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ASIEN/038: Singapur - Spiritualität und Show Business, Megakirchen in der Kritik (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 24. August 2010

Singapur: Wenn sich Spiritualität und Show Business begegnen - Megakirchen in der Kritik

Von Kalinga Seneviratne


Singapur, 24. August (IPS/IDN*) - Jeden Sonntag strömen Jung und Alt zu Tausenden in die Kongresszentren Expo and Suntec im Staatstaat Singapur. Dort erwarten sie, im Gewitter zuckender Lichtblitze, den Blick auf die ausgeleuchtete Bühne geheftet, die Ankunft ihres Idols. Kamera-Teams stehen auf Kränen und schicken Bilder zu riesigen Leinwänden. Nach einer längeren Wartezeit ist es soweit. Der Star, in Lederjacke und kniehohen Stiefeln gekleidet, erscheint im Rampenlicht und Jubel erfüllt den Saal. Ein Handzeichen von ihm genügt, und es kehrt Stille ein: die Predigt kann beginnen.

Der Mann auf der Bühne ist kein berühmter Rock- oder Popstar, sondern Vertreter einer christlich-protestantischen Kirche. Wie viele seiner Kollegen aus der Musikszene hat auch er es drauf, die Massen zu bannen und die Menschen für sich einzunehmen. Zudem versteht er es, aus diesen Fähigkeiten Kapital zu schlagen. Dank seiner Auftritte fließen seiner Kirche Beträge in Millionenhöhe zu.

Obwohl Christen nur 15 Prozent der vier Millionen Singapurer ausmachen, bilden sie eine einflussreiche Minderheit in dem südostasiatischen Land. Viele von ihnen sind Unternehmer, Ärzte, Juristen, Medienvertreter und Politiker und verkehren in den besten Kreisen.

Gerade die protestantischen Kirchen haben im letzten Jahrzehnt besonders viel Zulauf erfahren. Die größte ist die 'City Harvest Church' mit schätzungsweise 33.000 Mitgliedern, die im letzten Jahr Rücklagen in Höhe von 103 Millionen Singapur-Dollar (75 Millionen US-Dollar) bilden konnte. Ein Stab aus 154 Vollzeitbeschäftigten Mitarbeitern verschlingt pro Jahr 9,3 Millionen Singapur-Dollar (6,9 Millionen US-Dollar).

Darüber hinaus ist die Glaubensgemeinschaft Eigentümerin eines Kirchenkomplexes im Westen Singapurs. Der Kredit ist bereits abbezahlt. Ferner ist die City Harvest nach eigenen Angaben an einem Geschäft in Höhe von 310 Millionen Singapur-Dollar (228 Millionen US-Dollar) zum Kauf der Aktienmehrheit an der Suntec-Kongresshalle beteiligt.

Doch gerade solche Projekte und die aggressive Art und Weise, anderen Glaubensgemeinschaften immer mehr Mitglieder auszuspannen, haben die kirchlichen Organisationen, die in Singapur Steuerfreiheit genießen, in Verruf gebracht. Gegen die City Harvest Church laufen Ermittlungen. Zudem ist eine heftige Kontroverse über das Glaubensverständnis der evangelischen Christen in Singapur entbrannt.


Reichtum der Lohn Gottes

Seit City Harvest und andere Kirchen in die Schlagzeilen geraten sind, dringen immer neue pikante Details über den Geschäftssinn der Kirchen an die Öffentlichkeit. So wurde bekannt, dass viele Pastoren Abschlüsse in Management und Unternehmensführung vorweisen können und die Kirchen wie Firmen führen, die das Evangelium als 'Produkt' bewerben. Dass viele der Geistlichen ein Luxusleben führen, ist eher kein Stein des Anstoßes und wird von den Betroffenen als Lohn des Herrn für ein gottesfürchtiges Leben propagiert.

Der 47-jährige City Harvest-Gründer Pastor Kong Hee ist Besitzer eines Modehauses und eines Sportbekleidungsunternehmens. Verheiratet ist er mit der 40-jährigen Popsängerin Sun Ho, die mit dem gemeinsamen Sohn in Los Angeles lebt. Die Künstlerin wohnt in den Hollywood-Bergen für 28.000 US-Dollar im Monat zur Miete. Pastor Hee besitzt ein Apartment in Singapur, das 2,6 Millionen Singapur-Dollar wert sein soll. Nach den Sonntagsmessen fliegt er regelmäßig zu seiner Familie in die USA:

Eine weitere Großkirche ist die 20.000 Mitglieder zählende 'New Creation Church' (NCC). Sie ist Eigentümerin von fünf Unternehmen, die unter anderem in der Unterhaltungs- und Rockmusikindustrie tätig sind, Geschenkartikel und Bücher verkaufen und Reisen organisieren. 2007 schloss sich die 'Rock Productions' mit dem Immobilienriesen 'CapitaLand' zusammen, um in Singapur ein Milliarden Singapur-Dollar teures Lifestyle-Zentrum zu bauen.


