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MELDUNG/022: Universität Tübingen startet "Zentrum für islamische Theologie" (idw)


Eberhard Karls Universität Tübingen - 30.09.2011

Universität Tübingen startet ihr "Zentrum für islamische Theologie"

Am 10. Oktober nimmt das Tübinger Zentrum für Islamische Theologie den Lehrbetrieb auf. In einem Pressegespräch stellte die Universität heute Wissenschaftler und Studierende vor.


Tübingen ist künftig Standort für eines von vier deutschen Zentren für Islamische Theologie. 24 Studierende sind an der Universität zum Wintersemester 2011/12 für den Bachelorstudiengang "Islamische Theologie" eingeschrieben, als erster Professor wurde der Koranwissenschaftler Dr. Omar Hamdan berufen. Im Nachfolgenden haben wir Ihnen Informationen zu Entwicklungsgeschichte und Idee des Zentrums, zum neuen Studiengang und zu den beteiligten Personen zusammengestellt.


Entwicklungsgeschichte

Das Tübinger Zentrum wird auf Empfehlung des Wissenschaftsrats eines von vier bundesweiten Zentren für Islamische Theologie sein. Der Bund finanziert für fünf Jahre mit insgesamt vier Millionen Euro Forschungsprofessuren, Mitarbeiterstellen und Nachwuchsgruppen. Das Tübinger Zentrum wird nach Ablauf der Bundesförderung vom Land Baden-Württemberg in der Endausbaustufe mit rund 1,3 Millionen Euro jährlich gefördert. Islamische Studien sind an deutschen Hochschulen bislang nicht etabliert - eine Tatsache, die der Bedeutung der größten nichtchristlichen Glaubensgemeinschaft in Deutschland nicht gerecht wird. Zudem ist der Bedarf an islamischen Religionslehrern groß: Bis zu 2.000 Lehrer werden nach Schätzungen des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) in den nächsten Jahren für rund 700.000 muslimische Schülerinnen und Schüler benötigt. "Die neuen Zentren bieten nicht nur hervorragende Voraussetzungen für einen verstärkten theologischen Diskurs in den Hochschulen. Wir wollen zugleich dazu beitragen, dass die vier Millionen Muslime, die in Deutschland leben, in unserer Gesellschaft beheimatet sein können", sagt Bundesbildungsministerin Annette Schavan.


Gründe für den Standort Tübingen

Tübingen hatte im Oktober 2010 den Zuschlag bekommen, weil es nach Auffassung des BMBF eine gute Ausgangslage bot, um die fachlichen und organisatorischen Herausforderungen für die Etablierung Islamischer Studien zu bewältigen. Gefordert war ein gutes inhaltliches Konzept, für den Standort Tübingen sprechen aber auch die zahlreichen fachlichen Kooperations- und Vernetzungsmöglichkeiten und damit ein ideales gesamtuniversitäres Umfeld. Zu nennen sind im Speziellen:

• eine breit ausgebaute und international angesehene Islamwissenschaft und arabische Philologie, mit einem Schwerpunkt auf dem Gebiet der islamischen Philosophie und Religionsphilosophie sowie gut ausgebaute, für die Islamwissenschaft und Islamische Theologie unverzichtbare Philologien (neben Arabisch vor allem Türkisch und Persisch)

• ein breites Angebot an religionswissenschaftlicher Lehre und Forschung sowohl im Rahmen der Fakultät für Kulturwissenschaften als auch an den beiden theologischen Fakultäten, zu denen Lehrstühle sowohl für Religionswissenschaft - im Falle der Evangelisch-Theologischen Fakultät ausdrücklich als "Lehrstuhl für Religionswissenschaft mit Schwerpunkt Islam und Judaistik" definiert - als auch für interkulturelle Theologie (mit Schwerpunkt Dialog der Religionen) gehören

• zwei gut ausgebaute, international angesehene, in Forschung und Lehre sowohl untereinander als auch mit anderen Fakultäten eng kooperierende theologische Fakultäten, die seit mehr als 20 Jahren auf dem Gebiet interkulturellen und interreligiösen Dialogs und interkultureller Theologie über entsprechende Kompetenz und Erfahrung verfügen

