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INTERNATIONAL/158: Südsudan - Übergriffe gegen Journalisten, Entwicklungshelfer und Menschenrechtler (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 27. Juni 2013

Südsudan: Kritiker unerwünscht - Übergriffe gegen Journalisten, Entwicklungshelfer und Menschenrechtler

von Jared Ferrie


Bild: © Charlton Doki/IPS

Der Südsudan begeht im Juli den zweiten Jahrestag seiner Unabhängigkeit. Kinder feiern
Bild: © Charlton Doki/IPS

Juba, 27. Juni (IPS) - Zechariah Manyok Biar war 18, als er sich der revolutionären Armee anschloss, die die Unabhängigkeit des Südens vom Sudan im Juli 2011 erkämpfte. Inzwischen ist er 28 Jahre alt und musste ausgerechnet aus dem Land fliehen, an dessen Befreiung er mitgewirkt hatte.

Der ehemalige Staatsbedienstete im südsudanesischen Ministerium für Straßen und Brücken, hatte kritische Meinungsbeiträge über die Regierung in Juba geschrieben, die auf der Webseite der 'Sudan Tribune' in Paris veröffentlicht wurden. Nach Morddrohungen begab sich Biar im Dezember 2012 ins Exil.

"Ohne Redefreiheit gibt es keine Freiheit, und wir haben so sehr um unsere Freiheit gekämpft", so Biar in einem Telefoninterview. Sein Aufenthaltsort ist unbekannt. "Was mich wirklich stört, ist, dass wir offenbar noch schlimmer sind als die Regierung in Khartum (Sudan)."

Biar hatte sich nach eigenen Angaben vor seiner Flucht an die Nationalen Sicherheitskräfte und die Polizei gewandt und um Personenschutz angesucht. Doch weil es mit der Identifizierung der Hintermänner der Morddrohungen nicht voranging, entschloss er sich schließlich, den Südsudan zu verlassen.

Für Biar ist die Tatenlosigkeit der Behörden Beweis genug, dass es sich bei den Verantwortlichen um Personen aus dem Umkreis von Staatspräsident Salva Kiir handelt. "Ich glaube, dass eine kleine aber einflussreiche Gruppe innerhalb der Regierung - gegen den Willen von Kiir - gewaltsam gegen Kritiker vorgeht", meinte er. Diese Leute seien aus Angst um ihre Privilegien bestrebt, jede noch so kritische Stimme mundtot zu machen. Davon versprächen sie sich, Kiir im Amt zu halten und ihre eigenen Pfründe zu sichern.

Seitdem bekannt geworden ist, dass Journalisten, Regierungskritiker und Entwicklungshelfer zur Zielscheibe von Gewalt geworden und Zivilisten ermordet worden sind, gibt es die Befürchtung, dass der Südsudan vom Sudan einige repressive Züge abgeguckt hat.


UN-Mission beunruhigt

Wie Hilde Johnson, Leiterin der UN-Mission im Südsudan (UNMISS), vor Journalisten in der südsudanesischen Hauptstadt Juba im Februar erklärte, "ist die UNMISS zutiefst besorgt über die Drohungen, Einschüchterungen, Belästigungen und Angriffe auf Journalisten, Vertreter der Zivilgesellschaft und Menschenrechtsaktivisten".

Die Sicherheitskräfte müssten für solche Verbrechen haftbar gemacht werden, forderte Johnson. Zudem appellierte sie an die Regierung, die Ergebnisse einer vielversprechenden Untersuchung des mutmaßlich von Regierungssoldaten begangenen Massakers an 13 Zivilisten am 4. Dezember 2012 im Bundesstaat Jonglei publik zu machen. Sie mahnte ferner die Aufklärung des Mordes an dem Journalisten und erklärten Regierungskritiker, Isaiah Abraham, am 5. Dezember 2012 an.

Der Regierungssprecher Barnaba Marial Benjamin berichtete gegenüber Reportern in Juba, dass das Gewaltverbrechen an Abraham untersucht werde. Allerdings stritt er ab, dass es zu dem Massaker im letzten Jahr in Jonglei gekommen sei und versicherte, dass sich Journalisten, Entwicklungshelfer und Aktivisten im Südsudan frei bewegen könnten. "Meiner Meinung nach ist unsere Menschenrechtsbilanz recht gut. Und wir zeigen dabei ein hohes Maß an Transparenz."

