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SCHACH-SPHINX/05599: Remiseure auf Schleichfahrt (SB)


Angesichts der schnellebigen Zeit ist man in der Tat erstaunt über die stillen Oasen, die sich gegen den Strom an verwachsenen Ufern festkrallen. Gemeint sind die auf Kalkül frühzeitig beschlossenen Remispartien, die dem Partiengemälde auf Großmeisterturnieren farblose Tupfer bescheren. Wer wundert sich dann noch, wenn hochkarätige Spieler wie Anatoli Karpow oder Robert Hübner sich in Stellungen die Hand zum Friedensschluß reichen, wo der Laie und Novize überhaupt anfangen würde, ernste Pläne zu schmieden. Zur Verulkung des Ganzen wurde der Begriff 'Salonremis' eingeführt, brachte er doch zum Ausdruck, daß die werte Herrschaft geruhte, ein Nickerchen einzuschieben. Geht den Meistern der Stoff zu Angriffspartien aus? Gehört kompromißloses Spiel zum antiquierten Repertoire? Remiseure sind auf Schleichfahrt, und je höher man auf der Leiter der Elo-Zahlen hinaufblickt, desto schonungsloser werden Partien beendet, ehe sie richtig angefangen haben. Die Schande steht diesen Machwerken ins Gesicht geschrieben. Allein, niemand schert sich darum. In den Fachjournalen werden sie erst gar nicht abgedruckt oder nur mit dem Hinweis vermerkt, daß dieser und jener Meister eine Remisvariante gewählt hatte. Ginge es nach dem Leistungsprinzip, ein beträchtlicher Teil der Partien müßte annulliert werden. So gesehen überrascht es nicht, daß zumal die Turnierveranstalter allen Ernstes erwägen, Remispartien, die nur dem Scheine nach gespielt wurden, künftig nicht mehr mit einem halben Punkt "auszuzeichnen". Im Grunde ist der Gedanke so hinterwäldlerisch nicht, denn jeder Provinzheini mit einigermaßen begabtem Schachverstand könnte ein Remis nach zehn oder fünfzehn Zügen absolvieren, sofern die Spielbereitschaft bei beiden Akteuren ohnehin auf Null geht. Man spiele den Leierkasten und sammle dann die Meriten ein. Andere, die alles riskieren und mitunter nur deswegen kein Preisgeld kassieren, weil sie jede Partie ernstgenommen hatten, sind die Gelackmeierten bei diesem Remisgeschiebe. Daß es auch anders geht, daß Mut nicht nur symbolische Zierde auf einem Wappen sein muß, bewiesen im heutigen Rätsel der Sphinx die beiden Fernschachler Schurawlew und Prieditis. Weiß war am Zuge und sagte sich, wozu Porto verschwenden, wenn man nicht spielen will und glänzte mit einem sternfunkelnden Angriff. Was sagst du dazu, Wanderer?



SCHACH-SPHINX/05599: Remiseure auf Schleichfahrt (SB)

Schurawlew - Prieditis
Fernpartie 1968

Auflösung des letzten Sphinx-Rätsels:
Ach, das Weiße im Auge unseres Schachfreundes Kopylow schien bereits in siegessicherer Erwartung zu glänzen, doch als sein Kontrahent Danow den Zug 1...Kc7-b6!! ausführte, war es mit der Freude vorbei. Aus gutem Grund, denn nach 2.Te7xd7 hätte das Familienschach 2...Sc5-e4+ allen Hoffnungen ein Ende bereitet.


Erstveröffentlichung am 05. Oktober 2002

16. September 2015


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