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KIRCHE/594: Migration - Gastfreundschaft gegenüber Fremden ist nicht optional (ÖRK)


Ökumenischer Rat der Kirchen - Pressemitteilung vom 18. April 2008

Migration: Gastfreundschaft gegenüber Fremden ist nicht optional


"Migration ist eine Tatsache. Sie resultiert aus dem menschlichen Überlebensinstinkt und unweigerlich auch aus der Globalisierung. Wir können sie weder ignorieren noch kontrollieren", heißt es in einer Erklärung der Teilnehmenden an einem Öffentlichen Hearing über Migration und den Wandel in der kirchlichen Landschaft, das vom 15.-16. April in Beirut (Libanon) stattgefunden hat. "Migranten sind keine Ware, keine illegalen Fremden oder bloße Opfer, sie sind Menschen."

Menschen in aller Welt verlassen ihre Heimatländer auf der Suche nach Sicherheit, Freiheit oder einem besseren Leben. Die daraus resultierenden Migrationsströme stellen die Kirchen vor Herausforderungen, da Migranten ihre eigenen Traditionen und Werte in die Ortsgemeinden mitbringen oder ihre eigenen religiösen Gemeinschaften gründen. Gleichzeitig müssen die Kirchen ihrem Auftrag gerecht werden, den Schwachen beizustehen, und Migranten und Flüchtlingen aktiv helfen und ihre Stimme für sie erheben, wenn sie zu Opfern werden. Das globale Phänomen sowie die Wirklichkeit der Migration im Nahen Osten standen im Mittelpunkt des Hearings.

"Die gastfreundliche Aufnahme von Fremden ist für Christen nicht optional. Sie darf auch an keine Bedingungen geknüpft sein", betonte der Generalsekretär des Ökumenischen Rates der Kirchen (ÖRK), Pfr. Dr. Samuel Kobia, der am Dienstag das Wort an die Hearingsteilnehmenden richtete. Die Kirche sollte ihre Gastfreundschaft in einer "Zeit, in der neue Formen der Migration entstehen," stärken und gleichzeitig "das Recht der Menschen verteidigen, sich in ihrem eigenen Land frei zu bewegen und, wenn dies nicht möglich ist, ihre Heimat zu verlassen und ihr gottgegebenes Recht auf ein menschenwürdiges Leben in einem anderen Land zu leben", fügte er hinzu.

Der Generalsekretär der Asiatischen Christlichen Konferenz, Dr. Prawate Kid-arn, gedachte in seiner Ansprache der 54 Birmanen, die eine Woche zuvor in einem Lastwagen erstickt waren, der sie nach Thailand schmuggeln sollte, und rief zu einer positiven Einstellung gegenüber Migranten auf. "Die Migration ist Ausdruck des Muts und des Willens einzelner Menschen, Not und Elend zu überwinden und ein besseres Leben anzustreben." Für Kid-arn besteht die wirksamste Vorbeugung gegen Menschenhandel darin, "legale Migrationskanäle und Beschäftigungsmöglichkeiten zu schaffen, die nationalen Standards entsprechen".

Diese Meinung vertrat auch Doris Peschke, die Generalsekretärin der Kommission der Kirchen für Migranten in Europa, die die Migrations- und Asylpolitik der Europäischen Union "widersprüchlich und ambivalent" nannte. Als positives Beispiel nannte Peschke die innereuropäische Migration, die "nicht mit Ausländergesetzen, sondern mit sozialen und Integrationsprogrammen" gelenkt werde. Sie fügte hinzu, dass dieser Ansatz auch für Staatsangehörige von Drittstaaten gelten müsse.

Migration im Libanon

Der Libanon und ganz allgemein die Länder des Nahen Ostens sind sowohl Herkunfts- als auch Zielländer von und für Wanderarbeiter/innen und Flüchtlinge. Vertreter/innen der lokalen Zivilgesellschaft leisteten einen signifikanten Beitrag zum Hearing wie auch zur Eröffnungsveranstaltung und leitende Verantwortliche der sechs größten muslimischen und christlichen Gemeinschaften des Landes stellten den Libanon als Modell einer religiös pluralistischen Gesellschaft dar und verpflichteten sich, die Frage der Migration gemeinsam anzugehen.