• internationale Kooperationen der Arabistik und Islamwissenschaft mit Universitäten und universitären Einrichtungen in der islamischen Welt wie auch Kooperationsvereinbarungen der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Universität Tübingen mit der Islamisch-Theologischen Fakultät Sarajevo und der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Tübingen mit entsprechenden Islamisch-Theologischen Fakultäten der Universität Istanbul und der Dokuz Eylül Universität Izmir

• die breit ausgebaute Religionspädagogik an beiden Theologischen Fakultäten und das Evangelische bzw. Katholische Institut für Berufsorientierte Religionspädagogik (EIBOR / KIBOR), die in Forschung und Lehre ihre Schwerpunkte auf dem Gebiet des interkulturellen, interreligiösen Lernens haben und mit den Pädagogischen Hochschulen zusammenarbeiten

• der Forschungsschwerpunkt "Religion und Politik" im Rahmen der Politikwissenschaft und der "Arbeitsbereich Vorderer Orient und Vergleichende Politikwissenschaft", sowie der Schwerpunkt Zentralasien im Rahmen der Ethnologie und die Einrichtung einer Professur im Bereich der Soziologie mit Schwerpunkt "Bildungsforschung in Migrations- bzw. Integrationskontexten"

• Ein umfassendes Fächerangebot in den Lehramtsstudiengängen, das für all jene Studierende relevant ist, die Islamische Theologie in Kombination mit einem weiteren Lehramtsstudienfach zu studieren wünschen

• Zudem liegt Tübingen in unmittelbarer räumlicher Nähe zu Stuttgart mit seinen 70.000 Muslimen und 26 muslimischen Gemeinden und Vereinen



Studierende

Zum Wintersemester 2011/12 startet der Lehrbetrieb für die ersten 24 Studierenden (Stand 28.09.2011). Für die 40 Studienplätze gingen insgesamt 42 Bewerbungen aus aller Welt ein. Die eingeschriebenen Studierenden - derzeit 15 Frauen und neun Männer - kommen aus aller Welt, 20 von ihnen leben bereits in Baden-Württemberg.


Curriculum und Vernetzung

Das Tübinger Zentrum ist eine zentrale Einrichtung, als akademischer Lehr- und Forschungsbereich bietet es ein breit gefächertes Studium der Islamischen Theologie. Die Forschung soll auf ein international anerkanntes Niveau gestellt werden. Der 8-semestrige Bachelorstudiengang "Islamische Theologie" versteht sich als eine bekenntnisbezogene Disziplin, die Islamische Theologie auch mit allgemeinen geistes-, kultur-und sozial-wissenschaftlichen Fragestellungen verbindet. Dazu gehört die Beschäftigung mit religiösem Quellenmaterial, aber auch die Auseinandersetzung mit der religiösen Glaubenspraxis und deren Vermittlung. Darüber hinaus befasst sich der Studiengang mit der islamischen Religion im europäischen und deutschen Kontext und vermittelt interreligiöse und interkulturelle Kompetenzen. Ergänzend sollen ein Masterstudiengang sowie ein Lehramtsstudiengang entwickelt werden.

Bei der Besetzung der Professuren gilt, analog zu den christlich-theologischen Fakultäten, das Prinzip der Konfessionsbindung. Es ist die Aufgabe des Beirats, diese bei der Besetzung der Professuren sicherzustellen. Die wissenschaftliche Eignung und akademische Exzellenz der Professoren wird alleine durch die Universität geprüft und gewährleistet.

Um ein Mindestmaß an innerislamischem Pluralismus abzubilden, ist die Einrichtung von sechs Lehrstühlen zu folgenden Fachrichtungen vorgesehen:

- Koranwissenschaften
- Hadith-Wissenschaften und Prophetische Tradition
- Islamisches Recht (Rechtsquellen und Methodologie der Rechtsfindung, Rechtsgeschichte)
- Islamische Glaubenslehre
- Islamische Geschichte / Geschichte der islamischen Länder
- Religionspädagogik

Der Bereich Arabische Literatur und Islamsprachen (Persisch, Türkisch) wird durch bestehende Einrichtungen wie das Orientalische Seminar, Arabistik und Islamwissenschaft abgedeckt. Ein Semester ist für den Auslandsaufenthalt vorgesehen, zum Beispiel an Universitäten der islamischen Welt, mit denen bereits Kooperationen bestehen bzw. abgeschlossen werden.

