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SCHACH-SPHINX/05303: Ein fatales Capriccio (SB)


Vollende, wo die Gelegenheit günstig ist, wo nicht, ist Untergang der Lohn. Im Schach gilt diese Lebensweisheit um so mehr, als dem Gegner selbst in verlorenen Stellungen noch giftig verborgene Kontermöglichkeiten bleiben. So hatte unser Schachfreund Tomovic fälschlicherweise in Gedanken bereits die Arme zum Triumph erhoben und ohne großes Nachdenken in der Diagrammstellung mit 1.Ta5-e5+? Schach gegeben, statt den richtigen Zug 1.Ta5-a8! zu tun. Die Rechnung wurde ihm prompt serviert, und so verließ er nicht als Sieger, sondern als gelackmeierter Verlierer den Turniersaal. Du fragst dich sicherlich, Wanderer, warum hinter 1.Ta5-e5+? ein Fragezeichen steht, denn fragezeichenwürdig war der Turmzug allemal, weil nämlich Meister Sokolov danach tatsächlich noch zu einem grandiosen Mattbild kam. Capriccio nennt man in der Musiksprache ein Stück von heiterer, aber auch eigenwilliger Nuancierung. Aber eine Caprice heißt auf italienisch auch Grille, Laune, unüberlegtes Handeln, irrwitzige Eingebung. Zu beweisen, daß Meister Tomovic einer fatalen Capriccio zum Opfer fiel, ist Aufgabe im heutigen Rätsel der Sphinx.



SCHACH-SPHINX/05303: Ein fatales Capriccio (SB)

Tomovic - Sokolov
Belgrad 1961

Auflösung letztes Sphinx-Rätsel:
Werke von ewiger Dauer sind Schachpartien gewiß nicht, aber einige Jahrzehnte können sie ihren Schöpfer durchaus überleben, und vielleicht wird auch Meister Adams' Sieg über den Amerikaner Gurewitsch in die zarten Fäden der Erinnerung eingehüllt werden, denn mit dem Damenopfer 1...Da4xd1+! schwächte er die weiße Grundreihe entscheidend und machte so aus dem schwarzen Freibauern auf c3 einen unüberwindlichen Riesen: 2.Dc1xd1 c3-c2. Gurewitsch versuchte noch 3.Dd1-d2, mußte aber nach 3...Tb8-b1+ die Waffen strecken. Geholfen hätte unterdessen auch 3.Dd1-c1 nicht wegen 3...Tb8-b1 4.Sc5-b3 Lf6-b2 und Ende der Litanei.


Erstveröffentlichung am 23. Dezember 2001

24. November 2014





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