"Die christliche Emigration muss gestoppt werden. Christen, kommt zurück!", appellierte Professor Ibrahim Shamseddine in einer Sitzung des Hearings, die sich mit den Auswirkungen des nahöstlichen Friedensprozesses - bzw. des Fehlens eines solchen Prozesses - auf die Migration beschäftigte. "Ich vertrete diese Meinung nicht, weil ich ein Gemäßigter bin, sondern weil ich ein Fundamentalist bin, der am islamischen Grundsatz der Gewaltlosigkeit festhält."

Christliche Studierende aus dem Libanon brachten mit bewegenden Worten ihr Zugehörigkeitsgefühl zu ihrem Land zum Ausdruck, obwohl sie wie alle Akademiker mit der Frage konfrontiert sind: "Warum bleibe ich hier?" "Die libanesische Gesellschaft ist weniger ein Schmelztiegel als ein Taboulé, in dem verschiedene Zutaten eine sehr gelungene Mischung ergeben", erklärte Nayiri Kalaydijan, Studentin an der Haigazian-Universität.

Die Immigration in den Libanon, insbesondere von weiblichen Hausangestellten, erwies sich als kontroverses Thema. Während eine sri-lankische Teilnehmerin die Behandlung asiatischer Arbeitskräfte durch die Einwanderungsbehörden anprangerte, erklärte ein Regierungsvertreter, die libanesische Einwanderungsbehörde sei die erste in der Region, die die Anwendung von Gewalt gegen verhaftete Ausländer für rechtswidrig erklärt hätte.

Dr. Ray Jureidni, Professor für Zwangsmigrations- und Flüchtlingsstudien an der amerikanischen Universität in Kairo, der seine Forschung über ausländische Hausangestellte im Libanon vorstellte, bestätigte, dass es bei der Behandlung von Migranten beachtliche Fortschritte gegeben habe, und hob den positiven Einfluss des katholischen Hilfswerks Caritas in Gefangenenlagern hervor.

Die Themen, mit denen sich das Öffentliche Hearing beschäftigte, werden vom 17.-18. April Gegenstand der Tagung des Globalen ökumenischen Netzwerks für Migrationsfragen (GEM) sein, das regionale ökumenische Organisationen, Kirchen und christliche Einrichtungen, die sich mit der Migrationsproblematik in aller Welt beschäftigen, zusammenbringt.

Sowohl das Öffentliche Hearing als auch die Tagung des GEM werden gemeinsam vom ÖRK und dem Rat der Kirchen im Mittleren Osten (MECC) organisiert und vom Armenischen Katholikat von Kilikien in Beirut (Libanon) ausgerichtet.


Voller Text der Erklärung des Öffentlichen Hearings "Wandel im kirchlichen Kontext: Auswirkungen der Migration auf das Zusammenleben":
http://www.oikoumene.org/index.php?id=5779

Weitere Informationen zum Globalen ökumenischen Netzwerk für Migrationsfragen
http://www.oikoumene.org/de/programme/gerechtigkeit-diakonie-und-die-verantwortung
-fuer-die-schoepfung/migration-und-soziale-gerechtigkeit/netzwerk-fuer-migrationsfragen.html

Rat der Kirchen im Mittleren Osten
http://www.mec-churches.org

Der Ökumenische Rat der Kirchen fördert die Einheit der Christen im Glauben, Zeugnis und Dienst für eine gerechte und friedliche Welt. 1948 als ökumenische Gemeinschaft von Kirchen gegründet, gehören dem ÖRK heute mehr als 349 protestantische, orthodoxe, anglikanische und andere Kirchen an, die zusammen über 560 Millionen Christen in mehr als 110 Ländern repräsentieren. Es gibt eine enge Zusammenarbeit mit der römisch-katholischen Kirche. Der Generalsekretär des ÖRK ist Pfr. Dr. Samuel Kobia, von der Methodistischen Kirche in Kenia. Hauptsitz: Genf, Schweiz.


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Quelle:
Pressemitteilung vom 18. April 2008
Herausgeber: Ökumenischer Rat der Kirchen (ÖRK)
150 rte de Ferney, Postfach 2100, 1211 Genf 2, Schweiz
E-Mail: ka@wcc-coe.org
Internet: www.wcc-coe.org


veröffentlicht im Schattenblick zum 19. April 2008