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AFRIKA/059: Umdenken in der Theologie bei Reaktion auf HIV (ÖRK)


Ökumenischer Rat der Kirchen - Pressemitteilung vom 6. September 2011

Umdenken in der Theologie bei Reaktion auf HIV


Für die Kirchen in Afrika steht das Alte Testament von jeher im Vordergrund des theologischen Gedankenguts. "Unsere Theologie wurde mit dem Bild des Gottes aus dem Alten Testament aufgebaut", erklärt Charles Klagba, theologischer Berater der Ökumenischen HIV- und Aids-Initiative in Afrika (Ecumenical HIV and AIDS Initiative in Africa, EHAIA).

"Aus diesem Grund wird die Reaktion vieler Kirchen unseres Kontinents auf die Epidemie stark durch die Überzeugung beeinflusst, dass Krankheit eine Strafe für die Sünden von Einzelpersonen ist", sagt er. "Diese Theologie ist im Alten Testament sehr lebendig. Diese Interpretation der Dinge hat das Stigma verstärkt und die Kirche an einem kompetenten Verhalten gehindert."

Bei seinen Gesprächen mit Theologen/innen, Pfarrern/innen und Kirchenverantwortlichen bemüht sich Klagba daher in allererster Linie darum, diese Theologie zu dekonstruieren und einen alternativen Ansatz zu bieten, der den Menschen Hoffnung machen kann.

Er übt sein Amt in der Überzeugung aus, dass nicht nur die akademische Theologie als Reaktion auf HIV und AIDS eines Wandels bedarf, sondern auch die Theologie, die von Menschen auf verschiedenen Ebenen der Kirchenstruktur, und insbesondere an der Basis, zum Ausdruck gebracht und gelebt wird.

"Ich ermutige Kirchen und theologische Institutionen, die Bibel ernsthaft neu zu lesen, um ihren in den täglichen Belangen der Menschen verwurzelten Aussagen eine neue Form geben zu können." Sein Weg, so sagt er, könne als "Theologie der Dekonstruktion" bezeichnet werden.

Theologie sieht er als einen dynamischen und kontextbezogenen Prozess, durch den Christen, einzeln oder in Gemeinschaften, über Vorkommnisse und Erfahrungen des täglichen Lebens nachdenken, versuchen, sie vor dem Hintergrund des Evangeliums zu verstehen und sich dazu verpflichten, aktiv an Veränderungen mitzuwirken.

"Dies bedeutet, dass Theologie über intellektuelle Übungen hinausgehen sollte", so Klagba. "Sie muss Christen auf allen Ebenen praktische Werkzeuge vorschlagen und zur Verfügung stellen."

Im Kontext von HIV und AIDS stehen wir alle somit vor der Herausforderung, das Wort Gottes dazu zu verwenden, zu befreien, zu versorgen und zu heilen - nicht auszuschließen, zu diskriminieren und letztlich zu töten.


Eine heilende Gemeinschaft

Klagba versichert, dass Theologie Erwachsene und Jugendliche auf allen Ebenen des Kirchenlebens ausrüsten und ermächtigen soll. Er bietet nicht nur in theologischen Einrichtungen auf nationaler und regionaler Ebene, sondern auch für Pfarrer und in der Kirche engagierte Laien diesbezügliche Kurse an.

Letztendlich möchte er den Menschen eine neue Art, die Bibel zu lesen, vermitteln, auf dass die ganze Kirche zu einer HIV-kompetenten und heilenden Gemeinschaft werde. Da sein Schwerpunkt auf das erneute Lesen der Bibel in der HIV-Ära liegt, umfassen seine Workshops Themen wie Ethik, Mission, afrikanische Religionen, Sexualität, Geschlechterfragen und christliche Erziehung.

"Die Teilnehmer verlassen meine Kurse irgendwie verändert. Viele", so sagt er, "verpflichten sich infolge dieser Veränderung, auf die eine oder andere Art aktiv zu werden."

Klagba ist seit 1985 ordinierter Pastor in der Methodistischen Kirche von Togo. Zusätzlich zu seiner ursprünglichen Ausbildung als Pfarrer und Theologe ist er auch ausgebildet in Kirchenmanagement, Seelsorge, Philosophie und Politikwissenschaft.

Elf Jahre lang war er in der in Frankreich ansässigen Missionsgesellschaft Cevaa (Gemeinschaft von Kirchen in Mission) als Vorstandssekretär tätig. Seine Hauptaufgabe bestand darin, den Mitgliedskirchen in Europa, Afrika, Lateinamerika, dem Pazifik und dem Indischen Ozean dabei behilflich zu sein, Theologie jedem einzelnen in den Kirchenbänken sitzenden Gemeindemitglied zugänglich zu machen. Außerdem arbeitete er mit theologischen Institutionen an der Frage, welcher Inhalt für die theologische und kirchliche Ausbildung zukünftiger Kirchenführer angemessen ist.

Heute, sagt Klagba, erkenne er mehr den je die Bedeutung einer befreienden Theologie. "Man sollte meinen, dass theologische Institutionen als Laboratorium für theologische Ideen empfänglicher und progressiver wären, wenn es darum geht, vor dem Hintergrund von HIV die Denkmuster zu verschieben", sagt er. "Ich habe jedoch sehr schnell festgestellt, dass Theologie ganz leicht in einen Rahmen gezwängt werden kann, der selbst erst einmal der Befreiung bedarf."

Je mehr Aktivitäten Klagba organisiert, desto mehr Bedarf sieht er innerhalb der Kirchen. "Die EHAIA hat wirklich dabei geholfen, ihr Zögern und ihr Schweigen zu überwinden", sagt er.


Dieser Artikel ist der dritte in einer Reihe von Portraits, die die Arbeit von EHAIA durch die Regionalkoordinatoren/innen und theologischen Berater vorstellen. Die Reihe wird im Vorfeld des 10. Jahrestags der Gründung von EHAIA im April 2012 veröffentlicht.

Weitere Informationen zur EHAIA
http://www.oikoumene.org/index.php?RDCT=18d61eb35c3575ca1093

Regionale Koordinatoren/innen und theologische Berater der EHAIA:
http://www.oikoumene.org/index.php?RDCT=41f30cc2b1a53eb1e911

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EHAIA-Wirkungsstudie, 2002-2009
www.oikoumene.org/index.php?RDCT=d16fb8fa619ac7836455 - auf Englisch


Der Ökumenische Rat der Kirchen fördert die Einheit der Christen im Glauben, Zeugnis und Dienst für eine gerechte und friedliche Welt. 1948 als ökumenische Gemeinschaft von Kirchen gegründet, gehören dem ÖRK heute mehr als 349 protestantische, orthodoxe, anglikanische und andere Kirchen an, die zusammen über 560 Millionen Christen in mehr als 110 Ländern repräsentieren. Es gibt eine enge Zusammenarbeit mit der römisch-katholischen Kirche. Der Generalsekretär des ÖRK ist Pfarrer Dr. Olav Fykse Tveit, von der (lutherischen) Kirche von Norwegen. Hauptsitz: Genf, Schweiz.


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Quelle:
Pressemitteilung vom 6. September 2011
Herausgeber: Ökumenischer Rat der Kirchen (ÖRK)
150 rte de Ferney, Postfach 2100, 1211 Genf 2, Schweiz
E-Mail: ka@wcc-coe.org
Internet: www.wcc-coe.org


veröffentlicht im Schattenblick zum 8. September 2011