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KIRCHE/1101: Jamaika und die Vision vom gerechten Frieden (ÖRK)


Ökumenischer Rat der Kirchen - Feature vom 18. Februar 2011

Jamaika und die Vision vom gerechten Frieden

Von Annegreth Strümpfel


Jamaika - die idyllische Insel in der Karibik ist vor allem bekannt durch Reggae, tropisches Klima - und ein hohes Maß an Gewalt und Kriminalität. Ausgerechnet dort wird vom 17. bis 25. Mai 2011 die Internationale Friedenskonvokation stattfinden. Es ist die größte Friedensversammlung in der Geschichte des Ökumenischen Rats der Kirchen (ÖRK), zu der rund eintausend Christen aus allen Ländern der Welt anreisen werden.

Die Friedenskonvokation steht unter dem Motto "Ehre sei Gott in der Höhe" und ist das "Erntefest" der Dekade zur Überwindung von Gewalt, die seit 2001 die Friedensarbeit in den Mitgliedskirchen stärkt und vernetzt.

Fernando Enns, Moderator des internationalen Vorbereitungskommittees, erklärte während des Zentralausschusses des ÖRK: "Die Friedenskonvokation ist der Moment, an dem wir die Früchte der Arbeit der vergangenen Jahre sammeln, aber auch der Moment, an dem wir uns unsere Versäumnisse und Fehler eingestehen. Es ist zugleich der Zeitpunkt, wo wir uns fragen, wie wir weiter machen wollen."

In Bibelarbeiten, Andachten, Workshops und Plenarsitzungen werden sich die Teilnehmenden in Kingston mit vier Themenbereichen beschäftigen: Friede in der Gemeinschaft, Friede mit der Erde, Friede in Wirtschaft und Friede zwischen den Völkern. Insbesondere junge Menschen haben vielfältige Möglichkeiten, sich mit ihren Gaben und Ideen einzubringen.

Micheline Kamba Kasongo aus dem Kongo hat einen der insgesamt 140 vorgesehenen Workshops vorbereitet, der sich mit dem Thema beschäftigt, wie sich Frauen, die mit körperlichen Behinderungen in Krisengebieten in leben, für Frieden und Versöhnung einsetzen.

"Taube, blinde oder gehbehinderte Frauen können sich am wenigsten von allen vor sexuellem Missbrauch und Vergewaltigung schützen." Ziel des Workshops, der bereits mit Frauen im Kongo durchgeführt worden ist, sei es, über die Zustände zu informieren, Erfahrungen und Einsichten zu teilen und Frauen in ihrem Kampf gegen Missbrauch zu bestärken und zu unterstützen.


Die Vision vom gerechten Frieden

Die theologische Grundlage der Friedenskonvokation bildet der ökumenische Aufruf zum gerechten Frieden - ein Meilenstein in der Bestimmung einer ökumenischen Friedenstheologie. Gerechter Frieden wird in dem Aufruf verstanden als kollektiver und dynamischer Prozess, "der darauf ausgerichtet ist, dass Menschen frei von Angst und Not leben können, dass sie Feindschaft, Diskriminierung und Unterdrückung überwinden und die Voraussetzungen schaffen können für gerechte Beziehungen, die den Erfahrungen der am stärksten Gefährdeten Vorrang einräumen und die Integrität der Schöpfung achten." (§11)

Die Einladung, als Kirchen den Weg des gerechten Friedens zu gehen, sollen die Delegierten am ersten Tag der Konvokation in Jamaika entgegennehmen. Als Multiplikatoren sind sie aufgerufen, dieses Anliegen in ihre Heimatkirchen tragen.

Eingebettet in die Arbeit der Friedenskonvokation sind acht Seminare für Studierende, die sowohl das Thema des Gerechten Friedens als auch die vier Themenbereiche theologisch reflektieren. Theologiestudierende können sich bis zum 1. April 2011 um eine Teilnahme an diesem Programm bewerben [1], das in Kooperation zwischen dem United Theological College of the West Indies mit der Boston University School of Theology durchgeführt wird. Ziel der Seminare, die auch an Heimatuniversitäten geltend gemacht werden können, ist es, ökumenische Bildung durch theologische Reflexion und eigenes Erleben zu stärken.


