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ASIEN/042: Kirchliche Arbeit in Papua Neuguinea (Herder Korrespondenz)


Herder Korrespondenz
Monatshefte für Gesellschaft und Religion - 9/2011

Zwischen Tradition und Moderne
Kirchliche Arbeit in Papua Neuguinea

Von Werner Meyer zum Farwig


Die Mehrheit der Bewohner des Inselstaates Papua Neuguinea gehört einer christlichen Kirche an; dabei stellen die Katholiken die größte Gruppe. Kirchliche Arbeit spielt sich in einem Umfeld ab, das von großen Spannungen zwischen traditionellen Strukturen von Clans und Stämmen und fortschreitender Modernisierung geprägt ist. Die Kirchen sind nicht zuletzt durch ihr Engagement im Erziehungs- und Bildungsbereich wichtig.


Vor ein paar Jahren ging eine Szene im Fernsehen rund um den Globus: Ein Hubschrauber landet zwischen ein paar Hütten in einem unzugänglichen Gebiet im westlichen Hochland, nicht weit von Ok Tedi, der bedeutenden Gold- und Kupfermine im Herzen Neuguineas. Zaghaft nähern sich spärlich bekleidete dunkelhäutige Menschen dem seltsamen Objekt. Verschreckt hören sie zum ersten Mal Popmusik aus einem Radio der Besucher. Ungläubig betrachten sie sich in einem Spiegel.

Ein von der modernen Welt abgeschiedenes geheimnisvolles Land, wo die Steinzeit andauert, wo unbekannte kriegerische Stämme leben, die vielleicht - so hört man manchmal - gar Kopfjagd und Kannibalismus praktizieren. Wo Krokodile, Schlangen, Malaria, Mücken und viele andere Gefahren lauern.

Papua Neuguinea ist der östliche Teil der Insel Neuguinea, der nach Grönland zweitgrößten Insel der Erde, und liegt nördlich von Australien nahe dem Äquator im Pazifik. Der größte Teil Papua-Neuguineas gehört zum "Ring of Fire", dem den Pazifik umspannenden Feuergürtel mit hoher vulkanischer Aktivität, und ist damit ein Gebiet mit zahlreichen Erdbeben. Neben der Hauptinsel umfasst der Staat die Inseln New Britain, Neuirland, Bougainville und etwa 600 kleinere Inseln und Archipele. Im Westen grenzt das Land an die indonesische Provinz Irian Jaya, die die zweite Hälfte Neuguineas bildet (vgl. HK; April 2010, 211 ff.).


Der zentrale Teil der Insel steigt auf Höhen von durchschnittlich 2500 Meter an und bildet das Hochland, das sehr dicht bewaldet und durch teils schroffe Gebirgsketten bis heute unzugänglich geblieben ist. Diese natürlichen Barrieren sind der Grund dafür, dass die Ureinwohner der Insel voneinander für Jahrhunderte isoliert geblieben sind und sich viele verschiedene Sprachen und Gebräuche entwickelten, was Papua Neuguinea zu einer der faszinierenden kulturellen Landschaften der Welt macht.

"Ilha dos Papuas", Insel der Kraushaarigen, hatte sie der portugiesische Seefahrer Jorge de Meneses genannt, ein malaiischer Ausdruck für das krause Haar der Inselbewohner. Kurz darauf hatten die spanischen Kontrahenten die Neuentdeckung "Nueva Guinea" getauft und erstmals in europäische Seekarten eingezeichnet. Vegetation und Bewohner erinnerten die Eroberer an die Landschaft und Menschen der guinesischen Küste Afrikas. Erst im 19. Jahrhundert erlangte "das andere Ende der Welt" kolonialpolitische Bedeutung und wurde durch fast schnurgerade Grenzlinien am Verhandlungstisch aufgeteilt. Den Westen erhielten die Niederlande, den Südosten die Briten und der Nordosten kam als "Kaiser Wilhelm Land" zum Deutschen Reich. Goldsucher, Pflanzer und Wissenschaftler folgten Seeleuten und Händlern und wagten sich allmählich hinter die Küstenlinien vor, drangen auf entbehrungsreichen, oft tödlich endenden Expeditionen ins Innere der Insel vor. Die Entdecker fanden in einigen Landesteilen erst zwischen 1950 und 1960 teils sesshafte Bauernvölker mit hochentwickelter Feldwirtschaft, teils im dichten Bergdschungel jagende Halbnomaden vor.


Während des Ersten Weltkrieges nahmen die Engländer den Deutschen deren Besitz an der Bismarcksee wieder ab. Ein Vierteljahrhundert später lieferten sich Japaner und Alliierte in Neuguinea blutige Schlachten. Nach dem Zweiten Weltkrieg übernahm Australien den Osten als Mandats- beziehungsweise Protektoratsgebiet. Die Australier nannten ihre Kolonie "Papua". Bis heute ist dieser Unterschied im Sprachgebrauch der Einheimischen fest zementiert. Wer davon spricht, er käme aus "New Guinea", meint damit den ehemals deutschen Teil im Nordosten; wer von "Papua" spricht, versteht darunter den ehemals britischen, dann australischen Teil der Insel. Deshalb heißt die Insel Papua-Neuguinea, besteht sie doch aus zwei Teilen, eben "Papua" und "Neuguinea". Der Westteil ist seit 1961, als die Niederländer ihre letzte Kolonialbastion in Südostasien aufgeben mussten, eine Provinz Indonesiens; deren Papua-Bevölkerung wartet bis heute auf die ersehnte und häufig gewaltsame umkämpfte Autonomie. Die ehemals deutschen und britischen Gebiete wurden als Republik Papua Neuguinea bereits 1975 politisch selbstständig. Seit seiner Unabhängigkeit ist Papua Neuguinea eine parlamentarische Monarchie und Mitglied im Commonwealth of Nations.

Die Kirche in Papua Neuguinea kann mit Recht als junge Kirche bezeichnet werden. Christliche Missionare kamen erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ins Land. Das 1844 errichtete Apostolische Vikariat Melanesien war den Maristen anvertraut. Sie begannen 1845 ihre Tätigkeit als Glaubenspioniere, mussten sich aber aufgrund der widrigen äußeren Bedingungen wieder zurückziehen. Protestantische Missionare der Londoner Missionsgesellschaft und Methodisten folgten. Katholische Missionare kamen erst 1896 erneut wieder, und zwar waren es deutsche und französische Herz-Jesu-Missionare (MSC) und Steyler Missionare (SVD). In Papua missionierten bis 1958 ausschließlich die Herz-Jesu-Missionare, auf den Salomon-Inseln wirkten die Maristen bis 1859.


Eine Vielfalt von Sprachen und Kulturen

Ab 1930 nahm die Mission mit der Erforschung der Hochebene (Highlands) neuen Aufschwung. Dort herrschte ein gesünderes Klima und die Bevölkerung war zahlreicher. Französische Karmelitinnen aus Autun gründeten 1935 in Kabuna ein erstes kontemplatives Kloster. Im Jahr 1937 wurde Louis Vangeke zum ersten einheimischen Priester von Papua Neuguinea und dem gesamten südpazifischen Raum geweiht.

Mit der Internationalisierung des Missionspersonals kamen auch Priester, Brüder und Schwestern aus anderen Kongregationen nach Papua Neuguinea: 1952 die Franziskaner, ihnen folgten 1958 die Kapuziner, 1959 die Montfortaner und die Missionare von Mariannhill.

Je nachdem, welche Statistik man zu Rate zieht, gehören zwischen 60 und 90 Prozent der Bevölkerung einer der christlichen Kirchen an. Davon zählen ungefähr 60 Prozent zu einer der protestantischen Kirchen. Die katholische Kirche hat über 1,5 Millionen Mitglieder, das entspricht etwa 27 Prozent der Gesamtbevölkerung. Sie ist damit die größte Kirche im Lande, gefolgt von den Lutheranern (19 Prozent), den Methodisten (11 Prozent) und den 7-Tage-Adventisten (10 Prozent). Der Anteil der Pfingstler wird mit etwa 10 Prozent angegeben. Doppelmitgliedschaften sind recht häufig. Der Einfluss des Pfingstlertums ist allerdings höher zu gewichten, als die Prozentzahl es andeutet.


So vielfältig wie das Land sind auch die Kulturen Papua Neuguineas, die sich durch fortlaufende Migrationen zu einem einzigartigen Mosaik zusammengefügt haben. Viele Völkergruppen leben dabei teils bis heute isoliert voneinander und haben im Laufe der Zeit eine eigene Sprache, Religion und gesellschaftliche Ordnung entwickelt. In Papua Neuguinea werden heute über 800 Sprachen gesprochen. Oft besteht eine Sprachgruppe nur aus wenigen hundert Menschen. Ein wichtiges Medium, durch das die verschiedenen Kulturgruppen relativ leicht miteinander kommunizieren können, ist das "Tok Pisin" (Pidgin-Englisch). Es ist die am weitesten verbreite Sprache in Papua Neuguinea. Die Landessprache hat ihren Ursprung in der Art und Weise, wie mit jungen Männern, die als Kontraktarbeiter, Koch oder Hausboy arbeiteten, gesprochen wurde. Gut 80 Prozent der Vokabeln im "Tok Pisin" haben englische Wurzeln, 15 Prozent kommen aus Lokalsprachen, und die übrigen Worte haben einen deutschen, portugiesischen oder spanischen Ursprung.

Wichtigste soziale Einheit ist der "Wantok". Wörtlich übersetzt bezeichnet der Begriff "Wantok" jemanden, der die gleiche Sprache spricht ("one talk"): ein Mensch, der mir nahesteht, der aus der gleichen Gegend kommt. In einer tieferen Bedeutung spricht man in Papua Neuguinea von einem Wantok-System und meint damit ein komplexes Beziehungsgeschehen, das Familienangehörige, Mitglieder gleicher Clans und Stämme in einem Netz von Solidarität und Verpflichtungen aneinander bindet. Verwandtschaftsbeziehungen orientieren sich dabei nicht primär an der biologischen Abstammung, sondern an Kategorien, die das Gemeinschaftsgefüge bestimmen.

So sind beispielsweise die Schwestern einer Mutter auch Mütter; das Kind spricht sie als "Mutter" an und kann auch von jeder dieser Frauen als eigenes Kind großgezogen werden. Gleiches gilt für die Brüder der Väter. Ein Kind hat also klassifikatorisch betrachtet stets mehrere Mütter und Väter. Hinzu kommt, dass informelle Adoptionen vollkommen üblich sind und nicht nur Kinder, sondern auch Neuankömmlinge wie etwa angeheiratete Ehepartner und deren Geschwister in die Clans, in denen sie länger leben, aufgenommen werden.


Zwischen echter und falscher Solidarität

Unter Wantoks ist die uneingeschränkte Solidarität oberstes Gebot. Innerhalb des gleichen Wantok kann jeder erwarten, Unterkunft und Essen zur Verfügung gestellt zu bekommen. Man unterstützt seinen Wantok, wenn dieser in Not ist. Der Zusammenhalt und die Solidarität innerhalb eines Wantok hat viele positive Aspekte, insbesondere in einer Gesellschaft wie Papua Neuguinea, in der es kein soziales Sicherungssystem gibt und weniger als 10 Prozent der Einwohner einer bezahlten Tätigkeit nachgehen. Ohne das Wantok-System wäre das soziale Netz schon völlig gerissen. Auf öffentlicher und insbesondere politischer Ebene entartet das System jedoch zu blinder Solidarität und Vetternwirtschaft. Ist der Busfahrer dein Wantok, zahlst du keine Fahrkarte. Hast du Wantoks in der Justiz, wirst du auch bei einer Straftat nicht so leicht ins Gefängnis kommen. Studien- und Arbeitsplätze werden nach dem Wantok-System vergeben, Parteiämter ebenso. Man unterstützt nicht den kompetentesten, sondern aus Solidaritätsverpflichtung den eigenen Wantok-Kandidaten, auch wenn dieser nachweislich nicht geeignet ist. Ist dieser dann gewählt, so hat der Parteigenosse ebenso Solidaritätsverpflichtungen gegenüber seinem Wantok. In anderen Worten: das Wantok-System führt in Abhängigkeiten und Korruption.


Oftmals bedeutet dabei die Verbundenheit den eigenen Leuten gegenüber besondere Härte gegenüber denjenigen, die nicht dazugehören. So kann es sein, dass außerhalb des Clans für Vergehen oder Angriffe, wie das Überfahren von Schweinen oder das Zerstören von Wegen, Blutrache droht, die noch dazu über Generationen vererbt wird.

Ein weiteres Phänomen, das weit verbreitet ist und in jüngster Zeit sogar ansteigt, ist, Zauberkraft oder Hexerei für unerklärliche Ereignisse verantwortlich zu machen. Immer muss es einen Schuldigen geben für Geschehnisse, die sich die Menschen nicht erklären können. Stirbt etwa ein junger Mensch, wird jemand im Dorf gesucht, der dafür verantwortlich gemacht wird. Man beschuldigt ihn der schwarzen Magie, und das ganze Dorf entscheidet dann, was mit dieser Person geschehen soll. Insbesondere ältere Frauen, die nur noch wenige Verwandte haben, sind stark gefährdet, als Hexe ermordet zu werden. Die Art der Macht, die einer Person zugeschrieben werden, wird allgemein mit "Sanguma" bezeichnet. "Sanguma" beschreibt dabei eine negative Kraft, die auf einen Menschen übertragen wird, wodurch dieser scheinbar in der Lage ist, anderen Menschen Unheil zu bringen.

Viele Menschen im ländlichen Papua Neuguinea betrachten Hexerei beispielsweise als plausible Erklärung für die Ausbreitung von HIV/Aids. Dies bestätigen auch Untersuchungen, die belegen, dass die Zahl der Hexenmorde mit dem epidemischen Auftreten von HIV/Aids zugenommen hat.

Politik und Recht in traditionellen Systemen werden von den "Big Men" geregelt. Jeder Clan hat einen "Big Man", einen Anführer, der aus dem Volk heraus gewählt wird und jederzeit ersetzt werden kann. Die Grundvoraussetzung ein "Big Man" zu werden, ist die Fähigkeit gut reden und mutig kämpfen zu können. Ebenso wichtig ist die Fähigkeit, ein breites Beziehungsnetz herstellen zu können und Vermögen anzuhäufen. Oft lebt der "Big Man" polygam; er hat mehrere Frauen, die ihm dabei helfen Überschüsse zu erwirtschaften, die dann verteilt werden können.


Das vorherrschende Prinzip der sozialen Ordnung bildet die Familie oder die Sippe beziehungsweise der Clan. Traditionell ist Land in Papua Neuguinea im Besitz einzelner Clans patrilinear oder matrilinear organisierter Großfamilien, die sich auf einen gemeinsamen Vorfahren berufen. Verschiedene Clans schließen sich zu Standesverbänden zusammen und geben dem "Stamm" seinen eigenen Namen. Personen definieren sich zu einem großen Teil über ihre Beziehung zu einem bestimmten Stück Land, welches die Beziehung zu ihren Vorfahren immer einschließt. Nach wie vor ist die Landwirtschaft das eigentliche Rückgrat der Ökonomie. Die eigenen Gärten sichern der großen Bevölkerungsmehrheit das Überleben. "Nogat gaden, nogat kaikai", sagen die Einheimischen: "Wer keinen Garten hat, hat nichts zu essen" und muss sich wie die Städter in der Lohnarbeit verdingen, die unsicher ist und zudem schlecht bezahlt wird.

In kaum mehr als einer Generationsspanne hat die Lebenswelt der Menschen in Papua Neuguinea tief greifende wirtschaftliche, soziale, politische und religiöse Umbrüche erfahren. Die Inselregion am "anderen Ende der Welt" und hier insbesondere das bevölkerungsreiche Hochland waren bis weit in das 20. Jahrhundert hinein von der Außenwelt isoliert. Jede noch so kleine Gruppe entwickelte dabei ihre eigene gesellschaftliche Ordnung und eigene kulturelle Ausdrucksformen in Kunst, Tanz und Musik, die bis heute tief im Alltagsleben der Menschen verwurzelt sind. Die Vergangenheit ist lebendig und gleichzeitig verändert sich das Leben der Menschen mit wachsender Geschwindigkeit. Die Einführung von Dingen wie Plastikschüsseln, Transistorradios und Handys verändert das soziale Leben, insbesondere aber das rasante Vordringen der Geldökonomie in eine Gesellschaft, die traditionell den Tauschhandel und die Zahlung mit traditionellem Muschelgeld kennt. Dabei hat sich in einer Gesellschaft, die so reich mit natürlichen Ressourcen beschenkt ist, so etwas wie "Vorratswirtschaft" und Sparen nicht ausgeprägt. Und so fliegen Männer aus dem Hochland für ein Wochenende in die Hauptstadt und geben das neue Tauschmittel Geld in Spielkasinos und mit Prostituierten aus.

So ist die gegenwärtige Situation in Papua Neuguinea geprägt von einem erheblichen Spannungsverhältnis: Die Mehrzahl der Menschen lebt weiterhin in traditionellen Sozialformen, während es parallel dazu einen rasant verlaufenden Modernisierungsprozess gibt, der - wie an vielen Orten dieser Welt - nur wenige Gewinner und viele Verlierer hat. Dieser Modernisierungsprozess wird vor allem von ausländischen Investoren forciert, die in erster Linie an den umfangreichen Bodenschätzen des Landes interessiert sind. Es gibt große Gold- und Kupfervorkommen, die in Minen abgebaut werden, außerdem Öl und natürliches Gas, große landwirtschaftliche Nutzflächen, verschiedene Hölzer des Regenwaldes und reiche Fischgründe. Diese natürlichen Ressourcen bilden die Grundlage für das Exportgeschäft. Die Hautrolle spielt dabei der Mineralsektor. Tourismus ist in Papua Neuguinea nicht sehr weit verbreitet. Der außergewöhnlichen Schönheit des Landes stehen die schlechte Infrastruktur, das relativ hohe Preisniveau sowie vor allem eine hohe Kriminalitätsrate gegenüber.


Auf Bougainville, der zu Papua Neuguinea gehörenden südpazifischen Insel, wurden Ende der neunziger Jahre die bisher blutigsten und längsten Gewaltkonflikte im Südpazifik nach dem Zweiten Weltkrieg ausgetragen. Ausgelöst wurde der Krieg durch ein gigantisches Bergbauprojekt, die Panguna-Kupfermine. Die Menschen haben bis heute unter den ökologischen und sozialen Zerstörungen, die mit dem Minenbetrieb einhergingen, zu leiden.

Der infolge des Klimawandels steigende Meeresspiegel bedroht die Existenz tausender kleiner Inseln. Die Versalzung des Bodens und häufig überschwemmte Felder lassen die Ernte knapp werden. Einige Wissenschaftler gehen davon aus, dass der Großteil der Inselwelt Ozeaniens in etwa 50 Jahren unter dem Meeresspiegel liegen wird. Die Zahl der Klimaflüchtlinge wird in den kommenden Jahren wohl ansteigen.


Kritische Einreden der Kirche

In den Bergen von Madang baut eine chinesische Firma Nickel ab. Abwässer und Schadstoffe sollen in die Hafenbucht geleitet werden. Fischer fürchten um ihre Lebensgrundlage. Die Einwohner von Madang fühlen sich von den Chinesen überrannt. Die Forderungen "Rausim ol kongkong" ("Weg mit den Chinesen") werden lauter.

Ein weiteres aktuelles Beispiel für die Herausforderungen, mit denen das weitgehende agrarisch strukturierte Land konfrontiert ist, ist das "Liquid Natural Gas Project" (LNG). Es sieht die Förderung von Erdgas im südlichen Hochland vor, wobei das Gas über eine 300 Kilometer lange Pipeline bis in den Hafen von Port Moresby geleitet wird. Dort wird das Gas verflüssigt und zu den Überseemärkten verschifft. Betrieben wird das Projekt von Esso Highlands, einer Tochtergesellschaft von Exxon Mobile. Im Jahr 2008 haben die Joint-Venture-Teilnehmer mit der Regierung ein entsprechendes formelles Abkommen geschlossen, das die fiskalischen und rechtlichen Bedingungen wie auch die staatliche Beteiligung regelt.


Skepsis ist angebracht, wem letztlich dieses Großprojekt zugute kommt. Nicht von ungefähr überschreiben die katholischen Bischöfe ihren Hirtenbrief vom 18. April 2010 mit den Worten "LNG - Blessing or Curse" ("Segen oder Fluch"). Sie stellen dabei die Vorteile für die Menschen (Beschäftigung, sicheres Einkommen) heraus, benennen aber auch die gravierenden sozialen Auswirkungen, die sich schon jetzt abzeichnen, etwa Konflikte wegen Landrechten, verschwenderischer Umgang mit Geld, Prostitution, Anstieg der HIV/Aids-Rate.

Ganz besonders kritisieren die Bischöfe dabei die politischen Führer: "Wir müssen die Kultur der Korruption, die überall so fest in Regierung und Gesellschaft verwurzelt ist, ausmerzen und durch eine Kultur der Aufrichtigkeit, der Dienstbereitschaft, der Transparenz und der Übernahme von Verantwortung ersetzen. Heutzutage meinen viele, die aufgrund ihrer Position Zugang zu öffentlichen Mitteln haben, sie hätten das Recht, einen Großteil davon für sich selbst in Anspruch zu nehmen. Das ist Diebstahl und das ist Unrecht. Diese Gruppenführer sind Feinde ihres eigenen Volkes. Sie ruinieren unser Land."


Der "politische Kopf" der Bischofskonferenz, Erzbischof Steve Reichert von Madang, ermutigt alle Christen, sich zu Wort zu melden und Unrecht und Korruption offensiv anzuklagen. Der amerikanische Kapuzinerbischof sieht insbesondere die Landfrage als eine identitätsbedrohende Wirklichkeit für die Menschen in Papua Neuguinea. "Land gehöre", so der Erzbischof, "weniger den Menschen als das die Menschen dem Land gehören". "Grown belong yumi": "das Land ist unser", so würde man dieses Pidgin-Wort übersetzen und damit die existenzielle Bedeutung des Landes für die Menschen in Papua Neuguinea verdeutlichen.

In all diesen gesellschaftlichen Umbruchprozessen stehen die katholische Kirche und die anderen christlichen Konfessionen an der Seite der Menschen. Sie werden als Partner in den Bereichen der Gesundheitssorge und Erziehung von der Regierung auf allen Ebenen anerkannt. Hoffnungsvoll stimmt dabei besonders die Arbeit der "Divine World University" in Madang. Dort studieren über 1500 junge Frauen und Männer aus verschiedensten Teilen des Landes. Sie erhalten an den sechs Fakultäten (Betriebs- und Erziehungswissenschaften, Gesundheitsmanagement, Rechts- und Kunstwissenschaften und Theologie) eine hoch qualifizierte Ausbildung, die ergänzt wird von einem christlichen Begleitstudium. Man darf zuversichtlich hoffen, dass hier die zukünftigen Führungskräfte ausgebildet werden, die traditionelle Werte und Moderne in Einklang bringen können und sich dabei an christlichen Wertvorstellungen orientieren.


Eine wichtige Einrichtung ist auch das 1971 gegründete ökumenische "Melanesische Institut", das die Auswirkungen der Globalisierung auf die melanesischen Kulturen analysiert und diese vor dem Hintergrund der christlichen Botschaft bewertet. Das Institut führt Seminare und kulturelle Orientierungskurse durch und trägt dazu bei, das Bewusstsein für Kräfte und Entwicklung in der Gesellschaft zu schärfen und eine Bewegung für Frieden und Gerechtigkeit zu stärken. Es werden auch Kurse in Universitäten angeboten sowie Seminare für kirchliche Mitarbeiter zu speziellen kulturellen Themen wie etwa Gewalt, Ahnenkult und traditionelle Religionen.


Das vor zwei Jahren neu gegründete Vangeke-Institut bietet eine kontinuierliche Fortbildung für die einheimischen Priester. Hierbei geht es um Fragen wie Führung einer Gemeinde, Konfliktbewältigung, spirituelle Lebensführung und ganz allgemein um den Erwerb von Fähigkeiten, die helfen, angesichts der unterschiedlichen Erwartungen an die Priester die eigene Identität als Geistliche zu stärken. Dieses von missio unterstützte Projekt ist von enormer Bedeutung, denn die Versäumnisse einer kontinuierlichen Persönlichkeitsfortbildung der Priester zeigt sich in Alkoholabhängigkeit, Veruntreuung von Geldern, Beziehungen zu Frauen und letztlich einem Mangel an qualifizierten einheimischen Priestern, die Führungsaufgaben übernehmen können.

Die heutige Bischofskonferenz von Papua Neuguinea und den Salomoninseln umfasst 22 Diözesen. Die Mehrzahl davon wird von ausländischen Bischöfen geleitet. Ob die steigende Zahl der Seminaristen bald eine wesentliche Änderung dieser Zahlenverhältnisse bewirken wird, bleibt abzuwarten.

