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MELDUNG/037: Kooperationen zwischen Muslimen und Christen (idw)


Friedrich-Schiller-Universität Jena - 13.01.2014

Kooperationen zwischen Muslimen und Christen

Slawisten der Universität Jena starten neues Südosteuropa-Forschungsprojekt



Für ihr Vorhaben eines Gegenentwurfs zu jenen wissenschaftlichen Arbeiten, die sich lediglich auf die Konflikte des Zusammenlebens von Christen und Muslimen auf dem Balkan konzentrieren, erhalten Slawisten der Universität Jena eine Förderung der "Gerda Henkel Stiftung".

"Symbiosen und Kooperationen zwischen Christen und Muslimen in mehrheitlich muslimisch bewohnten Regionen Südosteuropas" lautet der offizielle Titel des neuen Forschungsprojekts. Geleitet wird es vom Südslawisten Prof. Dr. Thede Kahl. Sein Mitarbeiter Francesco Reinerio stammt ursprünglich aus Turin und hat unlängst in Jena seinen Masterabschluss in Südosteuropastudien absolviert. Ihm wurde durch die "Gerda Henkel Stiftung" ein zweijähriges Promotionsstipendium bewilligt, das er gerade angetreten hat. Die Fördersumme beläuft sich auf fast 40.000 Euro.

Geforscht wird im neuen Projekt nicht etwa vom Schreibtisch aus, sondern im Rahmen mehrerer Reisen direkt vor Ort. Im Frühjahr wird Reinerio zunächst Südwestserbien und anschließend Montenegro besuchen. Dabei will er, unter anderem durch Interviews, sowohl von Entscheidungsträgern aus der Wirtschaft als auch von anderen Einheimischen, Eindrücke aus erster Hand erhalten.

Ungeachtet der Tatsache, dass der Anteil der Muslime in Bosnien bei etwa 50 Prozent, in Albanien sogar bei etwa 70 Prozent liege, sei der Islam in Südosteuropa ein anderer als im arabischen Raum, erläutert Prof. Kahl. Allerdings würden im Unterschied zum damaligen Jugoslawien, in dem der Religionsausübung eine eher marginale Rolle zukam, Phänomene einer partiellen, aber undramatischen Radikalisierung sichtbar: etwa Kopftücher oder bestimmte Frisuren. "In Südosteuropa lebt vor allem die große Gruppe der Bektaschi, die einen durch Mystik geprägten Volksislam leben", erklärt Prof. Kahl. Jene Bektaschi seien keine Fundamentalisten, lebten nicht nach der Scharia. Ja, sie besuchten nicht einmal Moscheen, sondern Tekken genannte Rückzugsorte, an denen sie bei den "Babas" Rat finden.

Das Projekt der Jenaer Slawisten möchte vor allem aufzeigen, "wie im Bereich lokaler und transnationaler Kooperation religiöse und ideologische Barrieren überwunden werden und wie diese zu einem Dialog muslimischer und nichtmuslimischer Partner beitragen können", so Südosteuropa-Experte Kahl. "Unser Ziel ist es, hierdurch Aussagen über die Modernität und Integrationsfähigkeit des Islams in dieser Region zu machen", umreißt er das Vorhaben. Besonders auffällig seien auch Überlagerungen in zahlreichen Bereichen der Volkskultur oder gemeinsamer interethischer, interkonfessioneller religiöser Rituale. Prof. Kahl spricht von einer "Transreligiosität", einer das friedliche Zusammenleben fördernden religiösen Annährung. Hätte es die Nationalstaatlichkeitsbestrebungen nicht gegeben, wäre gar die Entstehung einer Mischreligion denkbar gewesen, meint Kahl.

Im alltäglichen Zusammenleben habe sich die unterschiedliche Religionszugehörigkeit als relativ gleichgültig für das Miteinander erwiesen. Dies sei zwar nicht unbedingt gleichbedeutend mit einer gemeinsamen Freizeitgestaltung, mit einem lebensweltlichen Zusammenwachsen von Muslimen und Christen aber schon. Vor allem im ländlichen Raum soll nun nach Phänomenen gesucht werden, die aus größeren Städten bekannt sind - etwa nach muslimischen Unternehmern, die Christen einstellen. Oder nach gegenseitigem Sich-Ergänzen in der Landnutzung durch Viehwirtschaft und Ackerbau. "Unser Augenmerk liegt auf den Symbiosen - und wir suchen nach neuen Belegen dafür."

Weitere Informationen unter:
http://www.uni-jena.de

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/de/institution23

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Friedrich-Schiller-Universität Jena, Constanze Alt, 13.01.2014
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 15. Januar 2014