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BERICHT/245: Syrien - gutes Beispiel für christlich-muslimische Beziehungen (ÖRK)


Ökumenischer Rat der Kirchen - 29. April 2008

Syrien: gutes Beispiel für christlich-muslimische Beziehungen und Aufnahme von Flüchtlingen


"Den Islam kann man nicht wie Grammatik lernen", betonte Patriarch Ignatius IV. (Hazim) vom Griechisch-Orthodoxen Patriarchat in Syrien gegenüber einer Delegation unter Leitung des Generalsekretärs des Ökumenischen Rates der Kirchen (ÖRK), Pfarrer Dr. Samuel Kobia, die Syrien vom 19.-22. April einen Besuch abstattete, um sich über die langjährigen Erfahrungen des Landes im friedlichen Zusammenleben zwischen Christen und Muslimen zu informieren. "Wir müssen die Menschen sehen, wie sie wirklich sind, und wir müssen uns um Gemeinsamkeiten bemühen. Muslime tun das, indem sie in Ihren Ländern leben. Warum ignorieren Sie diese Menschen?" Diese Frage richtete der Patriarch zu Beginn des Besuchs insbesondere an die Delegationsmitglieder aus Europa und den Vereinigten Staaten.

Bei allen Begegnungen der ÖRK-Delegation mit christlichen und muslimischen Verantwortlichen sowie dem syrischen Präsidenten Dr. Bashar al-Assad lautete die Botschaft immer wieder: Ein besseres Verständnis zwischen den Religionen kann nur dann erreicht werden, wenn Christen und Muslime sich gegenseitig als Menschen und nicht nur als Vertreter von Glaubensgemeinschaften wahrnehmen.

Das Los der irakischen Flüchtlinge und die Flucht vieler Christen aus dem Nahen Osten in westliche Länder gehörten zu den anderen zentralen Themen des Besuchs. Syrien mit einer Bevölkerung von 20 Millionen Menschen hat 1,5 Millionen irakische Flüchtlinge aufgenommen und damit mehr als jedes andere Land getan, um diejenigen, die vor der destruktiven Gewalt in seinem östlichen Nachbarland geflohen sind, Zuflucht zu gewähren. Syrien praktiziert seit vielen Jahren eine Politik der offenen Grenzen für Flüchtlinge. Das Land hat einer halben Million Palästinensern eine neue Heimat gegeben und während des Krieges 2006 rund 200.000 Libanesen aufgenommen.

Die Flüchtlinge, mit denen die Vertreter/innen von ÖRK-Mitgliedskirchen aus dem Nahen Osten, den Vereinigten Staaten, Pakistan, Deutschland, Australien und Schweden in Damaskus zusammentrafen, brachten ihre Dankbarkeit gegenüber Syrien und den Kirchen, die sie aufgenommen haben, zum Ausdruck, erklärten aber auch, dass sie sich von der internationalen Gemeinschaft im Stich gelassen fühlten. "Natürlich möchte ich in mein Land zurückkehren", sagte eine junge Frau aus Basra. "Aber können Sie mir garantieren, dass ich dort nicht getötet werde? Meine Verwandten sind zurückgegangen und wurden alle in einer Nacht ermordet."

"Wir wollen nicht, dass im Irak keine Christen mehr leben, aber wenn sie in Gefahr sind, wie könnten wir ihnen dann sagen, dass sie dort bleiben sollen?", fragte Patriarch Mar Ignatius Zakka I. (IWAS) vom Syrisch-Orthodoxen Patriarchat, der selbst im Irak geboren ist.

Samer Laham, Direktor für ökumenische Beziehungen im Griechisch-Orthodoxen Patriarchat, erklärte: "Die Flüchtlinge können nicht zurückkehren, weil sie ermordet würden, und sie können nicht in Syrien bleiben, weil sie hier nur sehr schwer Arbeit finden und wegen der steigenden Lebenshaltungskosten schnell kein Geld mehr haben."

Muslimische Einrichtungen und Kirchen in Syrien arbeiten in ihrem Engagement für die Flüchtlinge zusammen. "Wir haben irakischen Christen [die Asyl in westlichen Ländern suchen wollten] gesagt: Bitte geht nicht! Hier seid ihr Teil unserer Familie, dort werdet ihr nichts als Nummern sein", erzählte der Großmufti der Republik Syrien, Dr. Ahmad Badr Al-Din Hassoun, der ÖRK-Delegation.

"Frieden im Heiligen Land ist der Schlüssel zu den meisten Problemen dieser Region," betonte der melkitische griechisch-katholische Patriarch Gregorios III. (Laham) im Anschluss an den Gottesdienst zur Feier des 3. Jahrestags der Wahl von Papst Benedikt XVI. "Jede Krise löst eine neue Migrationswelle aus, von Muslimen, aber vor allem von Christen. Wenn Sie wollen, dass es weiterhin Christen im Nahen Osten gibt, dann setzen Sie alles daran, Frieden für Palästina/Israel zu finden," appellierte Patriarch Gregorios III. an die ökumenische Delegation.