Doch im Januar waren zwei UNMISS-Mitarbeiter verhaftet worden, die Drohungen gegen Journalisten untersucht hatten. "Es ist ein absolutes Muss, dass man unser Mandat und unsere diplomatische Immunität respektiert", meinte dazu Ariane Quentier, eine Sprecherin der UN-Mission. "Die Regierung hat der UNMISS versprochen, dass sie das Menschrechtsmandat der Mission anerkennt und deren Arbeit ermöglicht."

Im Februar hatte das UN-Amt für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten (OCHA) von einem Zuwachs der Anschläge auf Entwicklungshelfer in den unsicheren Gebieten um 48 Prozent 2012 gegenüber dem Vorjahr berichtet. 61 Mitarbeiter seien geschlagen, 78 Entwicklungshelfer willkürlich festgenommen und 97 Fahrzeuge konfisziert worden. In 85 Prozent der Fälle seien staatliche Akteure beteiligt gewesen.

Benjamin zufolge ist die Regierung auf diese Vorfälle gar nicht hingewiesen worden. "Ich kann mir nicht vorstellen, dass so etwas in der Republik Südsudan geschieht", meinte er.


Gewalt verbreitet

Doch Chase Hannon, der von 2010 bis 2012 als Sicherheitsberater für eine Gruppe von 150 Nichtregierungsorganisationen (NGOs) im Südsudan tätig war, geht von einer deutlich höheren Dunkelziffer aus. Denn Gewalt von Seiten der Sicherheitskräfte sei ein weit verbreitetes Übel. Oft würden dabei Waffen verwendet. So sei der Länderdirektor einer internationalen NGO mit dem Kolben eines AK-47-Sturmgewehrs misshandelt worden. Zwei weitere Länderdirektoren und ein Vizedirektor hätten den Südsudan im letzten Jahr aus Sorge um die eigene Sicherheit verlassen.

Wie er weiter berichtete, hat er Dutzende Male in den letzten beiden Jahren mit inhaftierten NGO-Mitarbeitern gesprochen. In fast allen Fällen seien zumindest zeitweise südsudanesische Sicherheitskräfte wie Polizisten, Armeeangehörige, Mitglieder des Nationalen Sicherheitsdiensts und die Sicherheitsgarde des Präsidenten und Vizepräsidenten im Spiel gewesen, sagte Hannon, demzufolge die Vielzahl der Einheiten, die für die Sicherheit zuständig seien, eine Aufklärung der Fälle aufgrund überlappender Mandate erschwere.

"Die Unsicherheit im Südsudan ist auch potenziellen Investoren abträglich", meinte Steven Wondu, der Generalrechnungsprüfer des Landes. Wie er gegenüber IPS erklärte, ist die Regierung gar nicht fähig, Leben und Besitz zu schützen. Das Risiko für Geschäftsleute, verprügelt zu werden, sei hoch, und die Täter könnten sich auf Straffreiheit verlassen.

Doch Wondu zufolge ist der Mangel an Rechtsstaatlichkeit in Verbindung mit einer schwachen Regierung in einem Land, das erst vor kurzem einen 22-jährigen Bürgerkrieg hinter sich gelassen habe, nicht überraschend. Der Südsudan gehört zu den ärmsten Ländern der Welt, verfügt über einen hohen Anteil an Analphabeten und eine begrenzte Infrastruktur.


Sicherheitskräfte reduzieren

Wondu zufolge wird sich die Sicherheits- und Wirtschaftslage nur sehr langsam verbessern. Er hat der Regierung empfohlen, die Sicherheitskräfte personell abzuspecken. "Der Sektor verschlingt im Allgemeinen einen sehr hohen Anteil des Staatshaushaltes. Für Entwicklungszwecke bleibt da nur wenig übrig", warnte er. "Dabei wissen wir alle, dass die wir an den Strukturen der Sicherheitsdienste etwas ändern müssen."

Der Sicherheitsapparat ist nicht zuletzt deshalb so aufgebläht, weil er nach dem Bürgerkrieg auch die Anti-Regierungsmilizen aufnehmen musste. Wondu zufolge war das ein notwendiger Schritt, "um sich Frieden zu erkaufen". Doch dies habe die Führung und Kontrolle des Apparats erheblich erschwert. Es gelte sich nun die Frage zu stellen: "Was haben wir eigentlich davon? Mehr Sicherheit oder mehr Unsicherheit?" (Ende/IPS/kb/2013)


Links:

http://unmiss.unmissions.org/
http://www.ipsnews.net/2013/06/south-sudans-state-actors-turn-on-journalists-and-aid-workers/

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 27. Juni 2013
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veröffentlicht im Schattenblick zum 29. Juni 2013