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BUNDESLIGA/514: Damen - 1. Runde (SB)



Aufsteigerdilemma

Wechselhaft sind die Gesichter der Damenbundesliga von Jahr zu Jahr, und das nicht nur wegen der Ab- und Aufsteiger. Streng nach dem Reglement geht es auch in der diesjährigen 26. Spielzeit der Frauen nicht zu. Die Vereine haben in der Hauptsache ein finanzielles Problem. In Zeiten knapperer Budgets bleibt zumal für das Frauenschach nicht viel übrig, um den Spielbetrieb insbesondere in der Ersten Liga aufrechtzuerhalten, wo ohne internationales Star-Ensemble der Klassenerhalt, gar ein Medaillenrang, kaum zu erringen ist. Von diesem Kostenschock sind nicht nur kleinere Klubs betroffen, auch erfolgreiche Liga-Teams können von einer Saison zur anderen vor der ökonomischen Kapitulation stehen. Diesmal traf es die SF 1891 Friedberg und den SK Großlehna, die ihre Mannschaften nicht nur aus dem Oberhaus zurückzogen, sondern sich gänzlich vom Frauenschach verabschiedeten.

Aus der 2. Bundesliga stiegen so mit den Staffelmeistern TuRa Harksheide (Ost), SV Medizin Erfurt (West), FC Bayern München (Süd) und der Schachgesellschaft Augsburg als Vorjahreszweiter der 2. Liga Süd ausnahmsweise vier Mannschaften in die Frauenbundesliga auf, weil von den Absteigern des letzten Jahres lediglich der SK Lehrte als Drittletzter der vorgängigen Saison an einem Startplatz interessiert war. Grün-Weiß Niederwiesa und Doppelbauer Kiel hätten erstklassig bleiben können, entschieden sich aber für die 2. Liga.

Die Auflösung des Friedberger Kaders warf die Frage nach dem weiteren Verbleib der deutschen Nationalspielerinnnen auf. Melanie Lubbe wechselte zu den Rodewischer Schachmiezen, während Filiz Osmanodja und Alisa Frey künftig für Bad Königshofen an den Start gehen werden. Für Bad Königshofen ein kleiner Rettungsanker, nachdem die Starspielerin Elisabeth Pähtz in Hamburg und Josefine Heinemann in Baden-Baden unterschrieb. Des weiteren verstärkte sich Deizisau mit Elena Levushkina, und Vizemeister Schwäbisch Hall holte Lela Javakishvili fürs Spitzenbrett, da die bisherige Top-Frau Bela Kotenashvili wegen ihres vollen Terminkalenders kaum hinreichend zur Verfügung stand. Neu im Kader der Hallerinnen ist auch die U14-Spielerin Annmarie Mütsch aus Heilbronn, die zu den größten Talenten in Deutschland zählt.

Hingegen geht Titelverteidiger Baden-Badeng praktisch mit der gleichen Erfolgsmannschaft in die laufende Saison und gilt dank der drei Ex-Weltmeisterinnen Alexandra Kosteniuk, Marija Muzychuk und Antonaeta Stefanova erneut als klarer Favorit auf den Titel. Konkurrenz ist kaum zu fürchten, wenn nicht Schwäbisch Hall wie im letzten Jahr dem Liga-Flaggschiff erneut in die Quere kommt. Die übrigen Mannschaften laufen unter ferner liefen. Karlsruhe sollte sich einen Mittelplatz sichern können, während der Rest der Liga darum kämpfen wird, nicht in den Abstiegsstrudel zu geraten. Neben Lehrte mit der amtierenden U16-Europameisterin Fiona Sieber am Spitzenbrett vertraut Aufsteiger Harksheide auf junge Spielerinnen, die sich ihre Sporen im großen Geschäft noch verdienen müssen, ein gehöriges Quantum an Talent und Leidenschaft indes mitbringen. Ob das blutjunge Team aus Norderstedt oder Bayern München, Augsburg und Erfurt sich auf den viertletzten Platz im Endklassement retten werden, wird die Saison zeigen müssen. Höhepunkt ist auf jeden Fall die Schlußrunde in Berlin Anfang Mai 2017, wenn es zum Spitzenspiel Baden-Baden gegen Bad Königshofen kommt. Auf Schwäbisch Hall wird der Champion bereits im Januar treffen.

