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SCHACH-SPHINX/05635: Attitüde des Denkerischen (SB)


In einem versteckten Winkel wird jeder Schachspieler so seine Zweifel darüber haben, was im Kern das Schach eigentlich ausmacht. Über die Jahre hat man sich an seinen Ansprüchen rundum abgerieben. Man mag das Blatt des Eigenlobs nicht mehr. Weder hören will man, daß das Schachspiel der Gipfelpunkt der rein geistigen Evolution sein soll, noch, daß die Spieler selbst mit "gesundem Menschenverstand", wie es der Ex-Weltmeister Emanuel Lasker so gern propagiert hat, verschwenderisch ausgestattet seien. In der gesellschaftlichen Reflexion wird die Fahne noch hochgehalten, doch im stillen Kämmerlein, bei Kerzenschein, gibt man sich besonnener und kommt auf den nüchternen Boden zurück. Ein Spiel ist das Schach, das irgendwann einmal, wer will schon den genauen Zeitpunkt lokalisieren, von zunächst klösterlich-, später bürgerlich-gebildeten Kreisen mit der Attitüde des Denkerischen behaftet wurde. Es gibt nun sicherlich auch böse Zungen, die im Schachspiel eine im Stupiden erstarrte Langeweile sehen und längst vermuten, was kritische Schachspieler ohne Häme lange schon über sich selbst ahnen, nämlich, wie es der eingebürgerte Großmeister aus der alten Tschecheslowakei, Vlastimil Hort, einmal sagte: "Die Schachspieler sind vollkommene Idioten mit spezieller Begabung." Daß Schach seit jeher weniger Denk-, als vielmehr Handwerk war, wird dabei gerne übersehen. Aus dem Irrtümlichen ergeben sich eben immer nur unlösbare Widersprüche. Als Handwerker wiederum besitzt Hort ein waches Auges und eine erprobte Hand für kombinatorische Keulenschläge. Im heutigen Rätsel der Sphinx gegen den Bundesligaspieler Stefan Bücker - Hort befehligte die weißen Steine - sah es ganz danach aus, als müßte er seinen Figurenraub wieder zurückgeben. Schließlich bedrohte die schwarze Dame auf langer Bahn den weißen Königsturm und außerdem stand Horts Dame im Visier des schwarzen Turms. Nun, Wanderer, war dem wirklich so?



SCHACH-SPHINX/05635: Attitüde des Denkerischen (SB)

Hort - Bücker
Bad Neuenahr 1987

Auflösung des letzten Sphinx-Rätsels:
Der Kortschnojsche Drachen hatte weder Zähne noch einen Feueratem. Für den Ritter Karpow ein willkommenes Opfer. Mit 1.e4-e5! stieß er die Lanze vor. Kortschnoj wich noch geschickt aus, indem er 1...d6xe5 2.Sd5xf6+ e7xf6 3.Sf4-h5! g6xh5 4.Th1-g1+ vermied, aber auch nach 1...Le6xd5 stand er nicht auf sicheren Drachenfüßen, und so wurde er nach 2.e5xf6 e7xf6 3.Dh6xh7+ Kg8-f8 4.Dh7-h8+ brutal zu Boden gerissen. Besiegt in der eigenen Höhle, denn nach 4...Kf8-e7 5.Sf4xd5+ Da5xd5 6.Th1-e1+ wäre der Rest nur noch Agonie gewesen.


Erstveröffentlichung am 10. November 2002

22. Oktober 2015


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