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STELLUNGNAHME/006: Ist die Erde eine Scheibe? (Goethe-Universität Frankfurt)


Goethe-Universität Frankfurg - Pressemitteilung 10. Oktober 2018 / 214

Ist die Erde eine Scheibe?

Frankfurter Wissenschaftsrunde kritisiert Entscheidung des Vatikans, Wiederwahl des Rektors der Hochschule St. Georgen zu verhindern.


FRANKFURT. Die Frankfurter Wissenschaftsrunde teilt das Befremden der Katholisch-Theologischen Wissenschaftler der Goethe-Uni. Diese haben in einer Stellungnahme mit Empörung auf die Verweigerung des "Nihil obstat" zur Wiederwahl von Prof. Ansgar Wucherpfennig SJ zum Rektor der Philosophisch-Theologischen Hochschule St. Georgen reagiert. Die Wissenschaftsrunde erwartet, dass die Entscheidung des Vatikans korrigiert wird.

Die Präsidentin der Goethe-Universität, Prof. Dr. Birgitta Wolff, stellt fest: "Manchmal entsteht der Eindruck, im Rom gäbe es doch noch Leute, die glauben, die Erde sei eine Scheibe". Prof. Dr. Frank E.P. Dievernich, Präsident der Frankfurt University of Applied Sciences, führt weiter aus: "Mit diesem Verhalten schädigt die katholische Kirche ihrem Ansehen; damit verliert sie auch den Anschluss an die vielfältige Gesellschaft, in der wir leben. Wir sind entsetzt, dass in die Freiheit einer Frankfurter Wissenschaftsinstitution eingegriffen wird."

Prof. Dr. Niels Stieglitz, Präsident und Geschäftsführer der Frankfurt School of Finance & Management, betont: "Der Fall zeigt einmal mehr, dass Religion nicht in die Freiheit der Wissenschaft eingreifen darf."

Prof. Dr. Eva Schwinghammer, Präsidentin der Provadis School of International Management and Technology AG, unterstreicht: "Die Freiheit der Gedanken, auch der schriftlich verfassten, ist unantastbar und darf nicht sanktioniert werden."


Die Frankfurter Wissenschaftsrunde ist ein informeller Zusammenschluss aller wissenschaftlichen Institutionen, die in Frankfurt oder im allernächsten Umfeld beheimatet sind. An den ersten Zusammenkünften beteiligten sich neben der Frankfurt University of Applied Sciences, der Goethe-Universität sowie der Frankfurt School of Finance and Management die Leitungen folgender Institutionen: Deutsches Archäologisches Institut - Römisch-Germanische Kommission, Stiftung Georg-Speyer-Haus - Institut für Tumorbiologie und experimentelle Therapie, Freies Deutsches Hochstift - Frankfurter Goethe Museum, Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Frankfurt am Main, Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung, Paul-Ehrlich-Institut, Hessische Stiftung Friedens- und Konfliktforschung, Frobenius Institut an der Goethe-Universität Frankfurt, Institut für sozial-ökologische Forschung, Dechema Forschungsinstitut, Provadis School of International Management & Technology, Max-Planck-Institut für Europäische Rechtsgeschichte, FOM Hochschule für Ökonomie & Management, Philosophisch-Theologische Hochschule Sankt Georgen, Frankfurt Institute for Advanced Studies - FIAS, Zoo Frankfurt, Max-Planck-Institut für Hirnforschung. Inzwischen sind auch die folgenden Einrichtungen Mitglieder der Frankfurter Wissenschaftsrunde: Hessische Berufsakademie, Hochschule für Gestaltung Offenbach am Main, International School of Management, Deutsches Institut für Internationale Pädagogische Forschung, Fritz-Bauer-Institut - Geschichte und Wirkung des Holocaust, Institut für Sozialforschung, Max-Planck-Institut für Biophysik, Staatliche Hochschule für Bildende Künste - Städelschule, Max-Planck-Institut für empirische Ästhetik.

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Goethe-Universität Frankfurg - Pressemitteilung 10. Oktober 2018 / 213

Solidarität mit Rektor Wucherpfennig

Fachbereich Katholische Theologie fordert Respekt für die Freiheit theologischer Wissenschaft


FRANKFURT. Der Fachbereich Katholische Theologie der Goethe-Universität hat die Verweigerung des "Nihil obstat" für die Wiederwahl von Prof. Ansgar Wucherpfennig SJ zum Rektor der Hochschule St. Georgen durch den Vatikan scharf verurteilt. In einer Stellungnahme haben Vertreterinnen und Vertreter des Faches ihre Empörung zum Ausdruck gebracht. Sie sehen darin einen "Angriff auf die Integrität und Reputation eines in wissenschaftlichen Fachkreisen hochgeschätzten und weithin anerkannten Kollegen und eine extreme Gefährdung der Freiheit theologischer Forschung und akademischer Selbstverwaltung." Sie fordern die Verantwortlichen auf, "ihre Entscheidung zu überdenken und zu korrigieren".

