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INTERNATIONAL/154: Ecuador - Isoliert lebende Ethnien in wachsender Gefahr, Bericht über Massaker (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 7. Juni 2013

Ecuador:
Isoliert lebende Ethnien in wachsender Gefahr - Bericht über Massaker

von Angela Meléndez


Bild: © Eduardo Valenzuela/IPS

Angehöriger der Huaorani-Ethnie im Yasuni-Nationalpark in der ecuadorianischen Amazonasregion
Bild: © Eduardo Valenzuela/IPS

Quito, 7. Juni (IPS) - In Ecuador haben Berichte über ein weiteres Massaker an isoliert lebenden Amazonas-Ureinwohnern zu Kritik an der Regierung geführt, nicht genug für den Schutz indigener Gemeinschaften zu tun, die in selbst gewählter Abgeschiedenheit leben wollen. Dabei hatte Quito versprochen, Schutzmaßnahmen umzusetzen, wie sie die Interamerikanische Menschenrechtskommission (IACHR) 2006 empfohlen hatte.

Nach bislang unbestätigten Berichten wurden am 29. März etwa 30 Ureinwohner vom Volk der Taromenane von Angehörigen der Huaorani getötet. Bekannt wurde der Fall erst Anfang Mai, und die Staatsanwaltschaft hat ihre Ermittlungen noch nicht abgeschlossen.

Laut Cawetipe Yeti, dem Vorsitzenden der Vereinigung der Huaorani in Ecuador, befinden sich unter den Opfern auch Kinder. Das Blutbad sei ein Racheakt für die Ermordung eines älteren Paares vom Volk der Huaorani im Yasuni-Nationalpark gewesen, erklärte er.

Die Taromenane und die Tagaeri sind die letzten unkontaktierten Gemeinschaften in dem im Nordosten Ecuadors gelegenen Amazonasbecken, die keine Verbindung zur Außenwelt haben wollen. Sie leben in einem rund 700.000 Hektar großen Gebiet, das 1999 von der Regierung in Quito zum Schutz der indigenen Kulturen und der Artenvielfalt geschaffen worden war.


Entwicklungsmodell der Regierung in der Kritik

2006 hatte die IACHR, ein Menschenrechtsinstrument der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS), die ecuadorianische Regierung aufgefordert, "wirkungsvolle Maßnahmen zu ergreifen, um das Leben und die persönliche Integrität der Tagaeri und Taromenane zu schützen". Dies bedeutet auch, dass die Ethnien vor dem Eindringen Fremder auf ihre Territorien bewahrt werden müssen.

Um die Vorgaben umzusetzen, führte Ecuador ein Jahr später einen Plan zum Schutz unkontaktierter Völker ein. Außenstehende dürfen die Territorien isolierter Völker nicht mehr betreten, wenn sie Ziele verfolgen, die dem Schutz von Mensch und Natur zuwiderlaufen.

Wohl ist den Angehörigen anderer Gemeinschaften der Zutritt zu den Gebieten erlaubt. Auch die Streitkräfte dürfen aus Gründen der nationalen Sicherheit in die Territorien. Der Erhalt des Ökosystems der von Angehörigen isolierter Völker bewohnten Urwaldregion hat demnach Priorität.

Die Huaorani sind den isolierten Völkern mit rund 4.000 Mitgliedern zahlenmäßig überlegen. Die Taromenane haben nur noch 300 und die Tagaeri lediglich 30 Mitglieder. Nach Angaben von Ureinwohnerverbänden sind die 14,6 Millionen Ecuadorianer zur Hälfte indigenen Ursprungs. Bei der Volkszählung 2010 gaben allerdings nur sieben Prozent an, einer indigenen Gruppe anzugehören.

Nachdem ihr Berichte über das jüngste Massaker zugegangen waren, erklärte die Regierung, dass im vergangenen Jahr ein technisches Team des Innenministeriums die geschützten Dschungelgebiete etwa 200 Mal besucht habe, um sicherzustellen, dass die unkontaktierten Gemeinschaften ihr Recht auf Abgeschiedenheit wahrnehmen können. Auch wurden nicht-isolierte Indigenendörfer besucht und nach unfreiwilligen Zusammentreffen mit den isoliert lebenden Gruppen befragt.

Zivilgesellschaftliche Organisationen halten die Maßnahmen jedoch für unzureichend und warnen davor, das Massaker lediglich als Konflikt zwischen ethnischen Gruppen abzutun. Nach Ansicht der ehemaligen Parlamentsabgeordneten Maria Paula Romo gilt es das in der Amazonasregion praktizierte Entwicklungsmodell ehrlich und gründlich auf seine Nachhaltigkeit hin zu überprüfen.


Problem von nationaler Tragweite

Humberto Cholango, Präsident der Vereinigung Indigener Nationalitäten in Ecuador (CONAIE), ist der Meinung, dass die politischen Strategien zugunsten des Rohstoffabbaus den Druck auf die Ureinwohner verstärkt hätten. Völker, die bisher in selbstgewählter Isolierung lebten, hätten ihre Kultur, ihr Habitat und ihre Nahrungsquellen verloren. Um sich gegen ihre Verdrängung zu wehren, würden sie gewalttätig.

Staatschef Rafael Correa sprach am 26. Mai von einem "extrem komplexen" Problem. Er bezog sich damit auf die zehn Tage zuvor von den Vereinten Nationen geäußerte Forderung, den Konflikt zwischen indigenen Völkern im Amazonasgebiet zu einem Ende zu bringen. "Es wäre schön, wenn uns die UN auch sagen würde, wie dies geschehen soll. Schließlich ist es schwierig, das Leben unkontaktierter Völker schützen zu wollen, ohne mit ihnen in Kontakt zu treten." (Ende/IPS/ck/2013)


Links:

http://www.oas.org/en/iachr/
http://www.conaie.org/
http://www.ipsnews.net/2013/06/isolated-amazon-indians-under-pressure-in-ecuador/

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IPS-Tagesdienst vom 7. Juni 2013
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veröffentlicht im Schattenblick zum 8. Juni 2013