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SCHACH-SPHINX/02835: Vorlaute Prognose (SB)


Als Ende der 60er Jahre die ersten Schachcomputer unter die Lupe genommen und von den Meistern und Großmeistern des Königlichen Spiels getestet wurden, da fiel ihr Urteil niederschmetternd aus. Vielleicht in hundert Jahren, so der herablassende Tenor, werde ein künstlicher Denkapparat einen Schachspieler besiegen können; aber dieser wäre dann auch nur ein blutiger Laie. Nie und nimmer, darin waren sich die Herren Schachphilister einig, werde ein 'Blech- und Diodenkasten' auch nur einen mittelmäßigen Spieler bezwingen. Aber schon die dritte Computergeneration belehrte die vorlauten Schachdenker eines Besseren. Von Jahrzehnt zu Jahrzehnt hatten die Schachcomputer immer schnellere und evolutionäre Entwicklungsschritte gemacht. Und 1996 war es dann soweit. Der IBM-Computer Deep Blue griff nach der Schachkrone. Herausgefordert wurde der russische Profi-Weltmeister Garry Kasparow, der wohl beste Schachspieler, den es je gegeben hat. Die Schachwelt hielt damals regelrecht den Atem an vor Schreck, weil Kasparow nämlich die erste Partie im Wettkampf Mensch gegen Maschine verlor. Daß er zuletzt mit 4:2 dennoch das rettende Ufer erreichen konnte, lag daran, daß er seinen Stil verändert und Deep Blue mit "Intuition" aus dem Konzept gebracht hatte. Daß Deep Blue Revanche fordern würde, war klar. Schließlich hatte IBM ein gestandenes Interesse daran, die Rechengeschwindigkeit und -genauigkeit seines Sprößlings zu verbessern. Mit der weiterentwickelten Version von Deep Blue, im Branchenjargon scherzhaft 'Deeper Blue' genannt, konnte das fünfköpfige Expertenteam von IBM Kasparow in New York in die schachlichen Schranken verweisen. Die amerikanische Presse baute das Rematch erwartungsgemäß zu einem Jahrhundert-Ereignis aus. Graue Zellen gegen elektronische Schaltkreise. Kasparow verlor zwar, aber mit dem Medienzirkus konnte er das Schach einmal mehr aus dem toten Winkel der Berichterstattung herausreißen. Im heutigen Rätsel der Sphinx hatte er es mit einem menschlichen Kontrahenten zu tun. Boris Gelfand, mit den schwarzen Steinen spielend, hätte nun auch mit Hilfe von Deeper Blue die Partie nicht mehr retten können, denn Kasparows Gewinnkombination war von durchschlagender Wirkung, Wanderer.



SCHACH-SPHINX/02835: Vorlaute Prognose (SB)

Kasparow - Gelfand
Linares 1993

Auflösung des letzten Sphinx-Rätsels:
Die schwarze Stellung pfiff bereits aus allen Löchern. Anand machte Schluß, indem er 1.Tf1-f6! zog. Sein Kontrahent Barejew kapitulierte sogleich, weil das Matt weder durch 1...Lg5xf6 2.e5xf6 noch durch 1...Lg5-d2 2.Dh5-g4+ zu verhindern war.


Erstveröffentlichung am 28. Juni 1999

17. April 2010