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SCHACH-SPHINX/05288: Das süßeste Vergessen der Welt (SB)


"Das viele Hin- und Hergereise ist ein Kreuz", klagte einst ein Amateur der edlen Kunst, den es weltweit zu den Turnieren treibt. Daß er trotz seiner leidenschaftlichen Besessenheit für die knisternde Atmosphäre der Turniersäle wie ein Heide fluchte, lag schlicht daran, daß er eines noch lieber tat, als Turnierluft zu schnuppern, nämlich zu Hause am Analysebrett zu sitzen und dem sich "süßesten Vergessen der Welt" hinzugeben. So wie dieser Amateur klagen viele Großmeister darüber, daß ihnen die moderne Welt einen Reisezwang auferlegt, der einen Großteil ihrer Zeit verschlingt. Bald findet ein Turnier in Belgrad, dann wieder in New York und übermorgen in Linares statt. Bei der überwältigenden Konkurrenz auf der mit Preisgeldern ohnehin nicht gerade üppig gesäten Schachbühne hat man kaum die Wahl, ob man hinfährt oder nicht. Das schmale Portemonnaie führt bekanntlich das letzte Wort bei solchen Unentschlossenheiten. Nicht wenige Meister wechseln daher recht früh den Beruf. Statt sich mit Brettproblemen das Brot zu verdienen, gehen sie anderen Beschäftigungen nach, die wenig bis gar nichts mehr mit dem Schachspiel zu tun haben. Nicht jeder versteht es, mit geschwungener Feder Bücher zu schreiben, die ein Lesepublikum zu begeistern imstande sind. So bleibt die Kunst zumeist auf der Strecke, wird Hobby, schließlich sporadisches Vergnügen und dann - Ende der Reise - ein Requisit für die verstaubte Dachkammer. Doch nun genug mit der Jammerlitanei, zurück zum heutigen Rätsel der Sphinx! In der Diagrammstellung lag es am Nachziehenden, sich gegen den Angriff auf seine Dame etwas einfallen zu lassen. Der belgische Großmeister O'Kelly de Galway hatte zuletzt 1.Sf3-d4!? gezogen, was der weißen Stellung nach 1...e5xd4 2.Dc3xd4 durchaus den Vorzug gegeben hätte. Allein, Meister Devos dachte gar nicht daran, dem Amtsschimmel auf dem Leim zu gehen und überraschte seinen Kontrahenten daher mit einer siebenzügigen Mattkombination. Viel Vergnügen, Wanderer, beim "süßesten Vergessen der Welt"!



SCHACH-SPHINX/05288: Das süßeste Vergessen der Welt (SB)

O'Kelly - Devos
Zürich 1965

Auflösung letztes Sphinx-Rätsel:
Die bestechende Kombinationskunst Deschapelles zeigte sich in seiner Partie gegen La Bourdonnais am schillernsten, wo nach 1.Sg4xh6+ g7xh6 das grandiose Damenopfer 2.Dc3-h8+!! zum Sieg führte. Eine kleine Pointe folgte noch, denn nach dem erzwungenen 2...Kg8xh8 drohte 3.Ke7- f7! Matt durch 4.Lh4-f6#, gegen das La Bourdonnais machtlos war und daher aufgab. Deschapelles hätte unterdessen auch nach 1...Kg8-h8 ein erfolgreiches Damenopfer anbringen können: 2.Sh6-f7+ Kh8-g8 3.Dc3xg7+!! Kg8xg7 4.Lh4-f6+ Kg7-g8 5.Sf7-h6#


Erstveröffentlichung am 08. Dezember 2001

09. November 2014





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