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INTERNATIONAL/407: Chile - Piñera setzt auf Repression (poonal)


poonal - Pressedienst lateinamerikanischer Nachrichtenagenturen

Chile

Piñera setzt auf Repression


(Montevideo, 7. November 2019, la diaria/anred/desinformémonos) - Der chilenische Präsident Sebastián Piñera hat die Frage nach Sicherheit und Ordnung ganz nach oben auf seine Tagesordnung gesetzt. Er kündigte am 7. November eine Reihe von Maßnahmen an, "um die öffentliche Ordnung zu stärken und die Sicherheit der Bürger zu bewahren". In Begleitung des neuen Innenministers Gonzalo Blumel und des Staatssekretärs Rodrigo Ubilla berief er zudem den Nationalen Sicherheitsrat Cosena ein, ein Beratungsgremium, das zuletzt 2014 getagt hatte. Wie Radio Cooperative berichtete, besteht die Agenda Piñeras aus zehn Punkten zur Bekämpfung der Unruhen und der Verfolgung von Straftaten sowie einer Verstärkung der Überwachung.

Demnach will der Präsident ein Gesetz auf den Weg bringen, dass die Strafen für Plünderungen erhöht. Außerdem ist ein Vermummungsverbot geplant, um Menschen härter zu bestrafen, wenn sie bei Ausschreitungen vermummt sind. Zudem hält Piñera ein Gesetz für notwendig, um Straftaten gegen die öffentliche Ordnung zu bekämpfen, wenn etwa durch Barrikaden oder "Elemente" der Verkehr behindert wird. Schließlich soll auch noch eine Sonderstaatsanwaltschaft eingesetzt werden, um mutmaßliche Straftäter*innen besser verfolgen zu können.


Strengere Gesetze, härtere Strafen, mehr Überwachung

In Bezug auf die Sicherheitskräfte kündigte Piñera die Einrichtung einer Sondereinheit an, bestehend aus Staatsanwaltschaft, der Militärpolizei Carabineros und Ermittlungsbehörden, um die präventive Überwachung zu forcieren; gleichzeitig soll die Überwachung aus der Luft "erheblich" ausgeweitet werden. Ebenfalls mit Hilfe von Carabineros und Ermittlungsbehörden soll es Bürger*innen erleichtert werden, Anzeigen zu stellen und mutmaßliche Teilnehmende an Ausschreitungen leichter verfolgen zu können. Schließlich, drei Wochen nach Ausbruch der Unruhen, kündigte er ein weiteres Gesetz zum Schutz der Sicherheitskräfte an, um Angriffe auf diese härter bestrafen zu können.


Opposition: Piñera "gießt Öl ins Feuer"

Die angekündigten Maßnahmen Piñeras und die Einberufung des Sicherheitsrates stießen erwartungsgemäß auf breite Ablehnung in der Opposition. Der christdemokratische Senator Francisco Huenchumilla forderte den Präsidenten auf, einen politischen Ausweg aus der Krise aufzuzeigen. "Seine Sicherheitsmaßnahmen bedeuten, das Feuer mit Öl löschen zu wollen. (...) Der Präsident muss verstehen, dass das Problem politisch ist", erklärte er gegenüber der Tageszeitung El Mercurio. "Die Einberufung des Sicherheitsrates sei "das schlimmste Signal an die Bevölkerung, die friedliche Veränderungen fordert", kritisierte der sozialistische Senator José Miguel Insulza. Auch der Vorsitzende der Sozialistischen Partei, Álvaro Elizalde, kritisierte die Einberufung des Cosena und ergänzte: "Der Präsident glaubt, dass das, was in Chile passiert, nur ein Problem der öffentlichen Ordnung ist und gibt keine Antworten auf die sozialen Forderungen. (...) Wir brauchen eine Volksabstimmung für eine neue Verfassung und eine mutige Agenda gegen den Missbrauch, die eine Antwort auf die Bedürfnisse aller Chilen*innen gibt."

Allerdings verabschiedete die Abgeordnetenkammer am 7. November auch den Gesetzesentwurf über die 40-Stunden-Woche, den die Kommunistische Partei eingebracht hat. Bisher beträgt die Arbeitswoche 45 Stunden. Für den Entwurf stimmten 86 Abgeordnete, 31 dagegen bei 36 Enthaltungen. Der Entwurf wird nun im Senat debattiert werden.


23 Tote, 5.000 Festnahmen

Unterdessen gehen die Demonstrationen in Chile weiter. In Santiago fand die größte Kundgebung auf der Plaza Italia statt; wieder gab es Auseinandersetzungen zwischen Carabineros und Demonstrant*innen. Die Proteste erreichten auch das Bankenviertel Providencia. Die Polizei selbst schätzt die Zahl der Protestierenden landesweit auf 3,3 Millionen Menschen.

Nach Angaben des Nationalen Menschenrechtsinstituts INDH ist die Zahl der Todesopfer auf 23 angestiegen. Gegen die Polizei sind bislang fünf Anzeigen wegen Mordes, 19 wegen sexueller Gewalt und 168 wegen Folter eingegangen. Die Zahl der in die Krankenhäuser eingelieferten Verletzten liegt bei 1778, von denen 41 durch Schusswaffen und 519 durch nicht-tödliche Polizeiwaffen verletzt wurden. Über 5.000 Menschen wurden bereits festgenommen. Eine Gruppe von Anwält*innen hat Sebastian Piñera unterdessen wegen Menschenrechtsverbrechen angeklagt.


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veröffentlicht im Schattenblick zum 12. November 2019

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