Das Zentrum für Islamische Theologie wird eng mit anderen Fakultäten der Universität Tübingen zusammenarbeiten, zum Beispiel in interdisziplinären Veranstaltungen wie dem Seminar "Weltreligionen" von Prof. Matthias Morgenstern (Evangelisch-Theologische Fakultät). Angedacht sind auch Kooperationen mit anderen Hochschulen (z. B. Hochschule für Jüdische Studien in Heidelberg); mit Pädagogischen Hochschulen, an denen Islamische Religionspädagogik unterrichtet wird; mit Universitäten, an denen die Islamischen Studien etabliert werden (Osnabrück, Münster, Frankfurt, Erlangen-Nürnberg) und mit der Akademie der Diözese Rottenburg-Stuttgart. Tübingen ist ab sofort auch Standort im interuniversitären Graduiertenkolleg "Islamische Theologie", das die Stiftung Mercator mit 3,6 Millionen Euro fördert. Nachwuchswissenschaftler des Tübinger Zentrums können sich hier bewerben. Als Pflichtkurse belegen die Studierenden im ersten Semester unter anderem einen Sprachkurs für Arabisch und Einführungsmodule für Islamische Theologie und Islamische Geschichte (das Curriculum ist auf Nachfrage bei der Hochschulkommunikation erhältlich). Darüber hinaus wird Prof. Hamdan unter anderem Seminare zu den Themen "Der Koran als Kanon" und "Zur Frage der Mündlichkeit und Schriftlichkeit des Korans" anbieten.


Struktur/Räume

• Die Professur für "Koranwissenschaften" ist mit Dr. Omar Hamdan besetzt. Er wird durch ein Sekretariat und seinen Assistenten, Dr. Mohammed Nekroumi, unterstützt.

• Für das Zentrum wurden die Räume der ehemaligen Villa Köstlin saniert, dort sind ab 10. Oktober Büros, ein Besprechungsraum, ein Raum für eine Handbibliothek, ein großer sowie zwei kleinere Seminarräume eingerichtet.

• Zum Wintersemester werden zudem eine Lektorenstelle und zwei Juniorprofessuren besetzt, mittelfristig insgesamt sechs Professuren, sechs Assistenten-Stellen sowie weitere Sekretariatskräfte.

• Am 4. und 7. Oktober treffen sich die Studierenden zu Informationsveranstaltungen, die offizielle Eröffnungsfeier für das Zentrum findet voraussichtlich Anfang November statt.



Beirat

Ein siebenköpfiger Beirat begleitet den Prozess der Akademisierung und Institutionalisierung der Islamischen Theologie an der Universität Tübingen und entscheidet in bekenntnisrelevanten Fragen. Als Beiratsmitglieder wurden im Mai 2011 bestellt:

• Vorsitzender: Suleyman Tenger (geb. in der Türkei), Religionsbeauftragter an der Zentral Moschee der Türkisch Islamischen Union (DITIB) und Religionspädagoge am Dokumentationszentrum für Islamische Religionspädagogik (DITIB)

• Muhamed Bascelic (geb. in Bosnien-Herzegowina), Generalsekretär der Islamischen Gemeinschaft der Bosniaken in Deutschland e.V. und Doktorand an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Tübingen

• Dr. Fatma Bayraktar-Karahan (geb. in der Türkei), Predigerin im Raum Essen und Referentin im Projekt ProDialog

• Serkan Ince (geb.in Deutschland), Masterstudent der Religionswissenschaft mit Schwerpunkt religiöse Gegenwartskultur an der Universität Bayreuth

• Ismail Kuvvet (geb. in Deutschland), Gemeindeleiter und Erzieher am Kulturzentrum der Deutsch-Türkischen Integration und Islam Bildung e. V. (KDTI) Herrenberg

• Prof. Dr. Abdullah Takim (geb. in der Türkei), Stiftungsgastprofessor für Islamische Religion an der Universität Frankfurt; Mitorganisator des Theologischen Forums Christentum - Islam der Diözese Rottenburg-Stuttgart

• Dr. Halise Kader Zengin (geb. in Deutschland), wissenschaftliche Assistentin an der Theologischen Fakultät der Universität Ankara



Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/de/institution81


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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Eberhard Karls Universität Tübingen, Michael Seifert, 30.09.2011
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 5. Oktober 2011