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SCHACH-SPHINX/05616: Elysische Gärten (SB)



Als Autor der gleichermaßen tiefsinnig wie grotesken "Galgenlieder" hat der Schriftsteller, Dramaturg und Übersetzter Christian Morgenstern auch über die Landesgrenzen hinaus Berühmtheit erlangt. Daß er durchaus nicht nur für die schwarze Seite des Lebens schrieb, ist weniger bekannt geworden. Nach seinen eigenen Worte hatte er durchaus höhere Ziele im Kopf, als nur die Niederungen menschlicher Leidensverstrickung aufzuzeigen: "Ich will vom Menschen nicht lassen." Also gab er den menschlichen Hoffnungen und Wünschen in Worten Gestalt und vergaß dabei auch nicht, das Schachspiel als pointensicheren Obulus einzusetzen auf der Fahrt von der Unsicherheit des Lebens hinüber zu den elysischen Gärten. In seinem Gedicht "Schachsonett" brachte er diese Erkenntnis unter:

Dem edlen Schach vergleich ich das Sonett. Eröffnung, Aufbau, Mittel-, Endspiel traun, das alles ist hier wie dort zu schaun, und auch selbst hier sitzt oft ein - Paar am Brett.

Vier Züge schon vorbei! Gefährlich Baun! Verwirrung trübt mich ... Opfer und - Verlust! ... Doch dieser Zug jetzt macht den Fehler wett. Und auch dem Endspiel darf ich noch vertraun.

Jetzt brenn ich erst; und spür mich Brust an Brust; und greife nicht mehr fehl im strengen Kriege; und lege meisternd Hand auf Brett und Blatt.

Noch einmal blitzt das feindlich Florett - doch ich parier's, - und nun auch schon: Schachmatt! Ich muß erst immer fallen, eh ich siege.

Schachmatt und Schiffbruch erlitt im heutigen Rätsel der Sphinx auch Meister Hort mit den weißen Steinen. Weil ihm die Zeitnot arg auf den Gedanken lastete, zog er zuletzt mit 1.Dg3-g6? fehl und erlaubte seinem Kontrahenten Gligoric so, auf prächtige Weise zu siegen. Mach' deinen Zug, Wanderer!


SCHACH-SPHINX/05616: Elysische Gärten (SB)

Hort - Gligoric
Wijk aan Zee 1971

Auflösung des letzten Sphinx-Rätsels:
Wolfgang Unzicker trieb es allzu sorglos mit seiner Stellung, und obwohl er die Gefahr nach 1.Td4-a4 Tf6-f1! gesehen hatte, unterschätzte er sie doch im Glauben darauf, nach 2.Dh3xe6+ Kg8-h8 - möglicherweise hatte er auf 2...Kg8-f8? 3.De6-f5+! spekuliert - 3.Sc3- e2 die Lage meistern zu können. Doch falsch gedacht, Tal entpuppte den Gedanken als Irrtum: 3...Dc5-f2! 4.De6xe7 h7-h6! - bannt alle Gefahr und holt die goldenen Siegesfrüchte ein - 5.De7xd6 Df2xe2 6.Dd6-c5 Se5- g4 und da auf 7.h2-h3 Sg4-e3! gefolgt wäre, gab sich Unzicker sogleich geschlagen.


Erstveröffentlichung am 22. Oktober 2002

03. Oktober 2015


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