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PRESSE/976: Buchbesprechung - "Der Heilsweg des Erwachten" von Hellmuth Hecker (DMW)


Der Mittlere Weg - Nr. 3, September - Dezember 2013
Zeitschrift des Buddhistischen Bundes Hannover e.V.

Hellmuth Hecker:
Der Heilsweg des Erwachten.
Ein Leitfaden für angewandten Buddhismus

Buchrezension von Willfred Hartig (AFBGF)



Der große Denker-Dichter Friedrich Nietzsche tat einmal den Ausspruch, wer Großes im Sinne habe, der müsse lange schweigen, lange Wolke sein, bis er seine ausgereifte Botschaft den Menschen offenbaren könne. Dies trifft haargenau auf Hellmuth Heckers hier vorgelegtes großartiges Hauptwerk zu. Denn er schloß es bereits 1977, vor nunmehr 36 Jahren, ab, veröffentlichte es aber nur als Privatdruck für einen kleinen Freundeskreis, also praktisch unter Ausschluß der Öffentlichkeit. Doch jetzt - nach 3 ½ Jahrzehnten - kommt durch seine Neuherausgabe die Bedeutung dieses Werkes erst so richtig zum Vorschein. Daher gebührt dem Verlag Beyerlein & Steinschulte für seinen mutigen Schritt unser ganz herzlicher Dank.

Schon der Blick in das Inhaltsverzeichnis des Buches offenbart eine glasklare, schnurgerade Darstellung des Acht-Stufen-Pfades, allerdings mit einer überraschenden Gewichtung. Zählen wir nämlich die einzelnen Kapitel aus, so umfassen die Pfadstufen 0 - 7 mit immerhin 41 Kapiteln knapp 250 Seiten, jedoch die Pfadstufe 8 und ihre zusätzlichen Ausformungen 9 - 10 (Durchschauungs- und Erlösungserfolge) mit nur 29 Kapiteln schon über 250 Seiten. Bekundet sich nicht hier für uns in dieser auffälligen Zweigliederung des Werkes eine merkwürdige Kopflastigkeit? Doch was auf den ersten Blick so aussehen mag, macht in Wirklichkeit gerade seine denkerische Ausgewogenheit im Verhältnis ca. 1:1 aus. Wieso das? Weil Hecker klar unterscheidet zwischen dem enkosmischen, d.h. innerweltlichen (lokiya) und dem hyperkosmischen, d.h. überweltlichen (lokuttara) Element des Heilsweges. Und dieser zweite, mystosophisch geprägte Abschnitt erweist sich als eine ganz erstaunliche Konzentration meditativer Erkenntnisse und damit eindeutig als der großartigste Teil des Buches. Soviel zur inneren Architektur des Textes.

Aus Platzgründen können wir im Folgenden bloß auf einige markante Positionen in Heckers Darstellung eingehen:

1. Bemerkenswert erscheint mir ganz besonders Heckers fundamentale Bewertung der Pfadstufen 1 - 2, nämlich der buddhistischen Denkweisheit (Noosophie), von denen er selbst sagt (S. 18): ...dass am Anfang des Achtpfades weder "Action" noch Gedankenstille steht , sondern rechtes Denken und rechte Gesinnung... Je besser nun die ersten Glieder des Pfades erprobt sind, desto weniger schwer sind auch die weiteren. Da erübrigt sich jeder Kommentar.

2. Als ganz wesentlich erscheinen mir Heckers Ausführungen zu den Pfadstufen 3 - 7, nämlich der buddhistischen Tugendweisheit (Ethosophie). Denn sie enthalten m.E. echte Entwurfsansätze zu einer buddhistischen "Zivil-Religion" für ein künftiges friedfertiges Europa. (Der Ausdruck religion civile stammt vom französischen Denker J.-J. Rousseau.) Das sieht man nach über 30 Jahren schärfer. (H. ist seit 65 Jahren Buddhist.)

3. Ebenso eindrucksvoll sind Heckers geballte Darlegungen der Pfadstufen 8 - 10, nämlich der buddhistischen Versenkungsweisheit (Mystosophhie). Abgesehen von seiner faszinierenden Entfaltung der einzelnen Versenkungsstufen, die mit erstaunlicher Detailverliebtheit behandelt werden, entwickelt er bei der Beschreibung der verschiedenen Brahma- und Trans-Brahma-Welten (Kap. 61.8-12 und 67.1-5) so etwas wie eine buddhistische "Theo-Dialogik", d.h. Zwiesprache mit den Meditationsgottheiten, gemäß Friedrich Hölderleins Fragment ...seit ein Gespräch wir sind und hören können voneinander. Widerlegung der christlichen Zwecklüge, der Buddhismus sei eine theistische Religion (so Papst Johannes Paul II.). zugleich steht Hecker mit seiner Darstellung der Götterklassen, wohl ohne es zu wissen, in einer Reihe mit dem großen griechischen Neuplatoniker Proklos und seiner Theologika Platonika.

4. Ganz besonders lehrreich sind aber Heckers Ausführungen zum "Eintritt in den Strom der Hörerschaft" (Kap. 63-65). Sie gehen jeden buddhistischen Leser seines Buches an. Hier wird nochmals sichtbar, dass die Buddhalehre sich nicht zu einer Art besseren Lifestyle verhunzen läßt, sondern die Mühe des Denkens (Hegel) und die Stärke des Charakters erfordert. So weist uns Heckers Buchden Weg von der Analyse (Auflöse) zur Apolyse (wtl. Ablöse). Liebe Leser, lasst euch überraschen!

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Quelle:
Der Mittlere Weg - majjhima-patipada
45. Jahrgang, September - Dezember 2013/2556, Nr. 3, Seite 27-28
Herausgeber: Buddhistischer Bund Hannover e.V.
Drostestr. 8, 30161 Hannover,
Tel. und Fax: 05 11/3 94 17 56
E-mail: info@buddha-hannover.de
Internet: www.buddha-hannover.de
 
"Der Mittlere Weg - majjhima-patipada" erscheint
nach Bedarf und ist für Mitglieder kostenlos.


veröffentlicht im Schattenblick zum 17. Oktober 2013