Simple Botschaft

Der Gründer der NCC, Joseph Prince, soll über ein jährliches Einkommen von rund 500.000 Singapur-Dollar (rund 368.000 US-Dollar) verfügen. Seine Predigten enthalten die Botschaft, dass die Gläubigen "besonders gesegnet, bevorzugt und zutiefst von Gott geliebt werden". Erst wenn diese das ganze Ausmaß der göttlichen Gnade erwirkten, könnten sie der sündigen Liebe entsagen und ein gottgefälliges Leben führen. Prince erreicht mit seinen Predigten über Fernsehkanäle, Bücher, Videos, DVDs und Mp3-Files Fans in 150 Ländern.

Die 'Faith Community Baptist Church', eine weitere Megakirche in Singapur, zählt mehr als 10.000 Mitglieder. Begründer ist Pastor Lawrence Khong, Abkömmling einer rohstoffreichen Familie. Er besitzt einen Bachelor in Verwaltungswissenschaften und einen Master in Theologie und gehört zu den ersten, die in Singapur die Massenevents veranstalten. Um das Evangelium dem Volk zu bringen, bedient er sich auch schon mal einiger Zaubertricks.

Die singapurische Tageszeitung 'Straits Times' (ST) veröffentlichte in einer Ausgabe Anfang Juli einen sechsseitigen Sonderbericht über die Megakirchen des Landes. Darin heißt es, dass es viele Priester gibt, die lieber Managementaufgaben übernehmen, als seelsorgerisch tätig zu sein.

Der Bericht wirft den Megakirchen ferner vor, der singapurischen Regierung unkritisch gegenüberzustehen. Dazu meint ein Theologe, der sich Anonymität ausbat, dass sich der Erfolg der singapurischen Regierung und ihr Einfluss auf die Gesellschaft bestens mit der Wohlstandsdoktrin der Megakirchen vertrage.

Doch die offensive Art und Weise, Gläubige anzuwerben, stößt in Singapur zunehmend auf Ablehnung. Seit Jahren brodeln unter der Oberfläche Ressentiments, die im März 2009 überkochten, als eine christlich-evangelische Kirche die älteste Frauenorganisation im Lande, AWARE, wegen der "Förderung von Homosexualität" schlucken wollte.


Megakirchen unter der Lupe

Für Buddhisten, Muslime, Taoisten, Hindus und liberale Christen war das Maß voll. Sie riefen zum Widerstand gegen die Übernahme auf und erhoben zahlreiche Intoleranzvorwürfe gegen die evangelischen Christen aus Sicht der verschiedenen Religionen.

So hatte der Pastor der 'New Creationist Church', Mark Ng, in einem auf YouTube ausgestrahlten Audioclip erklärt, die Taoisten beteten aus Angst vor Gangstern zu ihren Göttern - eine Äußerung, für die er sich später entschuldigte. Im Februar 2010 brachten unsensible Kommentare zum Buddhismus und Taoismus dem Gründer der 'Lighthouse Evangelical Church', Ronald Tan, einen Tadel der singapurischen Behörde für innere Sicherheit ein. Der Priester sah sich zu einer Entschuldigung genötigt - allerdings erst, als sich die Kontroverse im multireligiösen Singapur empfindlich zuspitzte.

Der Beitrag der Straits Times warf zudem die Frage auf, ob die Intoleranz der evangelisch-christlichen Kirchen nicht auf Unkenntnis zurückzuführen sei. In einem solchen Fall wäre es sinnvoll, angehende Priester mit den unterschiedlichen Religionen vertraut zu machen, hieß es in einem Leitartikel der Zeitung. (Ende/IPS/kb/2010)

*Dr Kalinga Seneviratne ist ein srilankischer Journalist, Radiosprecher, Dokumentarfilmproduzent und internationaler Kommunikationsexperte. Er ist Leiter der Forschungsabteilung des 'Asian Media Information and Communication Centre' (AMIC) in Singapur.

* Der von 'Global Cooperation Council' und 'Globalom Media' erstellte Informations- und Analysendienst IDN-InDepthNews ist Partner von IPS-Deutschland.


Links:
http://www.mha.gov.sg/isd/abt-isd.htm
http://www.indepthnews.net/news/news.php?key1=2010-07-24%2015:03:57&key2=1

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 24. August 2010
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veröffentlicht im Schattenblick zum 26. August 2010