Die Vorbereitungen laufen auf Hochtouren

Für die Kirchen in der Karibik ist die Friedenskonvokation ein überragendes Ereignis. Gary Harriott, Generalsekretär des Nationalen Kirchenrats von Jamaika, ist für die Organisation der Friedenskonvokation vor Ort verantwortlich. "In diesem Jahr feiert der Nationale Kirchenrat von Jamaika sein 70-jähriges Bestehen. Dass wir diesen Geburtstag mit der weltweiten Ökumene feiern dürfen, ist für uns ein Geschenk", erklärt Harriott.

Die Vorbereitungen vor Ort laufen gut. Viele Menschen aus den Gemeinden sind engagiert und helfen in der Logistik und Organisation. Auch auf politischer Ebene wird die Friedenskonvokation wohlwollend aufgenommen. "Die politische Führung des Landes, Generalgouverneur Sir Patrick Allen und Premierminister Bruce Golding haben ihre Unterstützung zugesagt", berichtet Harriott freudig.

Doch nicht nur die Verbindung zu politischen Entscheidungsträgern des von Gewalt geprägten Landes ist für die Kirchen entscheidend. Wichtig ist für Harriott, dass die Friedenskonvokation in Kontakt mit lokalen Friedensprojekten tritt.

Dazu wird es gleich am ersten Tag für die Teilnehmenden Gelegenheit geben. "Wir hoffen, dass es bei diesen Besuchen zu einem wirklichen Austausch von Erfahrungen und Geschichten kommen wird. Der Dialog und das gegenseitige Zuhören ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg zum gerechten Frieden."

Einen kulturellen Höhepunkt für die Kirchen in Jamaika bildet das Konzert für den Frieden, zu dem Musiker eingeladen sind, ihre Friedensbotschaft zu überbringen. Das Konzert findet in Kingston statt und soll auf der ganzen Insel über Radio ausgestrahlt werden.


Sich aus der Ferne beteiligen

Am Sonntag, den 22. Mai [2], sind Christen in allen Teilen der Welt dazu aufgerufen, die Gottesdienste in ihren Heimatkirchen mit der Friedenskonvokation zu verknüpfen. Lieder, Bibeltexte und Gebete - zum Beispiel das von den karibischen Kirchen formulierte Friedensgebet [3] - können in Gottesdienste an allen Orten der Erde integriert werden. Die Hoffnung ist, dass eine weltweite Welle des Lobpreises und des Gebets für den Frieden entsteht, die von Jamaika über Afrika und Europa bis nach Asien reicht.


Annegreth Strümpfel ist Theologin und Lateinamerikanistin und promoviert im Rahmen eines DFG-Forschungsprojekt zur Geschichte des ÖRK in den 1960er und 1970er Jahren.
Website der Friedenskonvokation: www.gewaltueberwinden.org
http://www.oikoumene.org/index.php?RDCT=1dbf71f45a9337d53dd1


[1] http://www.oikoumene.org/index.php?RDCT=cc53d2d0529ad40a8b18
[2] http://www.oikoumene.org/index.php?RDCT=07585aef170a485656ca
[3] http://www.oikoumene.org/index.php?RDCT=81c2271f822fd9a02804

Gottesdienstbausteine für den 22. Mai:
www.gewaltueberwinden.org/friedenssonntag
http://www.oikoumene.org/index.php?RDCT=9274a8c56e89d49b943b

Bewerbungsinformationen für das Seminarprogramm (auf Englisch)
http://www.oikoumene.org/index.php?RDCT=95c03a14a839b415a7e2

Weitere Informationen zur Tagung des Zentralausschusses:
http://www.oikoumene.org/index.php?RDCT=6c1fb8ae305ca3c44ffe

Der Ökumenische Rat der Kirchen fördert die Einheit der Christen im Glauben, Zeugnis und Dienst für eine gerechte und friedliche Welt. 1948 als ökumenische Gemeinschaft von Kirchen gegründet, gehören dem ÖRK heute mehr als 349 protestantische, orthodoxe, anglikanische und andere Kirchen an, die zusammen über 560 Millionen Christen in mehr als 110 Ländern repräsentieren. Es gibt eine enge Zusammenarbeit mit der römisch-katholischen Kirche. Der Generalsekretär des ÖRK ist Pfarrer Dr. Olav Fykse Tveit, von der (lutherischen) Kirche von Norwegen. Hauptsitz: Genf, Schweiz.


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Quelle:
Feature vom 18. Februar 2011
Herausgeber: Ökumenischer Rat der Kirchen (ÖRK)
150 rte de Ferney, Postfach 2100, 1211 Genf 2, Schweiz
E-Mail: ka@wcc-coe.org
Internet: www.wcc-coe.org


veröffentlicht im Schattenblick zum 22. Februar 2011