Stellungnahme des Fachbereichs Katholische Theologie der Goethe-Universität:

"Mit Empörung reagieren wir auf die Verweigerung des 'Nihil obstat' zur Wiederwahl von Prof. Ansgar Wucherpfennig SJ zum Rektor der Philosophisch-Theologischen Hochschule St. Georgen. Der Fachbereich Katholische Theologie der Goethe-Universität verurteilt diese Verweigerung durch den Vatikan entschieden. Wir sehen darin einen Angriff auf die Integrität und Reputation eines in wissenschaftlichen Fachkreisen hochgeschätzten und weithin anerkannten Kollegen und eine extreme Gefährdung der Freiheit theologischer Forschung und akademischer Selbstverwaltung. Wir möchten alle Kolleginnen und Kollegen der katholischen Theologie motivieren, diesem Skandal mit Entschiedenheit entgegen zu treten. Die für die Verweigerung des 'Nihil obstat' Verantwortlichen fordern wir dringend auf, ihre Entscheidung zu überdenken und zu korrigieren.

Wir, die Professoren des Fachbereichs Katholische Theologie, haben über viele Jahre Pater Wucherpfennig als einen in fachlicher wie menschlicher Hinsicht herausragenden und vorbildlichen Kollegen erlebt. Als langjähriger Rektor der Hochschule St. Georgen war er maßgeblich daran beteiligt, dass die Kooperation in Forschung und Lehre zwischen der Hochschule und dem Fachbereich Katholische Theologie der Goethe-Universität in den letzten Jahren erfolgreich ausgebaut und vertieft werden konnte. Pater Wucherpfennig ist maßgeblich für die vertrauensvolle und wertschätzende Atmosphäre verantwortlich, in der sich Lehrende und Studierende der beiden Standorte der katholischen Theologie in Frankfurt begegnen.

Es macht uns fassungslos, dass ausgerechnet in Zeiten, in der die katholische Kirche durch die skandalösen Fälle massenhaften sexuellen Missbrauchs in der Öffentlichkeit und in den Gemeinden so viel Vertrauen verspielt hat, die von seelsorgerlicher Verantwortung getragenen Stellungnahmen von Professor Wucherpfennig zur biblischen Bewertung von Homosexualität zensiert und abgestraft werden. Hier wird die Kompetenz eines renommierten Theologen und Hochschulleiters aus durchsichtigen kirchenpolitischen Motiven in Misskredit gebracht.

Wir unterstützen ausdrücklich die Stellungnahme des Bischofs von Limburg Georg Bätzing, der sich eindeutig hinter Pater Wucherpfennig stellt. Wir sehen darin eine große Ermutigung und Wertschätzung selbständiger und freier akademischer Forschung innerhalb der katholischen Theologie. Wir erklären uns solidarisch mit den Kolleginnen und Kollegen der Philosophisch-Theologischen Hochschule St. Georgen, die von diesem verstörenden Vorgehen betroffen sind, besonders aber mit dem von uns sehr geschätzten Kollegen Ansgar Wucherpfennig, mit dem wir uns verbunden fühlen."


Die Goethe-Universität ist eine forschungsstarke Hochschule in der europäischen Finanzmetropole Frankfurt. 1914 mit privaten Mitteln überwiegend jüdischer Stifter gegründet, hat sie seitdem Pionierleistungen erbracht auf den Feldern der Sozial-, Gesellschafts- und Wirtschaftswissenschaften, Medizin, Quantenphysik, Hirnforschung und Arbeitsrecht. Am 1. Januar 2008 gewann sie mit der Rückkehr zu ihren historischen Wurzeln als Stiftungsuniversität ein hohes Maß an Selbstverantwortung. Heute ist sie eine der zehn drittmittelstärksten und drei größten Universitäten Deutschlands mit drei Exzellenzclustern in Medizin, Lebenswissenschaften sowie Geistes- und Sozialwissenschaften. Zusammen mit der Technischen Universität Darmstadt und der Universität Mainz ist sie Partner der länderübergreifenden strategischen Universitätsallianz Rhein-Main.

Aktuelle Nachrichten aus Wissenschaft, Lehre und Gesellschaft in GOETHE-UNI online (www.aktuelles.uni-frankfurt.de)

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Quelle:
Pressemitteilungen Nr. 213 und 214 vom 10. Oktober 2018
Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt
Theodor-W.-Adorno-Platz 1, 60323 Frankfurt am Main
Telefon: +49-69-798-0, Fax: +49-69-798-18383
Internet: www.uni-frankfurt.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 13. Oktober 2018

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