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SCHACH-SPHINX/06486: Mal rabiat, mal tödlich ironisch (SB)


Die 1970er und frühen 1980er Jahre standen ganz im Zeichen einer Rivalität, die ihresgleichen in der Schachgeschichte wohl vergeblich sucht. Die Protagonisten dieser frontverhärteten Fehde hießen Viktor Kortschnoj und Anatoli Karpow, Letzterer Weltmeister der FIDE, Ersterer sein vergeblicher Thronräuber. Daß sich beide menschlich nicht nahestanden, kommt auch unter anderen Großmeistern vor. Der Mensch ist ein Kind von Neigungen, und so nennt er eben nicht alle Artgenossen Freund. Karpow und Kortschnoj trennte darüber hinaus jedoch ein weltanschaulicher Dissens. Kortschnoj hatte bei seiner Flucht aus dem Sowjetregime seine Familie zurücklassen müssen. Wider Erwarten verweigerte der Kreml jedoch die Ausreisegenehmigung für seine Frau und seinen Sohn. So bündelte sich aller Haß gegen die Sowjetregierung in der Person Karpows, der zudem überzeugter, gradliniger Kommunist und Mitglied der Partie war. Bücher ließen sich füllen mit der Unmenge an Skandalen, die sich zwischen den beiden Kampfhähnen abspielten. Das Rabiate ist die eine Form der Verächtlichungsmachung, feine, giftige Ironie die andere, und von beiden würzte Kortschnoj seine Angriffe auf Karpow: "Ich habe nie gelernt, pragmatisch-nüchtern zu spielen, Zeit gewinnende Zugwiederholung einzuflechten; wenn ich's könnte und wollte, wäre Karpow hier mein Lehrmeister." Es überrascht dennoch, wie grob fahrlässig Kortschnoj in vielen seiner Partien gegen Karpow spielte und Fehler machte wie gegen keinen anderen Gegner. Haß ist offenbar ein schlechter Treibstoff für gute Partien. Auch im heutigen Rätsel der Sphinx aus der 1981er Weltmeisterschaft gelang es Kortschnoj nicht, die Unruhe in seinem Herzen zu zügeln. Schließlich entstand folgende Stellung auf dem Brett mit Kortschnoj als Führer der weißen Steine. Mit seinem letzten Zug 1.Dc3-a3 hoffte er auf Rückgewinn des investierten Bauern und auf eine allmähliche Konsolidierung seiner angeschlagenen Stellung. Alles Hoffnungen, die Karpow zerstörte, Wanderer.



SCHACH-SPHINX/06486: Mal rabiat, mal tödlich ironisch (SB)

Kortschnoj - Karpow
WM 1981

Auflösung des letzten Sphinx-Rätsels:
Der Hexenmeister aus Riga hatte den Sturm beschworen, die Himmel erzürnt und zuletzt den Sieg davongetragen. Mit 1.Tc4-e4! öffnete er die Diagonale h3-c8 zum schwarzen König. Nach 1...De6xe4 2.Tf5-e5+ hätte die schwarze Dame das Brett verlassen müssen. 1...De6xa2 brachte die holde Königin zwar in Sicherheit, dafür ging freilich ihr Gatte den Weg aller Zeitlichkeit. Nach 2.Tf5xc5+ gab Velimirovic gab. Was sollte er auch sonst machen, wo doch 2...Kd7-d8 3.Tc5xc8# oder 2...Kd7- d6 3.Te4-d4+ Kd6-e7 4.Dh3-d7# zum selben Untergang geführt hätten.


Erstveröffentlichung am 28. Februar 2005

24. Februar 2018


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