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INTERNATIONAL/123: Pakistan - Anschläge gegen liberale Politiker (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 21. Januar 2013

Pakistan: Anschlagsserie gegen liberale Politiker - Taliban Einschüchterungsstrategie vorgeworfen

von Ashfaq Yusufzai


Bild: © Ashfaq Yusufzai/IPS

Ein im Kampf gegen die Taliban verletzter Polizist
Bild: © Ashfaq Yusufzai/IPS

Peshawar, Pakistan, 21. Januar (IPS) - In Pakistan hat die neue Gewaltkampagne gegen liberale Politiker und Gesundheitshelfer Regierung und Zivilgesellschaft in Alarmbereitschaft versetzt. Politische Beobachter vermuten hinter den Anschlägen einen Versuch der radikal-islamistischen Taliban, eine Verschiebung der für Mitte des Jahres geplanten Wahlen zu erreichen.

"Der Großteil dieser Anschläge fand in Khyber Pakhtunkhwa statt", erläutert der Informationsminister der Provinz, Mian Iftikhar Hussain. Er führt die Konzentration von Attentaten in Khyber Pakhtunkhwa darauf zurück, dass dort die regierende Awami-Nationalpartei (ANP) das Sagen hat und offensiv gegen die Taliban vorgeht.

Am 5. Januar wurden in Swabi, einem der 25 Bezirke von Khyber Pakhtunkhwa, sieben Mitarbeiter einer Hilfsorganisation - sechs Frauen und ein Arzt - getötet. Zwei Tage zuvor waren sieben Hilfsarbeiter im nahe gelegenen Bezirk Charsadda erschossen worden. Dem Blutbad vorausgegangen waren am 17. und 18. Dezember Anschläge auf die Mitarbeiter einer Polioimpfkampagne in Peshawar und Karachi, die neun Menschenleben forderten.


Neue Anschlagsmuster

Vielen gibt ein Anschlag auf ein Fahrzeug der Al-Khidmat-Stiftung Rätsel auf, bei dem der Leiter der Bildungsabteilung, Zakir Hussain, ums Leben kam. Die Stiftung wird von der Jamaat-Islami-Partei (JI) geführt, die der 'Tehreek Taliban Pakistan' (TTP) nahesteht. Ebenso überraschte ein misslungener Selbstmordanschlag auf den ehemaligen JI-Chef Qazi Hussain Ahmed am 29. November in der Agentur (Verwaltungsbezirk) Mohmand. Die JI hat es unterlassen, eine Verbindung des Anschlags zur TTP herzustellen.

Was zudem Verwirrung stiftet: Die Verbrechen passen nicht in das Muster der von den Taliban begangenen Übergriffe. Die TTP hat für die meisten Bombenanschläge und Selbstmordattacken auf Armee, Polizei und öffentliche Plätze die Verantwortung übernommen. Zu den letzten Anschlägen hingegen hat sich niemand bekannt.

Für Kamran Ali, einem Politikdozenten an der Universität von Peshawar, steht dennoch fest, dass die Taliban hinter den Übergriffen stecken. "Sie setzen auf unterschiedliche Strategien, um die bevorstehenden allgemeinen Wahlen zu sabotieren", sagt er. Sie wollten die Durchführung friedlicher Wahlen in den insgesamt vier pakistanischen Provinzen verhindern.

Die meisten Taliban-Anschläge richten sich gegen die Awami-Nationalpartei, die im Zusammenhang mit Terroranschlägen den Tod von 600 Mitarbeitern und Führungskräften zu beklagen hat. Ali zufolge versucht die TTP alle demokratischen und liberalen Kräfte niederzukämpfen, weil sie bei einem Wahlsieg der ANP mit heftigem Gegenwind rechnen müsste. "Die TTP will einen Wahlsieg der ANP verhindern, die in Khyber Pakhtunkhwa aggressiv gegen die militanten Kämpfer vorgeht."

Von 2007 bis 2009 hatten die Taliban das Swattal beherrscht. Unter der Regierung der ANP wurden sie aus der Region vertrieben.

"Der TTP würde es gefallen, die JI und andere kleine Religionsgruppen an der Macht zu sehen, damit sie ihre Interessen durchsetzen kann", betont Ali. Die Koalitionsregierung aus JI und 'Muttahida Majlis-i-Amal' in Khyber Pakhtunkhwa hatte die Taliban-Aktivitäten in Swat toleriert. Kaum hatte die ANP die Wahlen gewonnen, begannen die Taliban mit der Ermordung von Polizisten und anderen Personen.

"Hätte die Muttahida Majlis-i-Amal nicht beide Augen zugedrückt und wäre gegen die Taliban vorgegangen, wäre Swat niemals in die Hände der TTP geraten", ist Ali überzeugt. "Die Taliban wollen die ANP loswerden und erreichen, dass die religiösen Parteien die Macht übernehmen." "Eine liberal-demokratische Regierung würde gegen die Taliban aktiv werden", versichert Informationsminister Mian Iftikhar Hussain. "Aus diesem Grund versuchen die Kämpfer alles, um die Machtübernahme der ANP bei den Wahlen zu verhindern."

Der tödliche Anschlag auf den ANP-Anführer Bashir Bilour am 19. Dezember sei ein gutes Beispiel für den Umgang der TTP mit ihren Widersachern, so Hussain, dessen Sohn Mian Rashid Hussain im April von Milizionären erschossen worden war. "Bilour hatte sich an allen Schauplätzen von Taliban-Attentaten eingefunden und die Anschläge verurteilt."

Trotz aller Gewalt ist die ANP-Führung offenbar zu Gesprächen mit den Taliban bereit. "Wir wissen, dass die militanten Kämpfer hinter allen Formen des Terrorismus stehen", betont Hussain. "Dennoch sind wir gewillt, mit ihnen in Verhandlungen zu treten, um die Gewalt zum Wohl des Landes zu beenden." (Ende/IPS/kb/2013)


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veröffentlicht im Schattenblick zum 23. Januar 2013