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MELDUNG/027: Pakistan - Auf Selbstmordattentäter wartet die Hölle, Geistliche kritisieren Taliban (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 10. April 2012

Pakistan: Auf Selbstmordattentäter wartet die Hölle - Muslimische Geistliche kritisieren Taliban

von Ashfaq Yusufzai

Trauerzug für Selbstmordattentäter, denen die Begräbnisriten verwehrt werden - Bild: © Ashfaq Yusufzai/IPS

Trauerzug für Selbstmordattentäter, denen die Begräbnisriten verwehrt werden
Bild: © Ashfaq Yusufzai/IPS


Peschawar, 10. April (IPS) - Kritische pakistanische Religionsgelehrte drohen Selbstmordattentätern ewige Verdammnis an und geraten damit selbst ins Visier fundamentalistischer Taliban. Sie verurteilen die mörderischen Terroranschläge als unislamisch und werfen den Fundamentalisten vor, in den nördlichen Stammesgebieten unter Bundesverwaltung (FATA) junge Koranschüler mit falschen Heilsversprechen zu verführen.

Die sieben FATA-Bezirke entlang der afghanischen Grenze gelten als Rekrutierungsgebiete für die Taliban, die arme Jugendliche in den lokalen Koranschulen zu Selbstmordattentätern ausbilden, die sie dann gegen Militärs und Zivilisten einsetzen. Maulana Muhammad Rehman, Vorbeter in einer Moschee im Bezirk Khyber, wirft den Taliban Gehirnwäsche vor. Sie zeigten den jungen Leuten Videos, auf denen Muslime im Irak, in Kaschmir oder Afghanistan drangsaliert würden, berichtete der 50-jährige Geistliche.

"Sie bringen ihnen bei, dass sie einen heiligen Krieg gegen Ungläubige führen müssen und ins Paradies kommen, wenn sie möglichst viele von ihnen töten. Doch das ist eine Irrlehre", sagte Rehman. "Der Prophet Mohamed lehrt, dass jeder, der einen Menschen umbringt, die gesamte Menschheit tötet. Deshalb gibt es für die Mörder keine Vergebung."


Kein Platz im Paradies

Als besonders abscheulich beklagte Rehman, dass Selbstmordattentäter ihre Bomben immer häufiger in gut besuchten Moscheen und bei Beerdigungen zünden und dabei zahllose Muslime mit in den Tod reißen. Für Menschen, die sich selbst und andere Muslime in die Luft sprengten, gebe es keinen Platz im Paradies, meinte Anwarullah, ein Vorbeter in Mardan in der Grenzprovinz Khyber Pakhtunkhwa. "Sie landen in der Hölle."

Qari Jauhar Ali, ein Geistlicher aus Charsadda in der gleichen Provinz, empfindet es besonders schmerzlich, dass zu Tode gekommene Selbstmordattentäter jedes Recht auf die für Muslime besonders bedeutenden Trauer- und Begräbnisriten verwirken. "Sie werden ohne das vorgeschriebene rituelle Bad einfach begraben."

Wegen ihrer unverhohlenen Kritik an den Taliban und deren Methoden, junge Leute in den Tod zu schicken, bringen sich kritische Geistliche selbst in Gefahr. Zu den Religionsführern, die die Taliban in den vergangenen Jahren ermorden ließen, um sie zum Schweigen zu bringen, gehören Mufti Sarfaraz Naeemi, Muhammad Farooq Khan und Maulana Hasan Jan.

Der Arzt Muhammad Shafique, der an der Forensik-Abteilung am Khyber-College für Medizin arbeitet, berichtete IPS, die bei Bombenattentaten nicht identifizierten Opfer würden zunächst begraben und später durch genetische Spuren identifiziert. Doch die Überreste der Attentäter würden nie beerdigt, sondern lediglich für gerichtsmedizinische Untersuchungen genutzt.


Glückwünsche von den Taliban

Die Eltern junger Suizidbomber sind von der Tat doppelt betroffen. Sie verlieren nicht nur einen Sohn, sie können ihn auch nicht nach muslimischer Tradition betrauern und beerdigen.

Als Abdul Shakoor aus Surkh Dheri in Chardassa im April 2010 im Kandahar ein Selbstmordattentat auf einen Nato-Konvoi verübte, erfuhr der Vater Abdul Jamil erst nach Monaten, wie der Junge ums Leben gekommen war.

"Dann überbrachten mir Taliban eines Morgens in der Moschee die erschütternde Nachricht und beglückwünschten mich zum Märtyrertod meines Sohnes. Doch ich verfluchte sie bis heute", berichtete der empörte Vater. "Niemand bot mir sein Beileid an und wollte mit mir trauern, denn die Menschen verurteilen Selbstmordanschläge." (Ende/IPS/mp/2012)

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http://www.ipsnews.net/news.asp?idnews=107326

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veröffentlicht im Schattenblick zum 11. April 2012