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STANDPUNKT/040: Papst Franziskus ehrt ermordeten Erzbischof Romero als Märtyrer (Gerhard Feldbauer)


Papst Franziskus ehrt von Todesschwadronen ermordeten Erzbischof Romero von San Salvador als Märtyrer

Er war Begründer der Befreiungstheologie und unterstützte die Befreiungsfront Farabundo Marti

von Gerhard Feldbauer, 13. Januar 2015



Papst Franziskus will in seiner zwischen reaktionärem Erbe und Öffnung zu Reformen lavierenden Politik offensichtlich ein weiteres Zeichen des Fortschritts setzen. Der Theologenrat der Heiligsprechungskongregation anerkannte am Wochenende den im März 1980 von einer faschistischen Bande der Todesschwadron" Excuadron de la Muerte" ermordeten Erzbischof von San Salvador, den damals 63jährigen Oscar Arnulfo Romero y Galdámez, als Märtyrer.


Vorstufe zur Beatifikation

Mit Romero wird ein entscheidender Begründer der in Lateinamerika noch heute aktiven Befreiungstheologie geehrt. Die Erklärung verschweigt das und begründet die Würdigung damit, dass Romero von den Squadroni della morte "aus Hass auf den Glauben" getötet wurde. Die Ehrung stellt die Vorstufe zur Beatifikation (Seligsprechung) dar, die wiederum Voraussetzung für eine Kanonisation (Heiligsprechung) ist. Einem Bericht der Zeitung der italienischen Bischofskonferenz Avvenire war zu entnehmen, dass eine Beatificazione 1990 bereits von der Diözese von San Salvador eingeleitet worden war, aber unter Johannes Paul II. (alias Wojtyla) und seinem Chef der Glaubenskongregation und späterem Nachfolger, dem deutschen Kardinal Ratzinger, beide fanatische Feinde der Befreiungstheologie, ignoriert wurde. Das jetzige Verfahren bedarf der Zustimmung von Franziskus, die auch deshalb als sicher gilt, da der Papst, selbst gebürtiger Lateinamerikaner aus Argentinien, persönlich die Wiederaufnahme anordnete und, so Avvenire weiter, bereits 2014 anlässlich des im August 2017 bevorstehenden 100. Geburtstages Romeros ein dreijähriges Gedenken an dessen "Wirken als Erzbischof von San Salvador für die Benachteiligten" eröffnete.


Auftrieb durch nationale Befreiungskämpfe Kubas und Nicaraguas

Romero gehörte zu den maßgeblichen Begründern der Befreiungstheologie, die sich seit der Konferenz des dortigen Episkopats 1969 in Medelin (Kolumbien) machtvoll auf dem Kontinent, wo knapp die Hälfte der Katholiken der Welt lebt, ausbreitete. Sie erhielt Auftrieb durch die nationalen Befreiungskämpfe, besonders deren Erfolge in Kuba und Nicaragua, aber auch von dem Versuch einer revolutionären Veränderung der Gesellschaft in Chile unter dem Sozialisten Salvadore Allende. Die Befreiungstheologen gingen davon aus, dass Jesus Christus sein Werk der Erlösung "in Armut und Verfolgung" vollbrachte und die Kirche verpflichtet sei, den gleichen Weg zu gehen. Nicht wenige lateinamerikanische Bischöfe standen mehr oder weniger offen an der Seite der kämpfenden Völker.

Romero nannte "die Texte von Amos und Jesaja keine fernen Stücke aus vergangenen Jahrhunderten": Es gebe "welche unter uns, die Haus um Haus zusammentragen und Feld um Feld sich aneignen, bis sie allein das Land besitzen". Er half den Kämpfern der Befreiungsfront "Farabundo Marti" (FMNL) mit Unterschlupf, Medikamenten und Nahrungsmitteln und verkündete, dass es nicht gegen Gottes Gebot verstoße, sich "auch mit den Mitteln der Gewalt gegen Repression zur Wehr zu setzen".


War Jesus subversiv?

Er trat dem Antikommunismus, der unter den Katholiken verbreitet wurde, in seinen Predigten entgegen und rief zur Einheit des Volkes auf. Während einer seiner Predigten hatten Offiziere und Soldaten der Guardia Nacional auf den Bänken der Kirche Platz genommen, um ihn einzuschüchtern. Unerschrocken wies Romero auf sie und sagte: "Die sind gekommen, um zu hören, ob ich subversiv bin. Doch wenn ich subversiv sein soll, weil ich mich für Euch Arme und Unterdrückte einsetze, dann war schon Jesus subversiv, dann waren auch Lukas, Johannes und Jesaja subversiv."


