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SCHACH-SPHINX/04639: Dispositiv der Zeit (SB)


Stetig tickt die Uhr und frißt die Zeit. Sklaven sind wir ihrer Schonungslosigkeit. Der Zeiger eilt voran, wir hinterher, ein Wettlauf, den zu gewinnen, kein Mensch imstande ist. Und doch wird dies Räderwerk zum Götzen erhoben, dem wir willig dienen. Man stelle sich eine Ewigkeit vor, die in einem Ziffernblatt gefangen ist. Absurder Gedanke! Aber nichts anderes ist eine Uhr. Mit ihrer Hilfe soll die Unendlichkeit verfügbar gemacht werden. Verfügbar für wen? Der Schachspieler kennt sie als Triebfeder seiner Gehetztheit. Sie tritt ihm als Grenze entgegen, die er nicht überschreiten darf, dann wieder rollt sie im nächsten Moment als Walze auf ihn zu, unerbittlich, grausam, mit einer Bewegung, die ihn zu erschlagen droht. Wieviele gute Einfälle sind schon durch sie zunichte gemacht worden? Und doch fasziniert sie den sterblichen Geist. Die Zeit zu besiegen, Herr über sie zu werden in einem festgefügten Rahmen, das nennen wir eine Partie, vergessen dabei jedoch, daß wir uns zuallererst ihrer Bedingungsgewalt unterwerfen müssen. Ist der Lohn die Qualen wert? Kann Zeit je ein Freund des Menschen sein, oder haben wir uns durch sie nur eine rachsüchtige Harpyie geschaffen, verschlingend, geisttötend? Die Uhr tickt, sie frißt die Zeit, und wenn nichts mehr zu fressen übrigbleibt, frißt sie auch uns. Im heutigen Rätsel der Sphinx war es Meister Tal, der sich die Zeit jedoch zunutze machte, um mit einem vorübergehenden Opfer ein wichtiges Angriffstempo zu gewinnen. Also, Wanderer, welche Stunde schlug für Schwarz?



SCHACH-SPHINX/04639: Dispositiv der Zeit (SB)

Tal - Keller
Zürich 1959

Auflösung letztes Sphinx-Rätsel:
In die Stille hineinhorchend fand Meister Kirilow die Angriffswendung 1...Ld6xh2+! 2.Kg1xh2 Dd8-h4+ 3.Kh2-g1 Lb7xg2! 4.Kg1xg2 Tc7-c6 5.Lc1- f4 - 5.f2-f4 Tc6-g6+ 6.Kg2-f3 Dh4-g4+ 7.Kf3-f2 Dg4-g2# oder 5.Tf1-g1 Tc6-g6+ 6.Kg2-f3 Dh4-f6+ 7.Lc1-f4 Df6-c6# - 5...Df4xh4 6.Tf1-h1 Tc6-f6 7.Th1-h2 Tf6-g6+ und Weiß gab auf wegen 8.Kg2-h1 Te8-e1+! 9.Dd1xe1 Df4- f3+


Erstveröffentlichung am 28. Januar 2001

29. Januar 2013





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