Auch ein Besuch in der Sheikh Ahmad Kuftaro-Stiftung, einem islamischen Zentrum, das vor allem Bildungs- und interreligiöse Studienarbeit leistet, machte deutlich, dass Syrien - mit den Worten von ÖRK-Generalsekretär Kobia - "ein gutes Modell dafür sein könnte, wie Menschen verschiedener Religionen als Volk Gottes, das von dem Einen Gott erschaffen wurde, zusammenleben können". Mädchen aus der Schule und dem Waisenhaus der Stiftung begrüßten die ökumenische Delegation mit Liedern zu Ehren des "Propheten Issa" (Jesus), der "zu Liebe und Frieden aufgerufen hat".

Syrien war das letzte von drei nahöstlichen Ländern, die von der ÖRK-Delegation besucht wurden. Die Reise hatte am 14. April mit einem Öffentlichen Hearing [2] über Migration in Beirut begonnen und schloss einen kurzen Aufenthalt in den Vereinigten Arabischen Emiraten ein.

Die Delegation hörte bewegende Zeugnisse irakischer Flüchtlinge, die von den Schrecken des Krieges berichteten, aber sie nahm auch eine Botschaft der Hoffnung mit nach Hause. "Ich glaube an Taten der Liebe", hatte Patriarch Ignatius IV. gesagt. "Menschen in Liebe anzunehmen, wird nicht sofort alle Probleme lösen. Aber die nächste Generation wird die Früchte dieser Liebe ernten."

Weitere Informationen über die Begegnung der ÖRK-Delegation mit Präsident Bashar al-Assad (auf Englisch):
http://www.oikoumene.org/de/news/news-management/eng/a/article/1722/ wcc-delegation-met-with-s.html

Mehr zum Besuch der ÖRK-Delegation in den Vereinigten Arabischen Emiraten:
http://www.oikoumene.org/de/nachrichten/news-management/a/ger/article /1722/oerk-delegation-besucht-ch.html

ÖRK-Mitgliedskirchen in Syrien:
http://www.oikoumene.org/?id=4748&L=2

Mitglieder der ÖRK-Delegation:

Pfarrer Dr. Samuel Kobia, ÖRK-Generalsekretär
Guirguis Saleh, Rat der Kirchen im Mittleren Osten, Generalsekretär
Clare Chapman, Nationalrat der Kirchen Christi in den USA, stellvertretende Generalsekretärin
Bischof Samuel Azariah, Mitglied des ÖRK-Exekutivausschusses; Kirche von Pakistan
Bischof Nareg Alemezian, Mitglied des ÖRK-Zentralausschusses, Armenische Apostolische Kirche (Kilikien), Libanon
Pfarrer Dr. Volker Faigle, Evangelische Kirche in Deutschland, Vertretung bei der BRD und der EU, theologischer Referent
James D. Thomson, Globales ökumenisches Netzwerk für Migrationsfragen, Nationaler Kirchenrat in Australien, Christlicher Weltdienst, Direktor für Grundsatzfragen und Fürsprachearbeit
Kristina Hellqvist, Globales ökumenisches Netzwerk für Migrationsfragen; Kirche von Schweden, Beraterin für Einwanderungs- und Flüchtlingsfragen
Carla Khijoyan, ÖRK-Referat für den Nahen und Mittleren Osten
Rima Barsoum, ÖRK-Programmreferentin für christlich-muslimische Beziehungen

Der Ökumenische Rat der Kirchen fördert die Einheit der Christen im Glauben, Zeugnis und Dienst für eine gerechte und friedliche Welt. 1948 als ökumenische Gemeinschaft von Kirchen gegründet, gehören dem ÖRK heute mehr als 349 protestantische, orthodoxe, anglikanische und andere Kirchen an, die zusammen über 560 Millionen Christen in mehr als 110 Ländern repräsentieren. Es gibt eine enge Zusammenarbeit mit der römisch-katholischen Kirche. Der Generalsekretär des ÖRK ist Pfr. Dr. Samuel Kobia, von der Methodistischen Kirche in Kenia. Hauptsitz: Genf, Schweiz.


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Quelle:
Pressemitteilung vom 29. April 2008
Herausgeber: Ökumenischer Rat der Kirchen (ÖRK)
150 rte de Ferney, Postfach 2100, 1211 Genf 2, Schweiz
E-Mail: ka@wcc-coe.org
Internet: www.wcc-coe.org


veröffentlicht im Schattenblick zum 3. Mai 2008