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KIRCHE/1011: Studie - Elternkurse "KESS-erziehen" stärken Eltern-Kind-Beziehung (DBK)


Pressemitteilungen der Deutschen Bischofskonferenz vom 29.09.2010

Studie: Elternkurse KESS-erziehen stärken Eltern-Kind-Beziehung


Die Erziehungskompetenz von Eltern wird durch Elternkurse KESS-erziehen nachhaltig gesteigert. Das belegt eine jetzt veröffentlichte wissenschaftliche Begleitstudie. Im Auftrag der Arbeitsgemeinschaft für katholische Familienbildung e.V. (AKF) untersuchte das Münchener Institut für Forschung und Ausbildung in Kommunikationstherapie e.V. die kurz- und längerfristigen Auswirkungen der Kursteilnahme auf die elterliche Erziehungskompetenz und das kindliche Verhalten. Laut Untersuchung verändern die Elternkurse KESS-erziehen (kooperativ-ermutigend-sozial-situationsorientiert) die elterliche Erziehungshaltung deutlich hin zu einem Erziehungsstil, der Kinder ermutigt und gegenseitiges Verständnis fördert, aber auch Regeln und notwendige Grenzen klar setzt. Über dreiviertel der Eltern integrierten wesentliche Kursinhalte auch ein Jahr nach der Teilnahme noch in ihren familiären Alltag. Selbstzweifel und Versagensgefühle der Eltern nähmen dauerhaft ab

Kardinal Georg Sterzinsky, Vorsitzender der Kommission für Ehe und Familie der Deutschen Bischofskonferenz, würdigte die Elternkurse bei der Vorstellung der Studie in Berlin und betonte, es gehe auch "bei der Weitergabe des Glaubens immer auch um die Entfaltung von Lebensmöglichkeiten, um die Reifung zu personaler Freiheit, um die Weitergabe von Welt- und Menschenbildern, Werten und Handlungsorientierungen. So sind christlicher Glaube und Erziehung in untrennbarer Weise miteinander verbunden."

Die praxisnahen KESS-Kurse vermitteln keine Erziehungsmethode, sondern eine verständnisvolle Erziehungshaltung, die sich an den grundlegenden Bedürfnissen des Kindes orientiert. "Wenn Kinder wiederholt in gleicher Weise nerven oder quengeln, empfinden viele Eltern dies als störend. Sie versuchen, das kindliche Verhalten durch Drohungen oder Schimpfen zu bekämpfen und geraten dadurch in einen entmutigenden Kreislauf", so Christof Horst, Projektleiter KESS-erziehen bei der AKF. "Wir vermitteln den Eltern, dass störendes Verhalten ein deutliches Signal ist, mit dem Kinder auf ihre eigenen Bedürfnisse, beispielsweise nach mehr Mitbestimmung, hinweisen."


Hinweis: Das Statement von Kardinal Sterzinsky im Wortlaut finden Sie im Anhang.

Weitere Informationen zu den Elternkursen KESS-erziehen sowie die vollständige Studie gibt es unter:
www.kess-erziehen.de


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Statement von Georg Kardinal Sterzinsky (Berlin) zum Fachgespräch über die Evaluation der KESS-Erziehungskurse

"Kinder sind Gäste, die nach dem Weg fragen", so sagt ein Sprichwort aus Asien. Es hebt darauf ab, Kindern mit Respekt zu begegnen und ihnen doch die Orientierung zu geben, derer sie bedürfen. Kinder hinterfragen das Alltägliche und Gewohnte. Sie suchen nach Orientierungspunkten, um ihren eigenen Weg durchs Leben zu finden. So sind Kinder immer auch Subjekte ihrer eigenen Entwicklung, Zugleich stehen sie eben erst am Anfang dieses komplexen Entwicklungsprozesses. Deshalb brauchen die Kinder Erwachsene, die sie und ihre Fragen ernst nehmen und mit ihnen gemeinsam nach Antworten suchen. Eltern und Erzieher müssen es als eine vorrangige Aufgabe betrachten, Kindern den Halt, die Orientierung und die Kenntnisse zu vermitteln, die sie für ihre Entwicklung und für das eigenständige Leben in dieser menschlichen Gesellschaft brauchen. Darauf haben die Kinder einen naturgegebenen Anspruch.

Eltern wollen sich dieser Verantwortung stellen. In einer Welt, die zunehmend als kompliziert und unübersichtlich erlebt wird, wollen sie ihren Kindern etwas mit auf den Lebensweg geben. Ihre Kinder sollen, je mehr sie sich selbständig ins Leben aufmachen, über eine Landkarte verfügen, die ihnen hilft, unter den vielen möglichen Wegen die richtigen auszuwählen. Sie sollen sich auch dann orientieren können, wenn sie auf sich selbst gestellt Neuland betreten. Dabei fällt es Eltern nicht immer leicht, ihren Kindern eine solche Landkarte zur Verfügung zu stellen. Sie empfinden sich selbst oft genug als Suchende, die der Orientierung bedürfen. Nicht wenige Eltern sehen sich deshalb in Fragen der Erziehung und insbesondere der religiösen Erziehung in einer Situation, in der sie den Kindern etwas mitgeben wollen, aber ratlos darüber sind, wie das geschehen kann. Elterliche Erziehungskompetenz erweist sich vor diesem Hintergrund als ein hohes und gefragtes Gut.

