Schattenblick → INFOPOOL → SCHACH UND SPIELE → SCHACH


SCHACH-SPHINX/05596: Spötterdämmerung (SB)


Von den alten Arabern sind viele Schachgeschichten und -anekdoten überliefert. Schreibbeflissen wie ihre Gelehrten waren, hielten sie alles Wichtige mit Tinte und Feder fest. Neben einer Unzahl von meist belehrenden Geschichten aus dem höfischen Bereich, finden sich auch eine Menge Begebenheiten aus dem eher profanen Milieu, die das Zeitkolorit auf eine bestechend scharfe Weise weitergeben. Man erinnere sich, daß das Schachspiel bei den Arabern ähnlich wie im mittelalterlichen Europa zunächst von der religiösen Orthodoxie angefochten wurde, weil man vermutet hat, daß darin ein die göttliche Vorsehung außer Kraft setzendes Element, nämlich der Zufall, am Wirken sei. Und alles Zufällige wurde dem teuflischen Widersacher angelastet. In Europa ging man selten soweit und begnügte sich eher mit dem Hinweis darauf, daß das Schachspiel die Mönche von ihren Gebeten und Ordensverpflichtungen abhielte. Im zivilen Umfeld jedoch blühte das Schach in Altarabien zu einer echten Kunstform auf. Manche Meister waren vielgerühmt, weil sie ohne Ansicht des Brettes zu spielen vermochten oder findig beim Erkennen mehrzügiger Mattkombinationen waren. Dieses Ansehen erklärt auch, warum es nicht leicht war, einen solchen Meister der Schachkunst zu einer Partie herauszufordern. Nicht nur, daß es unter der Hand um Wettpreise ging. Der Meister hatte auch auf seinen Ruf zu achten. Wenn er mit jedem Dahergelaufenen eine Partie Schach gespielt hätte, wäre sein Ansehen, von dem er lebte, dahin gewesen. So blieb es den Adligen und Vermögenden vorbehalten, ihr Können mit denen des Meisters zu messen. Um vorlaute Novizen abzuschrecken, übten sich die Meister auch in der Kunst des Spottes. So ist zum Beispiel in einem arabischen Manuskript zu lesen: "Ich finde entschuldbar, daß die Kamele, die schon beißen können, es wagen, mich herauszufordern. Aber was habe ich mit den Lämmern zu tun?" Der so Gescholtene zog meist mit eingezogenem Kopf davon, und der Meister hatte seine Ruhe. Wie es einem weniger arrivierten Spieler ergehen kann, wenn er einen Großmeister herausfordert, war in der Partie zwischen Victor Ciocaltea und Bobby Fischer deutlich zu sehen gewesen. Der rumänische Meister hatte eine gewagte Opfervariante der Sizilianischen Verteidigung gegen Fischer gewählt und war prompt gescheitert. Im heutigen Rätsel der Sphinx ist die Schlußstellung dieser Begegnung zu sehen. In der Analyse beschäftigte man sich mit der möglichen Fortsetzung 1.Dg2-d2 Df5-f2 2.Te1-e2 Df2-f1+ 3.Kb1-b2 Tf6-f3 4.Sc6-d4. Doch Fischer wies nach, daß Weiß sodann zwangsläufig verloren hätte. Wie, Wanderer?



SCHACH-SPHINX/05596: Spötterdämmerung (SB)

Ciocaltea - Fischer
Natanya 1968

Auflösung des letzten Sphinx-Rätsels:
Der Zug 1...Sg5xe4 war stark genug, um die Partie für Schwarz zu entscheiden, einer Art Hilfsmatt hätte es da gar nicht mehr bedurft, aber da Weiß nach 2.Kc2xd3 Se4-c5+ mit 3.Kd3-c4? in die Falle ging, folgte eben ein nettes Springermatt: 3...d6-d5+ 4.Kc4-b4 Sc5-a6# Auch nicht alltäglich.


Erstveröffentlichung am 02. Oktober 2002

13. September 2015


Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang