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AFRIKA/041: Simbabwe noch nicht zurück in Weltgemeinschaft (Herder Korrespondenz)


Herder Korrespondenz
Monatshefte für Gesellschaft und Religion 11/2008

Kein Systemwechsel
Simbabwe ist noch nicht zurück in der Weltgemeinschaft

Von Wolfgang Schonecke


Die nach wie vor instabile Lage in Simbabwe, das Schreckensregime Robert Mugabes und die lange Ohnmacht der Kirche ist nur mit Blick auf die Geschichte des Landes zu verstehen. Die Ideologie des Befreiungskampfes bestimmt bis heute Mugabes Politik. Auch das neue politische System steht auf viel zu wackeligen Füßen, als dass der Westen jetzt genügend Geld für einen echten Neuanfang geben wird.


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In den siebziger Jahren war Idi Amin Dada das Urbild des afrikanischen Diktators, über dessen Dummheit man seine rassistischen Witze machen konnte. Im neuen Jahrtausend gilt Robert Mugabe als Inbegriff eines Tyrannen, der Krieg gegen sein eigenes Volk führt; lachen kann niemand über ihn, am wenigsten die Bürger von Simbabwe. Fast vier der zwölf Millionen Einwohner sind vor seiner Schreckensherrschaft ins Ausland geflohen. Wer nicht weg kann, führt einen täglichen Kampf ums Überleben. Womit Mugabe ins Guinness-Buch der Rekorde eingehen könnte, ist, dass er ein Land führt mit einer unvorstellbaren Inflation von 11,2 Millionen Prozent, was Weltspitze ist.

Als Simbabwe im Jahr 1980 nach einem langen und äußerst brutalen Freiheitskampf die Unabhängigkeit errang, war das damalige Rhodesien ein blühendes Land, die Kornkammer des südlichen Afrika. Heute ist die Landwirtschaft ruiniert, die Industrie steht still, die Regale der Geschäfte sind leer. Wie lautet das Rezept, mit dem man ein Land so schnell und so gründlich in den Abgrund regieren kann? Und warum konnten die Kirchen, denen fast die Hälfte der Simbabwianer angehören, das Unheil nicht aufhalten? Der Blick in die Geschichte kann Aufschluss geben.


Wellen von Einwanderern

Die Ureinwohner der Region stellte das Volk der San. Sie wurden durch die Migration der Bantu-Völker ins südliche Afrika in die Kalahariwüste abgedrängt. Die Völkergruppen, die sich vom fünften bis zum zehnten Jahrhundert im heutigen Simbabwe niederließen, werden mit dem Sammelnamen Shona bezeichnet. Die ersten Europäer, die ins Innere Afrikas vorstießen, waren die Portugiesen, die einen Verbindungsweg zwischen ihren Kolonien Angola an der Westküste Afrikas und Mosambik an der Ostküste suchten. Ihnen folgten 50 Jahre später Missionare, und König Negomo Chirisamhuru Mupunsagutu wurde getauft. Dieser erste Versuch der Christianisierung allerdings scheiterte.

Eine zweite Migrationswelle gab es Mitte des 19. Jahrhunderts, als die Matabele, die sich mit dem berühmt-berüchtigten Zulu König Shaka überworfen hatten, nach Norden flüchteten und sich als die neuen Herren im Land etablierten. Regelmäßig überfielen sie die ansässigen Shona-Völker und raubten ihnen Frauen und Vieh, was bis heute unvergessen ist.

Im Zuge der Kolonisierung Südafrikas gründete Cecil Rhodes 1889 die British South Africa Company, um das Gebiet nördlich des Limpopo zu erforschen. Auf dem Weg etablierten die Briten mehrere befestigte Militärstationen, die letzte war Fort Salisbury, das heutige Harare, wo Rhodes 1890 die britische Fahne hisste. Der Historiker David Kaulemu zeigt, wie sehr das Fort, das "Lager", die Mentalität der kolonialen Eroberer und ihrer Nachfolger prägte. Sie sahen sich als gefährdete, belagerte Gruppe, die die lokale Bevölkerung fürchtete und verachtete. Sowohl die Shona wie auch die Ndebele unter ihrem König Lobengula rebellierten gegen die Besetzung ihres Landes. Schließlich konnte Rhodes sie zu einer friedlichen Einigung überreden und gab dem Land seinen eigenen Namen Rhodesien. Rhodes förderte eine systematische Besiedlungspolitik und lockte weiße Farmer mit großzügigen Versprechungen ins Land. Im Jahr 1905 lebten in Rhodesien 12.500 europäische Siedler. Bei einem Referendum 1922 entschieden sich die dann schon 34.000 weißen Siedler für die Selbstverwaltung und gegen einen Anschluss an Südafrika. Mit dem "Land Apportionment Act" wurde die Landverteilung zwischen der einheimischen Bevölkerung und den Siedlern geregelt: Eine Million Schwarze erhielten 16 Millionen Hektar Land, die weißen Farmer 11 Millionen. Der Landkonflikt war so programmiert. Bis zum Jahr 1953 war die europäischstämmige Bevölkerung auf 157.000 angewachsen. Sie schuf eine moderne Landwirtschaft und entwickelte den Bergbau.


Die Kirchen standen mit unterschiedlicher Intensität auf der Seite des Freiheitskampfes

Mit dem Ende des Zweiten Weltkriegs, in dem Tausende von Afrikanern an der Seite der Kolonialmächte kämpften und starben, begann der Wind der Unabhängigkeit in Afrika immer stärker zu wehen. In Rhodesien bildeten sich verschiedene Widerstandsbewegungen. Als die Nachbarländer Malawi und Sambia 1963 die Unabhängigkeit erhielten, geriet Regierungschef Ian Smith unter immer größeren Druck, eine Machtübernahme durch die Afrikaner unter allen Umständen zu verhindern. 1965 erklärte Smith einseitig die Unabhängigkeit. Die afrikanische Bevölkerung reagierte mit einem Guerillakrieg, der von Robert Mugabe von Mosambik aus organisiert wurde und von Joshua Nkomo aus Sambia. Auf beiden Seiten wurden grausame Kriegsverbrechen begangen.

Obwohl auch kirchliche Institutionen und Mitarbeiter Opfer des Bürgerkriegs wurden, engagierten sich die Kirchen mit unterschiedlicher Intensität für den Freiheitskampf. 1979 sah sich die weiße Minderheit gezwungen, im Lancaster House in London mit den Widerstandsgruppen Verhandlungen aufzunehmen. Sie führten zur Unabhängigkeit unter Premierminister Mugabe am 18. April 1980. Der Krieg war beendet, aber die Ideologie des Befreiungskampfes bestimmt bis heute die Politik.

In einem jüngst erschienenen Artikel unter dem Titel: "Die Geschichte eines einsamen, verärgerten Jungen, der ein Monster wurde" erzählt Oskar Wermter, Jesuit und als Pfarrer in den Außenbezirken von Harare tätig, interessante Einzelheiten über den jungen Mugabe, der in der katholischen Mission Kutama 90 Kilometer von Harare aufwuchs. "Er war ein 'Loner' (Eigenbrötler), hatte immer ein Buch in der Hand, auch wenn er das Vieh hütete, und wurde wütend, wenn seine Kameraden ihn hänselten."

Als sein Vater in die Stadt zog und eine andere Frau heiratete, war das ein großer Schock für Robert. In jungen Jahren war er schon das Oberhaupt seiner Familie. "Begabt und ehrgeizig, aber in seinem Wesen verärgert, einsam und unsicher - das charakterisiert den jungen Robert. Anscheinend hat er sich nicht verändert", resümiert Wermter. Unter Ian Smith verbrachte Mugabe elf Jahre im Gefängnis, eine Zeit, die er nutzte, um Jura und Volkswirtschaft zu studieren. Als sein einziger Sohn Nshamo, was "Leiden" heißt, in Ghana starb, bekam er keine Erlaubnis, zu seiner Beerdigung zu fahren; das hat er nie verwunden.

Wie fast alle Befreiungsbewegungen nutzte Mugabe die marxistische Ideologie, um seine Kämpfer und sein Volk von der historischen Notwendigkeit der Gewalt zu überzeugen. Im Gegensatz zu anderen Befreiungskämpfern, die nach der errungenen Unabhängigkeit einen mehr pragmatischen Ansatz übernahmen, sieht sich Mugabe auch noch mit über 80 Jahren als Kämpfer gegen den Kolonialismus und Imperialismus. Nach 30 Jahren stehe Simbabwe wieder am Anfang, so Wermter. Wie schon 1978 während des Befreiungskrieges die Freiheitskämpfer gegen die weißen Kolonialherren kämpften, so bekämpfe die herrschende Partei heute wieder Kolonialismus und Imperialismus - nur diesmal in Form der Oppositionspartei. Gewalthandlungen, wie brutale Prügel, Vergewaltigung, Folter und Mord, seien keine Gräueltaten, keine Verletzungen von Menschenrechten, sondern Teil des fortgesetzten "antikolonialistischen, antiimperialistischen Kampfes".

Diesem historischen Kampf darf nichts im Wege stehen, weder Gesetz noch Verfassung. Die ursprüngliche "Lancaster House Constitution" von 1980 wurde bislang 18 Mal verändert, um die Macht der Partei und Mugabes geschichtliche Mission zu sichern.


Land hat in Afrika fast mystischen Stellenwert

Wer in seinem Leben tief verletzt wurde, hat oft die Neigung, anderen Leid zuzufügen. Im Bewusstsein seiner historischen Mission führte Mugabe den Befreiungskrieg gegen das Regime von Ian Smith (1972-1979) mit äußerster Brutalität. Dass er mit der gleichen Härte gegen seine eigene Bevölkerung vorzugehen bereit war, wurde zum ersten Mal sichtbar bei der brutalen Unterdrückung der Matabele in den Jahren 1983 bis 1987. Die von Nordkoreanern ausgebildete "Fünfte Brigade" richtete damals im Matabeleland ein Blutbad an. Am Ende der Aktion waren 20.000 Menschen tot. Die Kampagne fand unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt; auch westliche Medien berichteten seinerzeit nicht.

Es ist ein großes Verdienst der katholischen Kirche, dass die damalige "Kommission für Gerechtigkeit und Frieden" vor Ort Informationen sammelte und im Jahr 1999 das Ausmaß der Massaker im Bericht "Breaking the Silence" (Das Schweigen brechen) dokumentierte. Mugabe war wütend, das Verhältnis zwischen Kirche und Regime begann sich zu verschlechtern.

Ein Jahrzehnt lang war Mugabe unangefochtener Vater der Nation und gewann alle Wahlen haushoch. Der wirtschaftliche Niedergang aber ließ seine Popularität langsam sinken. 1998 kam es zu ersten Unruhen und Streiks. Der Einsatz der simbabwischen Armee im Kongo auf Seiten Laurent-Désiré Kabilas (wahrscheinlich um Mugabe private Investitionen dort sicherzustellen) kostete viel Geld. In der Gründung der Oppositionspartei MDC unter dem Gewerkschaftsführer Morgan Tsvangirai kam die wachsende Unzufriedenheit in der Bevölkerung zum Ausdruck. Angesichts des schwindenden Vertrauens in der Bevölkerung versuchte Mugabe, seine Machtstellung durch eine Verfassungsänderung zu verewigen und diese durch ein Referendum absegnen zu lassen. Der Versuch schlug fehl, die Mehrheit stimmte gegen Mugabes Verfassungsvorschlag.

Zum zweiten Mal griff Mugabe zur Gewalt, um seine Popularität und seine Macht zu erhalten. Dazu nutzte er die äußerst delikate Landfrage. Auch nach der Unabhängigkeit war die überfällige Neuordnung der kolonialen Landverteilung nie sehr weit gediehen. Nur wenige weiße Farmen wurden von der Regierung aufgekauft und ihr Land neu verteilt. Die britische Regierung hatte sich ursprünglich verpflichtet, dafür finanziell aufzukommen, später aber die Zahlungen, angeblich wegen der Korruption im Land, eingestellt. Mugabe suchte seine Popularität wiedergewinnen, indem er weiße Farmen von seinen "Kriegsveteranen", die eher Schlägertrupps der Regierungspartei waren, gewaltsam besetzen ließ und die Farmer vertrieb. Die Bilder der Misshandlung der Farmbesitzer liefen durch die Weltmedien. Das Bild eines zynischen Gewaltmenschen Mugabe prägte sich im kollektiven Gedächtnis Europas ein. Aber keineswegs in Simbabwe und im übrigen Afrika. Überall dort, wo die koloniale Besetzung zu Landenteignungen geführt hatte, wurde Mugabe als Held gefeiert. Endlich hatte ein afrikanischer Regierungschef es gewagt, den ehemaligen weißen Kolonialherren die Stirn zu bieten. Land hat in Afrika einen fast mystischen Stellenwert, und der Landraub durch die Europäer war - nach dem Sklavenhandel - das wohl am tiefsten empfundene Unrecht. Dass Mugabe auch heute noch auf dem Kontinent mit Ovationen gefeiert wird, hat damit zu tun, dass er es wagt, dem Druck des Westens zu widerstehen.

Nicht vorhergesehen hatte er wohl, dass seine Veteranen keine Bauern waren. Ein Teil der besetzten Farmen wurde an die Parteiprominenz verschenkt. Die meisten Farmen wurden nicht mehr bebaut. Ohne das landwirtschaftliche Rückgrat ging es mit der Wirtschaft rapide bergab. Eine rasant ansteigende Inflation machte das Geld wertlos. Ohne Devisen für Erdöl und Ersatzteile stagnierte die Industrieproduktion. Selbst der Nothelfer China zog sich wieder zurück. Der Hunger fing an zu beißen.

Die Präsidentschaftswahlen im Jahr 2002, in denen Mugabe trotz Wahlmanipulation nur noch 57 Prozent der Stimmen und sein Rivale Tsvangirai 42 Prozent erhielten, zeigten, dass die politische Vormachtstellung am Bröckeln war. Selbst die Parteijugend, "Green Bombers" genannt, die die Bevölkerung durch Terror gefügig machen sollte, konnte einen Machtverlust nicht verhindern.

Als dann bei den Parlamentswahlen im Jahr 2005 die städtische Bevölkerung gegen Mugabe stimmte, nahm er Rache mit der berüchtigten "Säuberungsaktion" Murambatsvina (wörtlich: den Müll beseitigen). Die Sicherheitskräfte zerstörten gnadenlos Häuser und Kioske in den Armenvierteln der Städte. 700.000 Menschen wurden obdachlos. Die Ankündigung, dass die Regierung ihnen neue Wohnungen bauen würde, war nichts anderes als zynische Propaganda. Das Leiden der Bevölkerung wurde immer größer und viele suchten Überlebensmöglichkeiten außerhalb des Landes. Von den 12 Millionen Simbabwianern soll ein Drittel im Ausland leben, viele in Südafrika.