2006 wurde nach einem langen Konsultationsprozess ein nationaler Pastoralplan in Gang gesetzt. Unter der Überschrift "Alive in Christ" konzentriert sich der Plan auf sechs Gruppen in der Gesellschaft: Familien, Kinder, Jugendliche, erwachsene Männer und Frauen, Arme und Kranke. Insbesondere die Familie ist in Papua Neuguinea großen Belastungen ausgesetzt. Die Männer verlassen oft die ländlichen Regionen, gehen in die Städte, wo sie Arbeit suchen, und lassen Frauen und Kinder im Dorf zurück. Viele Familien kämpfen schlichtweg darum, über die Runden zu kommen und die Schulgebühren aufzubringen, damit sie ihre Kinder zur Schule schicken können. In größeren Städten findet man jetzt Straßenkinder, die verzweifelt nach Essen und Unterkunft suchen. Nicht wenige desillusionierte Jugendliche finden eine neue Identität in Banden, was zu wachsenden Straf- und Gewalttaten führt.

In allen Diözesen gibt es Pastoralpläne, in denen die Familienpastoral eine wichtige Rolle spielt. Papua Neuguinea hat weltweit die zweithöchste Rate an häuslicher Gewalt: Zwei Drittel aller Familien sind betroffen. Von vielen wird diese Gewalt als Normalität akzeptiert. Frauen gelten oft als "Menschen zweiter Klasse". Die Vision ist "Families always alive in Christ". Dazu werden mit Hilfe von Multiplikatoren so genannte Kerngruppen-Paare (drei bis fünf pro Pfarrei) ausgebildet, die in der Familienpastoral auf Pfarrebene wirken. Ziel ist es, dass sich ein Netz von Ehepaaren und Alleinstehenden bildet, die andere Familien und Alleinstehende auf Gemeindeebene beraten und in Konfliktfällen als Mediatoren tätig sein können.


Gerade in der Friedens- und Versöhnungsarbeit spielt die Kirche als unparteilicher Vermittler eine wichtige Rolle. Die traditionelle Praxis sieht vor, dass Schweine als Statussymbole, Muschelschmuck oder Nahrungsmittel als Zeichen der "Kompensation" und Versöhnung gegeben werden. Durch die Ausbreitung von Geldwirtschaft und Warenkonsum werden jetzt horrende Geldbeträge gefordert, die oft die Betroffenen an den Rand des Ruins führen. Tief in der Gesellschaft verwurzelte Rituale der Versöhnung sind heute zu reinen Geldgeschäften verkommen. Hier sind die Kirchen gefordert, das christliche Verständnis von Versöhnung neu zu vermitteln.

Die katholische Kirche fördert insbesondere die Aus- und Fortbildung von Laienführungskräften, die in den Gemeinden vor Ort verschiedene Seelsorgetätigkeiten (Taufen, Wortgottesdienstleitungen...) wahrnehmen. Zudem bildet sie Männer und Frauen zu Streitschlichtern und Mediatoren aus. Insgesamt lässt sich sagen, dass die Laien eine wichtige Rolle in der Kirche von Papua Neuguinea spielen. Der im Zweiten Weltkrieg von japanischen Besatzern hingerichtete Märtyrer-Katechist Peter Torot, der 1995 seliggesprochen wurde, wird im ganzen Land hoch verehrt. Er steht für eine Kirche, die im Wesentlichen durch das mutige und ungebrochene Engagement der Laien überlebte.


Die katholische Kirche hat eine hohe Reputation bei den Menschen, steht sie doch vor allem jenen bei, die benachteiligt oder hilflos sind. Ihre prophetische Rolle nimmt sie überall dort wahr, wo sie die Werte des Evangeliums in gesellschaftliche Situationen einbindet, die geprägt sind von Gewalt, Korruption oder Verantwortungslosigkeit.

Ein Sprichwort in Papua Neuguinea lautet: "Wenn eine Frau geboren hat, kann das Kind nicht mehr in den Mutterleib zurück." Es gibt kein Zurück. Die alten Kräfte sozialen Zusammenlebens zerbrechen. Die Kirchen wissen, dass es kein Zurück in die Vergangenheit gibt. Sie sind herausgefordert, gemeinsam mit den Menschen für eine gute Zukunft zu sorgen.


Werner Meyer zum Farwig (geb. 1957) ist Theologe und Pädagoge. Er ist stellvertretender Leiter der Bildungsabteilung des Internationalen Katholischen Missionswerks Missio in Aachen. Dort leitet er die Jahresaktion zum Monat der Weltmission, die im nächsten Jahr das Wirken der katholischen Kirche in Papua Neuguinea thematisieren wird.


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Quelle:
Herder Korrespondenz - Monatshefte für Gesellschaft und Religion,
65. Jahrgang, Heft 9, September 2011, S. 479-484
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veröffentlicht im Schattenblick zum 14. Oktober 2011