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SCHACH-SPHINX/05359: Ewiggrünendes Lorbeerlob (SB)


Welches Lob kann man einem Schachmeister machen? Vielleicht, indem man seinen Stil göttlich nennt, oder daß seine Einfälle selbst der Muse die Schamesröte ins Gesicht treiben würden. Auch die Lobesvariante, daß kein menschlicher Geist je zuvor solch einen Bergesgipfel erklommen habe, ergötzt die Seele. Aber es ist eben Schmeichelei im Spiel, und so haben die Worte immer etwas Aufgesetztes, einen Schatten, der wissen läßt, daß das Herz mit falscher Zunge gesprochen hat. Allerdings gibt es auch Lob, an dem nichts Falsches klebt, und eine solche Geisteskrone verlieh der PCA-Weltmeister Garry Kasparow vor nicht allzu langer Zeit seinem Thronanwärter Wladimir Kramnik. Der schlaksige Jüngling aus Tuapse am Schwarzen Meer überrage seine Konkurrenz in seinen strategischen Gedanken, weswegen Kasparow auch sagte: "Kramnik macht nicht Züge, sondern spielt Schach!" Wie, staunt man da, ist das alles? War bei diesem Lob vielleicht doch eine Spur von Neid im Spiel? Das lag Kasparow fern. Keine Ehrbezeugung hätte respektvoller sein können. Züge machen, ja, das kann auch der Stümper. Selbst einem blutigen Laien kann ein guter Zug gelingen, aber was will das schon besagen. Der Zufall hat dann meistens die Finger im Spiel. Aber eine Partie sozusagen aus einem Guß zu spielen, ist das Höchste, das haben viele Meister, und solche, die sich dafür halten, kaum in einer Handvoll Partien vollbracht. Schach spielen, nicht Züge machen, das ist ein Grad von Meisterschaft, der seinesgleichen sucht und daher auch ein ewiggrünendes Lorbeerlob verdient, eben, daß ein Meister Schach spielt! Mehr bedarf es nicht zu sagen. In seiner Partie gegen den in Israel lebenden Großmeister Leonid Judasin gelang Kramnik mit den schwarzen Steine ein würdiger Abschluß. Sein Kennerblick verpönte die Fortsetzung 1...Sf5xe3 2.f2xe3 Df4xe3 3.d5-d6, was der weißen Stellung Remischancen einräumen würde. Also, Wanderer, welchen Zug wählte Kramnik im heutigen Rätsel der Sphinx?



SCHACH-SPHINX/05359: Ewiggrünendes Lorbeerlob (SB)

Judasin - Kramnik
Amsterdam 1994

Auflösung letztes Sphinx-Rätsel:
Der weiße König zahlte die Zeche für seine Dame, der Herumtreiberin. Seine Burg wurde nämlich mit 1...Sh4-f3+! überrannt. Die Annahme des Opfers war Pflicht, da 2.Kg1-h1 Da1xf1# Matt zur Folge hätte. Aber auch 2.g2xf3 bewahrte ihn vor diesem Schicksal nicht: 2...Td6-g6+ 3.Kg1-h2 Lf8-d6+ 4.f3-f4 Ld6xf4+ 5.Kh2-h1 Da1xf1#


Erstveröffentlichung am 14. Februar 2002

19. Januar 2015





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