Endlich unmissverständliche Worte machen die Kirche zur Zielscheibe des Sicherheitsapparats

Die katholische Kirche, die im Befreiungskrieg klares Profil gezeigt hatte, war lange zerrissen. Der Erzbischof von Harare, Patrick Chakaipa, stand Präsident Mugabe persönlich sehr nahe und verhinderte kritische Positionen der Bischofskonferenz. Im Gegensatz zu ihm trat der Erzbischof von Bulawayo, Pius Ncube, als ein mutiger und dezidierter Kritiker Mugabes auf - im Inland wie im Ausland. Auch die anderen Kirchen waren uneinig über die Frage, welche Strategie in dieser sich immer mehr verschlechternden Situation möglich sei. Ein Teil war für offene Konfrontation mit dem Regime, die anderen glaubten an einen möglichen Dialog mit Mugabe.

Die evangelische "Christliche Allianz" versuchte einen Mittelweg und wollte die Bevölkerung durch eine Konsultation mobilisieren und so ein politisches Umdenken bewirken. Die Resultate der Befragung wurden unter dem Titel "The Simbabwe we want" (Simbabwe, wie wir es wollen) veröffentlicht. Dass aus dem Dokument in letzter Minute regierungskritische Paragraphen mysteriöserweise herausgeschnitten wurden, schadete der Glaubwürdigkeit des Unternehmens.

Bischofsernennungen brachten neues Leben in die paralysierte katholische Bischofskonferenz. Der neue Erzbischof von Harare, Robert Ndlovu, war regimekritischer als sein Vorgänger. Mit der im Frühjahr 2006 erfolgten Ernennung des in Berlin geborenen Jesuiten Dieter Scholz zum Bischof der noch jungen Diözese Chinhoyi im Norden Simbabwes kam neue Dynamik in die Konferenz. Scholz war unter Ian Smith wegen kritischer Äußerungen des Landes Verwiesen worden.

Ein Hirtenbrief "God Hears the Cry of the Poor" (Gott hört den Schrei der Armen) aus dem Jahr 2007 ließ an Klarheit und Eindeutigkeit nichts zu wünschen übrig. Ohne die Regierungspartei ZANU-PF beim Namen zu nennen, analysierten die Bischöfe die katastrophale Situation des Landes als eine spirituelle und moralische Krise, als Missbrauch der Macht. Als Ausweg aus der Krise schlugen sie eine neue, vom Volk mitbestimmte Verfassung vor. Der Hirtenbrief beschrieb den rücksichtslosen Kampf des Regimes um Machterhaltung als eine Fortführung der kolonialen Realität. Die Sicherheitsgesetze, mit denen Ian Smith seinerzeit die weiße Vorherrschaft erhalten wollte, seien von den neuen Eliten noch verschärft worden: "Schon bald nach der Unabhängigkeit ging die Macht und der Reichtum der winzigen weißen rhodesischen Elite auf eine gleichermaßen exklusive schwarze Elite über. (...) Es ist der gleiche Konflikt zwischen denen, die Macht und Reichtum im Überfluss genießen, und denen, die das nicht können; zwischen denen, die entschlossen sind, ihre Privilegien um jeden Preis, auch den des Blutvergießens, zu erhalten, und denen, die ihre demokratischen Rechte und ihren Anteil an den Früchten der Unabhängigkeit fordern." Diese unmissverständlichen Worte machten die Kirche zur Zielscheibe für den Sicherheitsapparat.

Dass die Wahlen von 2008 zum Showdown werden würden, war von vornherein klar. Die Regierungspartei ZANU-PF hatte alles unternommen, um die Opposition zu behindern: Einschränkung der Pressefreiheit und ein Informationsmonopol der Regierung; Behinderung der Zivilgesellschaft durch Austrocknen ihrer Finanzquellen; der erfolgreiche Versuch, die Oppositionspartei zu spalten, Einschüchterung und brutale Gewalt gegen Oppositionspolitiker.

Der spektakulärste Schlag gegen seine Widersacher gelang Mugabe durch das Kaltstellen des wortgewaltigsten aller Kritiker des Regimes, Erzbischof Ncube. Immer wieder wurde im Fernsehen ein Video der Geheimpolizei gezeigt, das den Erzbischof in kompromittierenden Positionen mit seiner Sekretärin zeigte. Ncube legte sein Amt nieder und zog sich aus der Öffentlichkeit zurück.