In dieser Situation ist es ein Ratschlag der Klugheit, sich fragend an die eigene Tradition der Orientierung zurückzuwenden und danach Ausschau zu halten, welche Werte und welche religiösen Bezüge sich als Wegmarken bewährt haben. Viele Eltern spüren das und fragen nach einer Unterstützung ihrer Erziehung und Wertevermittlung gerade auch seitens der Kirche.

Die Kirche, die Gemeinschaft der Glaubenden und pilgerndes Volk Gottes ist, hat nicht zufällig ein besonderes Interesse an der Erziehung und an der Weitergabe von Werten. Kirche ist aus ihrem Kern heraus eine Gemeinschaft der Weitergabe. Aus ihrem missionarischen Grundauftrag heraus geht es ihr um die Weitergabe des Glaubens. Kirche ist aufgerufen, von Generation zu Generation das Evangelium Jesu Christi zu verkünden und Rede und Antwort zu stehen über den Grund ihrer Hoffnung. Der christliche Glaube aber ist kein isoliertes, fertig verpacktes Stück Traditionsgut, das sich einfach nehmen und weitergeben lässt. Der Glaube bedarf der freien Annahme durch eine zur gereiften Freiheit gelangten Person und er ist nicht denkbar ohne umfassende Bedeutung für das ganze menschliche Leben. Deshalb geht es bei der Weitergabe des Glaubens immer auch um die Entfaltung von Lebensmöglichkeiten, um die Reifung zu personaler Freiheit, um die Weitergabe von Welt- und Menschenbildern, Werten und Handlungsorientierungen. So sind christlicher Glaube und Erziehung in untrennbarer Weise miteinander verbunden. Im Lauf der Geschichte hat sich dabei eine beachtliche Tradition entwickelt. Schon immer haben die Christen dabei auch den Diskurs mit nichtchristlichen Fachleuten in diesen Fragestellungen geführt: angefangen von den antiken Philosophen bis zu den modernen Human- und Erziehungswissenschaften.

Zu der Frage also, wie die Entfaltung kindlicher Anlagen und die Vermittlung von Grundeinstellungen und Wertoptionen gelingen kann und natürlich auch zu der Frage, wie Kinder in einer Weise mit Religion in Beziehung gebracht werden können, die durchs Leben zu tragen vermag, hat die Kirche daher aus ihrer eigenen, gewiss auch wechselhaften, Erfahrung viel beizutragen. Dementsprechend ist die Kirche in den Bereichen Betreuung, Erziehung und Bildung in hohem Maß engagiert.

So ist es kein Zufall, wenn gerade im Bereich der Kirche sich Menschen Gedanken über eine gute Erziehung machen, wenn Eltern gerade hier nach Unterstützung Ausschau halten und wenn schließlich gerade hier neue und tragfähige Konzepte der Unterstützung und Förderung von Eltern in ihrer Erziehungskompetenz entstehen. Das Konzept der KESS-Kurse: "kooperativ - ermutigend - sozial - situationsorientiert" entstammt ganz bewusst und konkret diesem Traditions- und Handlungszusammenhang der Kirche. Vor dem Hintergrund eines christlichen Verständnisses vom Menschen und von Erziehung haben die Autoren und Entwickler das Gespräch mit den modernen Human- und Erziehungswissenschaften gesucht und dabei das Ziel verfolgt, Eltern um ihrer Kinder willen in ihrem Erziehungsalltag zu stärken.

Eigentlich kann es nicht verwundern, dass dabei etwas Positives und wirklich Hilfreiches herauskommt - was zunächst einmal schon der Erfolg dieser Kurse über die ganze Bundesrepublik und darüber hinaus belegt. Nichts desto weniger ist es unabdingbar, diese hilfreiche Wirkung auch in wissenschaftlich kommunizierbarer Weise zu überprüfen und nachzuweisen. Das verlangt schon die unverzichtbare kritische Grundhaltung gegen sich selbst. Umso erfreulicher ist es, wenn die Ergebnisse einer solchen sozialwissenschaftlichen Evaluation vorgelegt werden können und wenn sie die vorausgegangenen Bemühungen in so eindrucksvoller Weise bestätigen, wie es uns im Anschluss noch präsentiert wird.

Bestätigung und Auftrag zur weiteren Arbeit an diesem lohnenswerten Projekt sind die beiden Seiten dieser Medaille. Die Wirkung des KESS-Grundkonzeptes, gerade auch was die Vernetzung des Arbeitsfeldes Erziehung anbelangt, scheint gerade erst mehr und mehr um sich zu greifen: Gut, wenn die Bemühungen hier viel Erfolg haben. Schließlich geht es um nicht weniger als die Kinder: Darum, sie als Gäste gut aufzunehmen und ihnen nach bestem Wissen und Gewissen den Weg zu weisen.


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Quelle:
Pressemitteilung Nr. 156 und 156a vom 29. September 2010
Herausgeber: P. Dr. Hans Langendörfer SJ,
Sekretär der Deutschen Bischofskonferenz
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veröffentlicht im Schattenblick zum 1. Oktober 2010