Schattenblick →INFOPOOL →RELIGION → ISLAM

STANDPUNKT/025: Islam und Menschenrechte (Bremer Uni-Schlüssel)


Bremer Uni-Schlüssel - Nr. 102, Juli 2008
Die interne Zeitung der Universität Bremen

Islam und Menschenrechte


"Das Unbehagen in der Säkularisierung" heißt ein Symposium, das die Heinrich-Böll-Stiftung Bremen und der Hannah-Arendt-Preis für politisches Denken in Kooperation mit der Uni am 6. September (16 Uhr) im Concordia Theater veranstalten. Diskutiert wird die Einschätzung des "politischen Islams" und seine Gefahren sowie die Bedeutung der Universalität von Menschenrechten und wer sie interpretiert. Studierende und junge Wissenschaftler/innen der Uni Bremen sind zur kostenlosen Veranstaltung eingeladen.

Interessante Gäste wie Agnes Heller, Adalbert Evers, Antje Vollmer, Dieter Senghaas und Otto Kallscheuer haben ihre Teilnahme zugesagt. Auch Heiner Bielefeldt (Foto), Direktor des Deutschen Instituts für Menschenrechte in Berlin und Lehrbeauftragter an der Uni Bremen, kommt. BUS führte ein Interview mit ihm:


BUS: Scharia und Menschenrechte: Können sie koexistieren?

HEINER BIELEFELDT: Die klassische Scharia, wie sie in verschiedenen Rechtsschulen im frühen Mittelalter entstanden ist, weist eine Reihe fundamentaler Widersprüche zu modernen Menschenrechtsnormen auf, was angesichts der historischen Differenz von weit über tausend Jahren nicht verwundern kann. Andererseits gilt, dass muslimische Frauen und Männer für sich selbst längst Wege gefunden haben, die Menschenrechte lebenspraktisch zu integrieren, ohne der Scharia eine Absage zu erteilen. Oft geschieht dies dadurch, dass man sich auf einen Kernbereich der Scharia konzentriert, der vor allem das Verhältnis des Menschen zu Gott - Gebetsvorschriften, Fasten usw. - betrifft.

BUS: Ist die Verwirklichung der Religionsfreiheit nur in einem säkularen Rechtsstaat möglich?

HEINER BIELEFELDT: Ja. Denn die Religionsfreiheit ist als Menschenrecht nicht nur ein Freiheitsrecht, sondern auch ein Gleichheitsrecht. Ein der Gleichberechtigung verpflichteter Umgang des Staates mit Fragen von Religion und Weltanschauung impliziert, dass der Staat sich selbst mit keiner Religion oder Weltanschauung auf Kosten der anderen identifiziert.

BUS: Sind Menschenrechte eine christlich-abendländische Erfindung?

HEINER BIELEFELDT: Nein. Keine Religion oder Kultur oder Region sollte "copyrights" auf die Erfindung der Menschenrechte erheben. Der Ursprung der Menschenrechte liegt in Erfahrungen strukturellen Unrechts, auf die die Menschenrechte eine spezifisch moderne normative und institutionelle Antwort geben. Dass diese Antworten historisch zunächst in Europa und Nordamerika formuliert worden sind, ist von nachrangiger Bedeutung.

BUS: Werden Menschrechte in der muslimischen Welt missachtet?

HEINER BIELEFELDT: Menschenrechte werden in keiner Weltregion konsequent verwirklicht. Es gibt überall Defizite - auch in der so genannten muslimischen Welt. Insofern kann man die Frage abstrakt nur mit Ja beantworten.


*


Quelle:
Bremer Uni-Schlüssel Nr. 102, Juli 2008, S. 2
Herausgegeben im Auftrag des Rektors von der
Pressestelle der Universität Bremen
Bibliothekstraße, VWG
Postfach 33 04 40, 28334 Bremen
Tel.: 0421/218-60 150
E-Mail: eschol@presse.uni-bremen.de
Internet: www.uni-bremen.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 26. Juli 2008