Zum Auftakt der neuen Saison mußten die Gastgeberinnen aus Lehrte und Erfurt gegen die favorisierten Spielerinnen aus Bad Königshofen und Rodewisch antreten. Nach Baden-Baden kamen Bayern München, Augsburg und Karlsruhe. Das Bundesligadebüt von Harksheide hätte mit Hamburg, Schwäbisch Hall und Deizisau kaum schwerer ausfallen können. Dort am ersten Spieltag kreuzten Hamburg und Deizisau die Klingen, während das Mädchenteam aus Harksheide auf die Kocherstädterinnen traf.

Der Unterschied in den Elo-Zahlen war zu gravierend, auch wenn Harksheide es dem Vizemeister schwer machte und Talent gegen Profi-Erfahrung aufbot. Zwei Stunden lang hielten die jungen Spielerinnen dagegen, aber vor der Zeitkontrolle purzelte eine Partie nach der anderen, so daß sich der Siegesmarsch der favorisierten Hallerinnen innerhalb von nur fünf Minuten an allen Brettern vollzog. Den Anfang machte die Französin Sophie Milliet an Brett 3 mit den weißen Steinen, und auch die 14jährige Annmarie Mütsch feierte am Schlußbrett ein gelungenes Debüt. Gegen ihre ein Jahr ältere Kontrahentin Inken Köhler verschmähte sie eine Zugwiederholung ins Remis und verwickelte die Stellung mit einem Bauernopfer. Das Risiko zahlte sich aus, obwohl bei entschiedener Verteidigung auch ein anderes Ende denkbar gewesen wäre. Ein wenig Glück hatte auch Jovana Rapport gegen Annika Polert, weil Letztere einen guten Konter übersah und schließlich das Endspiel mit einem Minusbauern aufgeben mußte. So nüchtern und schonungslos sich auch die 0:6-Auftaktniederlage ausnimmt, so darf dabei nicht vergessen werden, daß die Verantwortlichen in Harksheide auf die richtige Karte des Jugend- und vor allem Mädchenschachs gesetzt haben, damit eines vielleicht nicht allzu fernen Tages Norderstedt als Schmiede bundesdeutscher Talente eine größere Anerkennung findet.

Das Parallelspiel zwischen Hamburg und Deizisau stand lange auf Messers Schneide, möglicherweise auch, weil die Hamburgerinnen ihre Chancen nicht so gut ausnutzten, wie sie sich boten, und mehr Fehler begingen, als unbedingt nötig gewesen wäre. So stellte Sarah Hoolt in nur leicht schlechterer Stellung eine Figur gegen Elena Levushkina ein, und auch am nächsten vierten Brett gelang es Diana Baciu nicht, ihre Gewinnstellung zum Erfolg zu führen. In Zeitnot verdarb sie ihre Vorteile und mußte sich zuletzt Hanna Marie Klek geschlagen geben. Am Schlußbrett besaß Stefanie Scaramoglu zwar die deutlich bessere Stellung gegen Ingrid Lauterbach, aber wegen der tickenden Uhr rettete sie lieber einen halben Punkt. Das Dauerschach war eine kluge Entscheidung, denn Alina Zahn und Monika Socka konnten durch Siege über Mara Jelica und Zoya Schleining den Ausgleich herstellen, so daß Elisabeth Pähtz in ihrem Debüt für die Hamburgerinnen den entscheidenden Punkt zum 3,5:2,5-Sieg über Deizisau holte, als sie ein Springerendspiel mit Mehrbauern gegen Yuliya Naiditsch nach fünf Stunden Spielzeit sicher verwertete.

Gastgeber Lehrte konnte gegen Bad Königshofen nichts ausrichten. Vom zweiten bis zum letzten Brett runter gab es eine Serie von Niederlagen, und wäre nicht Fiona Sieber am Spitzenbrett gewesen, die - wie schon bei der U16-Europameisterschaft - gegen die Russin Alexandra Obolentseva siegte und damit den Trostpunkt sicherte, der Auftakt wäre zum Fiasko geworden. Wer weiß, ob dieser Brettpunkt am Ende nicht vielleicht über den Klassenerhalt entscheiden wird.

Mit dem gleichen 1:5-Ergebnis, aber unterm Strich weniger trostreich, zahlte Erfurt die Zeche für das Liga-Debüt. Mit Ausnahme von Natasa Richterova und Hannelore Kube, die gegen Joanna Majdan-Gajewska und Claudia Steinbauer zumindest je ein Remis retteten, wurden die übrigen Erfurterinnen zur leichten Beute der Rodewischer Schachmiezen.

