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KIRCHE/1363: USA - Vatikan will Frauenorden reformieren (Herder Korrespondenz)


Herder Korrespondenz
Monatshefte für Gesellschaft und Religion - 6/2012

USA: Vatikan will Frauenorden reformieren



Ein Untersuchungsbericht der vatikanischen Glaubenskongregation moniert weit reichende Abweichungen von der Lehre der Kirche bei einem Teil der US-amerikanischen Ordensfrauen bzw. Ordensoberinnen. Deren größter Dachverband muss sich jetzt umfassenden Reformen unterziehen.


Angesichts der harschen und sehr grundsätzlichen Kritik, mit der die vatikanische Glaubenskongregation in einem achtseitigen Untersuchungsbericht eine tief reichende Reform der "Leadership Conference of Woman Religious" (LCWR) fordert und begründet, wirken das knappe Lob zu Beginn des Schreibens lustlos, fast pflichtschuldig: Man würdige durchaus die großen und wertvollen Dienste der Frauenorden in Schulen, Krankenhäusern, ihren Einsatz für Arme und gesellschaftlich Marginalisierte.

Vermutlich rechneten die Glaubenskongregation oder auch die amerikanischen Bischöfe mit der breiten Welle der Sympathiebekundungen und Unterstützung für die Ordensfrauen, die gerade wegen ihres karitativen Einsatzes nicht nur bei Katholiken in den USA hohes Ansehen genießen - ein weit besseres als beispielsweise die US-Bischofskonferenz. Deren gesellschaftliches Image ist nach wie vor durch die Missbrauchsskandale vor einigen Jahren beschädigt.

Rasch kursierten so auch Unterschriftenlisten, organisierten Pfarrgemeinden Solidaritätsaktionen zur Unterstützung der LCWR, des mit Abstand größten Dachverbandes von Ordensfrauen in den USA, dem nach eigenen Angaben rund 80 Prozent der etwa 57.000 Ordensfrauen in den USA angehören. Offenbar befürchtet man Schlimmes. Auch die US-amerikanischen Medien griffen den Vorgang auf und mancher Beobachter mutmaßte, dass das harte Vorgehen des Vatikans gegen die Ordensoberinnen, vor allem den amerikanischen Bischöfen schaden werde.

Ende April hat die US-amerikanische Bischofskonferenz einen Untersuchungsbericht zu einigen "sehr ernsten Problemen, die kirchliche Lehre betreffend", veröffentlicht, nur kurz nachdem der nach Rom gereisten LCWR-Führung selbst Einsicht gewährt worden war.


Der zentrale Vorwurf an die Führungskonferenz der Frauenorden lautet: Bei der thematischen Gestaltung und Referentinnenauswahl der LCWR-Vollversammlungen, in Publikationen oder den Ausbildungs- und Fortbildungsprogrammen mangele es seit Jahren und in eklatanter Weise an Übereinstimmung mit dem kirchlichen Lehramt, zeigten sich in allem deutliche und "weit reichende Abweichungen" von der kirchlichen Lehre (der Bericht ist dokumentiert in "Origins", dem Dokumentationsservice von CNS, der offiziellen US-amerikanischen katholischen Nachrichtenagentur, Nr. 46, 26. April 2012).

Zum Teil erstaunlich detailliert - ganz anders also als bei der Würdigung der wertvollen Verdienste - werden in dem Bericht dabei die einzelnen Vergehen des Ordensfrauen-Dachverbandes geschildert; in vielem sieht man von Seiten der Glaubenskongregation dabei einen "radikal-feministischen" Geist am Werk, beispielsweise in einer Patriarchatskritik, die die sakramentale Struktur der Kirche in Frage stelle. Konkret beklagt man etwa auch, der LCWB stelle sich nicht eindeutig genug hinter die lehramtlich von Johannes Paul II. entschiedene Ablehnung der Frauenordination.


Zu regierungsfreundlich?

Überhaupt geht es der Glaubenskongregation offenbar besonders darum, was die Vertreterinnen, Referentinnen der LCWR alles nicht gesagt oder getan haben, was in deren Agenda und öffentlichen Stellungnahmen fehlt, wo sie vor allem auch die Bischöfe des Landes deutlicher hätten unterstützen sollen: in Fragen des Lebensschutzes beispielsweise, des Schwangerschaftsabbruchs wie der Euthanasie. Bemängelt wird auch die nicht gewünscht eindeutige Positionierung der Ordensfrauen zum Umgang mit homosexuell lebenden Menschen, wie ihn die Kirche in ihrer Sexualmoral doch lehre.

Während sich ein Großteil der Arbeit der LCWR auf Fragen der sozialen Gerechtigkeit durchaus in Übereinstimmung mit der katholischen Soziallehre konzentriere, bleibe, so die Glaubenskongregation, der Dachverband der Ordensfrauen in diesen Angelegenheiten still - obwohl diese doch von zentraler Bedeutung für das Leben der Kirche wie der Gesellschaft seien.

Ausdrücklich kritisiert wird auch die Zusammenarbeit der Ordensfrauen mit sozialpolitischen Organisationen und Lobbygruppen, deren Positionen gleichfalls nicht mit denen der Kirche und der amerikanischen Bischöfe übereinstimmten.