Trotz vieler Manipulationen und massiver Einschüchterung verlor Mugabe die Wahlen. Früher wäre das durch die Fälschung der Resultate korrigiert worden. Die moderne Informationstechnologie machte das schwieriger. Mit dem überall gegenwärtigen Handy wurden nämlich die an den einzelnen Wahllokalen angeschlagenen Resultate von Opposition und Nichtregierungsorganisationen sofort abfotografiert und in Sekundenschnelle per E-Mail in die Parteizentrale geschickt.

Am Abend des Wahltages waren die ersten inoffiziellen Wahlergebnisse veröffentlicht. Mugabes Blamage war offensichtlich. Im Parlament hatte die ZANU-PF die Mehrheit verloren. Für die Präsidentschaftswahl war eine Stichwahl nötig.


Ein zweifelhafter Kompromiss

Wieder setzte Mugabe auf blanke Gewalt, um an der Macht zu bleiben. Wochenlang zogen die Sicherheitskräfte durchs Land, verprügelten und folterten MDC-Anhänger und drohten mit einer Patrone in der Hand der Bevölkerung, jeden zu erschießen, der gegen Mugabe stimmen würde. Um weitere Gräueltaten zu vermeiden, zog Morgan Tsvangirai seine Kandidatur zurück.

Die einzige Macht, die Mugabe hätte stoppen können, war Südafrika. Sein Präsident Thabo Mbeki geriet immer stärker in die Kritik, als seine Shuttle-Diplomatie keinerlei Resultate zeigte. Dass nach wochenlangen Verhandlungen am Ende doch ein Übereinkommen unterzeichnet wurde, lag wohl daran, dass alle Beteiligten mit dem Rücken zur Wand standen. Mugabe hatte kein Geld mehr in der Staatskasse, Tsvangirai sah durch die massive Einschüchterung seinen Parteiapparat in Scherben, und Thabo Mbeki kämpfte selbst in Südafrika um sein politisches Überleben.

Der jetzt schon wieder in Frage gestellte Kompromiss sieht eine Machtteilung zwischen Mugabe als Präsident und Tsvangirai als Ministerpräsident vor. Ob Mugabe aber tatsächlich einen Teil seiner Macht abgeben wird, ist zweifelhaft. Er behält den Vorsitz im Kabinett und ist weiterhin Oberbefehlshaber der Armee. Tsvangirai steht einem neuen Ministerrat vor und kontrolliert die Polizei. Wie das in der Praxis funktionieren soll, weiß keiner so richtig. Der einzig wirkliche Vorteil für die gebeutelte und hungrige Bevölkerung ist, dass jetzt wohl Hilfsgüter der internationalen Gemeinschaft ins Land kommen werden. Aber das neue politische System steht auf viel zu wackeligen Füßen, als dass der Westen jetzt genügend Geld für einen echten Neuanfang geben wird. Bevor Simbabwe wieder seinen Weg in die Weltgemeinschaft findet, wird noch viel Zeit vergehen.


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Wolfgang Schonecke (geb. 1938) ist seit 2001 Leiter des Netzwerks Afrika Deutschland mit Sitz in Bonn und Berlin (www.netzwerkafrika.de). 1965-1982 arbeitete er in der Pastoral in Uganda. 1982-1992 übernahm Schonecke Leitungsaufgaben für seinen Orden der Afrikamissionare - Weiße Väter; 1994-2001 leitete er die Pastoralabteilung bei der ostafrikanischen Bischofskonferenz (AMECEA).


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Quelle:
Herder Korrespondenz - Monatshefte für Gesellschaft und Religion,
62. Jahrgang, Heft 11, November 2008, S. 585-589
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veröffentlicht im Schattenblick zum 3. Februar 2009