Soldat seines Volkes

In einer anderen Predigt sagte er zum Gedenken an Opfer des Terrors: "Ich habe mich für sie, die keine Stimme mehr haben, an Gott gewandt. Aber die Wunden der Lebenden lassen sich nicht mit Gebeten heilen. Ich gebe mich mit Leib und Seele meiner apostolischen Tätigkeit hin, aber ich muss immer wieder feststellen, dass Hunger und Durst nicht mit seelischem Trost zu stillen sind. Das ist es, was mich zum Soldaten meines Volkes gemacht hat."


Abfuhr für Papst Wojtyla

Auf der Lateinamerikanischen Bischofskonferenz 1979 in Puebla (Mexiko) versuchte Johannes Paul II. - gestützt auf die in- und ausländische Reaktion und eine beträchtliche Zahl konservativer Kleriker - die progressiven Positionen der Befreiungstheologie zu zerschlagen. Er konnte zwar eine Absage an den "politischen Aktivismus" der Kirche durchsetzen, aber nicht verhindern, dass im Abschlussdokument "der wachsende Abstand zwischen Reichen und Armen als ein Skandal und Widerspruch zum Christsein" angeklagt wurde. Die Armut wurde als "Produkt von wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und politischen Strukturen, die einen solchen Armutsstatus erzeugen", bezeichnet. Dazu wurde ausdrücklich die Pflicht der Gläubigen betont, "zur Errichtung einer gerechteren, freieren und friedlicheren Gesellschaft beizutragen". Romero enthüllte auf der Konferenz aber auch den Terror der faschistischen Banden in seinem Land, dem auch mehrere Priester zum Opfer gefallen waren. "Basta Ya" hatte er ein dazu vorgelegtes Dokument überschrieben. Besonders beunruhigend für die Kräfte der weltlichen und klerikalen Reaktion war, dass sich 50 Kardinäle und Bischöfe mit Romero und dem Kampf seines Volkes solidarisierten.


Washington half der faschistischen Junta

Nach Puebla begann eine Hetzkampagne gegen Romero. Die von der CIA gelenkten Todesschwadronen drohten "öffentlich mit der "Hinrichtung des Erzbischofs", der Rundfunksender der Diözese wurde gesprengt, in der Kathedrale Bomben gelegt. Das Vorgehen der Reaktion wurde begünstigt durch die Regierung in Washington, die zu dieser Zeit ihre Finanzhilfe für die Junta in El Salvador verstärkte. In einem Brief an Präsident Carter mahnte der Erzbischof, diese Politik der USA werde "die Unterdrückung verschärfen, statt größere Gerechtigkeit und Frieden zu bringen." Unmissverständlich erklärte er: "Was Sie vorhaben, wird zu einem großen Blutbad in diesem leidenden Land führen."

Am 23. März 1980 verlas Romero in seiner Sonntagspredigt die Namen von 110 Terroropfern nur einer Woche. Er forderte die anwesenden Soldaten auf, nicht länger solche Mordbefehle auszuführen. Die Armeeführung bezichtigte ihn der "Aufhetzung zur Rebellion". Am nächsten Tag trafen Romero, während er in der hereinbrechenden Dunkelheit des Abends in der kleinen Kapelle des Krankenhauses "zur göttlichen Dämmerung" in San Salvador eine Totenmesse las, die Kugeln der Mörder, unter denen er blutüberströmt zusammenbrach.

Johannes Paul II. nannte das Verbrechen zwar "eine kirchenschänderische Mordtat", würdigte aber mit keinem Wort das Wirken des Erzbischofs für die Gedemütigten und Rechtlosen. Als Romero im März 1979 vom Papst zur Audienz empfangen worden war, hatte er sich anschließend mutig öffentlich beklagt, dass Rom "kein Verständnis" für seine pastorale Tätigkeit in einer so extrem schwierigen Situation aufbringe.


Franziskus: Wer sich für soziale Gerechtigkeit einsetzt, ist kein Kommunist

Wegen seiner Verurteilung der kapitalistischen Ausbeutung und Unterdrückung wurde Romero immer beschuldigt, er sei Marxist, wogegen er sich stets verwahrte. In Rom wurde jetzt mit besonderer Aufmerksamkeit vermerkt, dass der Papst den Erzbischof ausdrücklich gegen diese Vorwürfe in Schutz nahm. Wer sich für soziale Gerechtigkeit und arme Menschen einsetzt, sei kein Kommunist. Dies seien seit jeher Aufgaben der katholischen Kirche, sagte der Papst in einem Interview der großbürgerlichen Turiner La Stampa. "Die Fürsorge für die Armen steht im Evangelium, sie steht in der Tradition der Kirche", zitiert ihn die Zeitung, der Franziskus weiter sagte, das sei "keine Erfindung des Kommunismus und sollte auch nicht ideologisiert werden".

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Quelle:
© 2015 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors


veröffentlicht im Schattenblick zum 14. Januar 2015


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