Es waren vor allem diese Aussagen, die vor dem Hintergrund des in den USA begonnenen Präsidentschaftswahlkampfs und dem latenten Konflikt zwischen der Obama-Regierung und der US-amerikanischen Bischofskonferenz besondere öffentliche Aufmerksamkeit erlangten. Und zusätzlich Spekulationen anheizten über den Zeitpunkt der Veröffentlichung wie die wahre Autorenschaft des Berichts.

Welchen Anteil haben beispielsweise die Bischöfe selbst an der vatikanischen "Abmahnung" der LCWR - unabhängig davon, dass in den einschlägigen römischen Dikasterien US-Amerikaner eine wichtige Rolle spielen, allen voran Kardinal William J. Levada als Präfekt der Glaubenskongregation. Gab für die Veröffentlichung des Untersuchungsberichts zu diesem Zeitpunkt eine vermeintlich zu regierungsfreundliche Haltung der LCWR den Ausschlag, konkret die Unterstützung einiger Ordensfrauen für die vom Präsidenten betriebene Reform des Gesundheitswesens (ein ausführlicher Bericht hierzu folgt im nächsten Heft der Herder Korrespondenz)?


Ein überraschendes Vorgehen

Die Untersuchung der LCWR durch die Glaubenskongregation steht dabei im größeren Kontext einer von der vatikanischen Ordenskongregation im April 2008 initiierten so genannten Apostolischen Visitation der Frauenorden in den USA (vgl. HK, November 2010, 575 ff.). Deren offizieller Anlass waren Nachwuchsmangel und die daraus resultierende zunehmende Überalterung der Frauenorden in den USA. Dabei wurde jedoch von vielen Seiten der Verdacht geäußert, die in den USA sich zum Teil vor allem gegenüber der Bischofskonferenz recht autonom verstehenden und selbstbewusst auftretenden Frauenorden sollten stärker am Zügel genommen werden. Der Abschlussbericht dieser Visitation wurde dem Apostolischen Stuhl Ende 2011 übergeben.

Im April 2008 hatte, dem Bericht nach, der Präfekt der Glaubenskongregation das Präsidium der LCWR über eine eigene Untersuchung des Dachverbandes informiert. Mit der Untersuchung selbst wurde später Leonard P. Blair, der Bischof von Toledo (Ohio) beauftragt. Im Januar dieses Jahres wurden die Ergebnisse dieser Überprüfung dem Präfekten und den Bischöfen der Glaubenskongregation übergeben und Kardinal Levada unterrichtete demnach kurz darauf Benedikt XVI. über die gegenwärtige doktrinäre und pastorale Situation der LCWR, die, so der Untersuchungsbericht, "Anlass zu ernster Sorge gebe, auch wegen des Einflusses der LCWR auf Frauenorden in anderen Teilen der Welt". Die Glaubenskongregation beschloss daraufhin, nach eigenen Worten, mit "klugen Maßnahmen" im Sinne einer grundlegenden Reform der LCWR zu intervenieren.


Mit dem durch den Untersuchungsbericht begründeten Prozess der "Überprüfung und Lenkung" der LCWR nach Maßgabe, deren Übereinstimmung mit der kirchlichen Lehre und dem kirchlichen Recht sicherzustellen, wurde der Erzbischof von Seattle, J. Peter Sartain, beauftragt. Unterstützung soll dieser von den Bischöfen von Toledo und Springfield (Illinois), Leonard P. Blair und Thomas J. Paprocki bekommen. Berichten wird das Trio an die Glaubenskongregation, die Ordenskongregation sowie die Bischofskongregation. Für diesen umfassenden Reformprozess scheinen der Glaubenskongregation fünf Jahre nötig zu sein. Ausdrücklich wird Erzbischof Sartain zur engen Zusammenarbeit mit der US-amerikanischen Bischofskonferenz aufgefordert.

Ein Beratungsgremium aus Klerikern, Ordensfrauen und Sachverständigen soll helfen, die nötigen Reformschritte umzusetzen: Dabei sieht die Glaubenskongregation unter anderem eine Revision der LCWR-Statuten vor, eine Überarbeitung der Vollversammlungsplanungen, der Publikationen, der Ausbildungs- und Fortbildungsprogramme und der hierfür verwendeten Materialien. Auch die Kooperationspartner der Ordensfrauen kommen auf den lehramtlichen Prüfstand. Die von den Mitgliedsorden des LCWR verwendeten liturgischen Texte und Agenden sollen grundlegend überarbeitet werden, damit wieder die Eucharistiefeier und das Stundengebet ihre geforderte Priorität erhielten.

Die Führung der LCWR hat auf die Veröffentlichung des Untersuchungsberichts zunächst nur mit einer knappen Stellungnahme reagiert. Dabei zeigten sich die Ordensfrauen erstaunt über das Vorgehen, treffe sich der Verband doch beispielsweise regelmäßig einmal im Jahr mit den zuständigen römischen Behörden und folge zudem den vom Vatikan genehmigten Statuten. Die Kritik selbst wird die Ordensfrauen kaum überrascht haben. Der harsche Ton und der Zeitpunkt der Veröffentlichung wahrscheinlich schon.


Alexander Foitzik, Dipl. theol., geboren 1964 in Heidelberg. Studium der Katholischen Theologie in Freiburg und Innsbruck. Seit 1992 Redakteur der Herder Korrespondenz.

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Quelle:
Herder Korrespondenz - Monatshefte für Gesellschaft und Religion,
66. Jahrgang, Heft 6, Juni 2012, S. 279-281
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veröffentlicht im Schattenblick zum 4. September 2012