, indem man das Begehrte im Außen sucht und zu finden glaubt (Extraversion), dabei jedoch übersieht oder ignoriert, dass uns nur die Begierde als Ursache treibt. - Vermag (dualistisch geprägte) Sprache solche Vorgänge jemals weiter differenzieren als deren konkret erlebte Erfahrungen einleuchten - z.B. über Meditation, Kontemplation ...? - und solche Erfahrungen lassen sich weder speichern noch anderen weitergeben, man kann sie "nur" kontinuierlich vertiefen: der Weg ist das Ziel ... selbstverantwortlich!

Ergänzend hierzu Nietzsche's "Ich-Illusion durch Grammatik" (Aphorismus Nr. 17 aus "Jenseits von Gut und Böse - zuletzt abgedruckt in DMW Nr. 2/2007, S. 28) und Hermann Hesse: "Die Dinge, die wir sehen ..." (s. Seite 16 [der Originalpublikation]).


Anmerkung:

(*) Man gewöhnt sich an die Vorstellung, als sei ein sicheres (gesichertes) Objekt vorhanden, das scheinbar unabhängig ins Blickfeld gerückt - anvisiert - wird. Gerade die kommerzielle Werbung (Verführung!) weiß sich dieses Bedürfnisprozesses geschickt zu bedienen, zunutze zu machen; d.h. man muss "es", das Objekt des Begehrens, nur erwerben, besitzen ..., um "sich" abzusichern, sein Sicherheitsbedürfnis zu befriedigen, eher noch zu kompensieren. So geraten wir immer tiefer in die Falle der Abhängigkeit - letztendlich von unseren eigenen Begierden.

*

Quelle:
Der Mittlere Weg - majjhima-patipada
45. Jahrgang, September - Dezember 2013/2556, Nr. 3, Seite 17
Herausgeber: Buddhistischer Bund Hannover e.V.
Drostestr. 8, 30161 Hannover,
Tel. und Fax: 05 11/3 94 17 56
E-mail: info@buddha-hannover.de
Internet: www.buddha-hannover.de
 
"Der Mittlere Weg - majjhima-patipada" erscheint
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veröffentlicht im Schattenblick zum 16. Oktober 2013