Nichts ist undankbarer, als zum Liga-Start ausgerechnet gegen den Titelverteidiger in seiner Rolle als Gastgeber antreten zu müssen, und um wie viel mehr galt dies im Spiel gegen Baden-Baden für den Aufsteiger Augsburg, der mit dem einzigen Remis von Astrid Amelang gegen Iamze Tammert noch glücklich und zufrieden sein mußte. Lehrjahre sind keine Herrenjahre, sagt das Sprichwort, aber manchmal kommt es schon ziemlich dicke.

Besser verkaufte sich dagegen Aufsteiger Bayern München im Parallelduell gegen Karlsruhe. Keine Partie endete mit Remis, bis zum letzten Zug wurde gekämpft, und immerhin konnten die Damen aus Bayern am Spitzenbrett mit Carolin Dirmeier gegen Jessica Schmidt gar einen Siegpunkt verbuchen, und auch Milka Ankerst bewies am dritten Brett gegen Veronika Kiefhaber, daß ein Aufsteiger auch austeilen kann. Doch der 4:2-Gesamterfolg für Karlsruhe war dank der Siege von Manuela Mader, Paula Brendel, Bergit Brendel und Sarah Hund durchaus verdient.

Runde 1, am 22.10.2016



TuRa Harksheide - SK Schwäbisch Hall 0:6

Endress, Anna - Atalik, Ekaterina 0:1
Sherif, Amina - Daulyte, Deimante 0:1
Wächter, Nathalie - Milliet, Sophie 0:1
Polert, Annika - Vojinovic, Jovana 0:1
Rosmait, Emily - Ambartsumova, Karina 0:1
Köhler, Inken - Mütsch, Annmarie 0:1



Hamburger SK von 1830 - SF Deizisau 3,5:2,5

Pähtz, Elisabeth - Naiditsch, Yuliya 1:0
Socko, Monika - Schleining, Zoya 1:0
Hoolt, Sarah - Levushkina, Elena 0:1
Baciu, Diana - Klek, Hanna Marie 0:1
Zahn, Alina - Jelica, Mara 1:0
Scognamiglio, Stefanie - Lauterbach, Ingrid 0,5:0,5



OSG Baden-Baden - SG Augsburg 1873 5,5:0,5

Zatonskih, Anna - Hapala, Lisa 1:0
Kachiani-Gersinska,Ketino - Birkholz, Olga 1:0
Kovalevskaya, Ekaterin - Horvath, Maria 1:0
Arakhamia-Grant, Ketevan - Woniak, Katarzyna 1:0
Tammert, Iamze - Amelang, Astrid 0,5:0,5
Haussernot, Cecile - Braun, Kristin 1:0



Karlsruher SF 1853 - FC Bayern München 4:2

Schmidt, Jessica - Dirmeier, Carolin 0:1
Mader, Manuela - Vidonyak, Nellya 1:0
Kiefhaber, Veronika - Ankerst, Milka 0:1
Wiesner, Paula - Niedermaier, Barbara 1:0
Brendel, Bergit - Spiel, Marianne 1:0
Hund, Sarah - Roos, Karin 1:0



SK Lehrte - SC Bad Königshofen 1:5

Sieber, Fiona - Obolentseva, Alexandra 1:0
Krasnodebska, Magdalen - Osmanodja, Filiz 0:1
Schulze, Lara - Melamed, Tatjana 0:1
Zschischang, Marine - Schöne, Maria 0:1
Schulze, Dorothee - Belenkaya, Dina 0:1
Markgraf, Claudia - Frey, Alisa 0:1



SV Medizin Erfurt - Rodewischer Schachmiezen 1:5

Richterova, Natasa - Majdan-Gajewska, Joanna 0,5:0,5
Troyke, Doreen - Kochetkova, Julia 0:1
Müller-Ludwig, Kristin - Theissl-Pokorna, Regina 0:1
Anisheva, Varvara - Lubbe, Melanie 0:1
v.d. Weth-v. Nordheim, Petra - Korenova, Martina 0:1
Kube, Hannelore - Steinbacher, Claudia 0,5:0,5

 Stand nach der 1. Runde: 
1.
2.
3.
4.
5.
6.
7.
8.
9.
10.
11.
12.
SK Schwäbisch Hall
OSG Baden-Baden
Rodewischer Schachmiezen
SC Bad Königshofen
Karlsruher SF 1853
Hamburger SK von 1830
SG Augsburg 1873
SF Deizisau
FC Bayern München
SK Lehrte
SV Medizin Erfurt
TuRa Harksheide
1
1
1
1
1
1
1
1
1
1
1
1
2
2
2
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2
0
0
0
0
0
0
6  
5,5
5  
5  
4  
3,5
0,5
2,5
2  
1  
1  
0  

25. Oktober 2016


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