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SCHACH-SPHINX/04973: Orakelspruch im Rauch (SB)


Die Jahre nach dem Ersten Weltkrieg waren entbehrungsreich und bitter und schufen einen neuen Typhus vom Schach- hin zum Überlebenskünstler. Einer dieser gewitzten Gestalten war der österreichische Meister Baldur Hönlinger. Zigarrerauchen und Denken gingen bei ihm Hand in Hand. Der Rauch beruhigte seine Nerven und verlieh seinen Gedanken Flügel. Aber in den kargen Zeiten konnte er bestenfalls eine Zigarre pro Partie aufwenden. Und selbst mit dieser einen mußte er sorgfältig haushalten, zumal die Partien oftmals länger dauerten, als die Zigarre qualmte, um seinen Geist zu erfrischen. Um in den entscheidenden Phasen nicht ohne den Beistand seines Tabaks spielen zu müssen, zündete er sie sich zwar anfangs an, aber ließ die Glut ausgehen. Erst wenn sich die Entscheidung anbahnte, griff er wieder zur Zigarre und entzündete die zweite Hälfte, besonders, wenn sich ein Sieg für ihn abzeichnete. Denn schade wäre es gewesen, in einer Stellung mit Remisausgang den kostbaren Tabak zu verschwenden. Also steckte Meister Hönlinger den Rest seiner Zigarre weg, was soviel hieß wie, 'ich werde früher oder später Remis anbieten'. Auf diese Gewohnheit konnten sich seine Gegner verlassen und da sie von seinem wachen, in der Not erfinderisch gewordenen Verstand überzeugt waren, willigten sie in den meisten Fällen auch ins Unentschieden ein, wenn Meister Hönlinger seine zurückgelegte Zigarrenhälfte nicht wieder hervorholte. Auch das heutige Rätsel der Sphinx stammt aus einer mageren Zeit. 1912 in Karlsbad standen bereits die Zeichen des Europa in ein Schlachtfeld verwandelnden Krieges nur zu deutlich auf den Gesichtern der Schachmeister geschrieben. Vielleicht, daß sich eine böse Ahnung zwischen die Gedanken von Meister Kostitsch geschoben hatte, als er seinen letzten Zug 1...Db6-e6? abgab. Sein Kontrahent Fahrni konnte darauf einen vollen Punkt verbuchen. Aufgrund welcher kleinen Gewinnkombination, Wanderer?



SCHACH-SPHINX/04973: Orakelspruch im Rauch (SB)

Fahrni - Kostitsch
Karlsbad 1912

Auflösung letztes Sphinx-Rätsel:
Turm und Springer auf der Grundreihe des Weißen waren völlig machtlos, als der norwegische Meister Agdestein mit 1.Sh4-f5! den Schlußstrich setzte. Der Engländer Adams gab sich sofort geschlagen, denn gegen die beiden Drohungen 2.Sf5xe7+ und 2.De3-h6 war keine Parade zu finden, zumal die Annahme des Springeropfers 1...g6xf5 an 2.De3-g5+ Kg8-f8 3.Dg5-g7# scheiterte.


Erstveröffentlichung am 17. Mai 2001

29. Dezember 2013





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