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INTERNATIONAL/164: Pakistan - Dresscode für Männer, Taliban-Direktive sorgt in Stammesgebieten für Unmut (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 9. August 2013

Pakistan: Dresscode für Männer - Taliban-Direktive sorgt in Stammesgebieten für Unmut

von Ashfaq Yusufzai


Bild: © Ashfaq Yusufzai/IPS

Frauen und Männern im Nordwesten Pakistans sind die traditionellen Tuniken lieber als eng sitzende Hosen
Bild: © Ashfaq Yusufzai/IPS

Peshawar, 9. August (IPS) - In Nordwesten Pakistans haben die Taliban einen Dresscode für Männer erlassen. Danach sind Hosen tabu und nur noch die knöchellangen 'Shalwar-Kameez' erlaubt. Doch die Direktive stößt in den Stammesgebieten auf Unverständnis und Unmut, zumal hier die traditionellen Tuniken ohnehin dominieren.

"Die Männer in den Stammesgebieten kleiden sich angemessen", meint Ahmed Jamal, ein Bewohner des Verwaltungsbezirks Süd-Wasiristan. "Anders als in anderen Teilen Pakistans, wo sich Hosen und Hemden durchgesetzt haben, kleiden wir uns hier in unsere Shalwar-Kameez."

Die verbotene 'Tehreek Taliban Pakistan' (TTP) hatte Mitte Juli eine "Order" an die Männer herausgegeben, keine eng anliegenden Kleidungsstücke zu tragen. Am Tag zuvor hatten sie die Frauen aufgefordert, sich ausschließlich mit den Ganzkörper-Burkas in die Öffentlichkeit zu begeben.


Ladenbesitzer bedroht

Die TTP droht Ladenbesitzern, die gegen die Direktive verstoßen, mit Bußgeldern in Höhe von 50 US-Dollar und einer einmonatigen Schließung des Geschäfts. Um ihrer Ankündigung Nachdruck zu verleihen, konfiszierte und verbrannte sie mehrere Stoffballen.

"Wir haben aus Angst vor Repressalien schweigend zugesehen", berichtet der Ladenbesitzer Mustafa Shah. "Nie haben wir von einer solchen Direktive in einem islamischen Land gehört. So streng geht es noch nicht einmal im Königreich Saudi-Arabien zu."

Die Menschen hätten schon genug unter den Taliban gelitten, meint Shah. Mehr als die Hälfte der fünf Millionen Bewohner der Stammesgebiete unter Bundesverwaltung (FATA) sei vor den Taliban und den Militäroperationen der pakistanischen Armee geflohen. "Unser Geschäft kam quasi zum Erliegen."

Jamal, ein Mechaniker in Wana, dem Sitz der Verwaltung von Süd-Wasiristan, hält die neue Kleiderordnung für den Versuch der Taliban, im Gespräch zu bleiben. "Die Mehrheit der Paschtunen, die in den sieben FATA-Verwaltungsbezirken leben, sind angemessen und dezent gekleidet", bestätigt er. In dem TTP-Pamphlet heißt es, dass zu dünne und enge Kleidungsstücke unislamisch seien und ein Angriff auf die Kultur der Paschtunen darstellten.

Laut Muhammad Sarwar, Dozent am Islamia-College in Peshawar, geht es den Taliban in erster Linie darum, die Menschen in Angst und Schrecken zu halten und eine eigene Form des Islams durchzusetzen. "Der Dresscode zeigt im Grunde nur, dass es den Taliban vor allem darum geht, ihre eigenen Vorstellungen durchzudrücken. Mit solchen irrelevanten Anweisungen wollen sie sich in ständige Erinnerung rufen."


"Illegal, unmoralisch, wertlos"

Die Kleidungswahl sei ein Individualrecht, meinte er. "Der TTP steht es gar nicht zu, den Menschen Anweisungen zu geben. Diese Direktiven sind illegal, unmoralisch und wertlos. Zudem bringen sie die Menschen in den FATA in Rage."

Die FATA liegen an der Grenze zu Afghanistan, wohin sich die Taliban nach ihrer Vertreibung aus Kabul durch die US-geführten Truppen 2001 geflüchtet hatten. "Die lokale Bevölkerung hatte den Taliban Schutz gegeben, sie wie Gäste behandelt. Doch dann griffen sie die pakistanischen Streitkräfte, Gebäude und Schulen an", schimpft Afaq Ali Khan, eine Einwohner von Wasiristan.

Frauen wurden wegen angeblichen Ehebruchs geschlagen und gesteinigt, Menschen wegen vermeintlicher Spionage getötet. "Die TTP bestraft Menschen, ohne ihnen die Chance zu geben, sich zu verteidigen", so Khan.

Mit ihrer radikalen und kriminellen Vorgehensweise haben die Taliban ihre Popularität in den Stammesgebieten weitgehend verspielt. Die jüngsten Instruktionen dürften die Entfremdung in der Region nur noch vergrößern.

Die neuen Anweisungen hätten ihn zutiefst betrübt, meint Maulana Naeem Gul, ein führender Prediger in Peshawar. "Sie bringen den Islam in Verruf, der eine gewaltsame Durchsetzung der Lehre verbietet." (Ende/IPS/kb/2013)


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http://www.ipsnews.net/2013/08/taliban-fights-missing-trousers/

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veröffentlicht im Schattenblick zum 10. August 2013