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SCHACH-SPHINX/06530: Aufs kleinste reduziert (SB)


Auf ernsten Turnieren sah und sieht man scharfe Gambit-Eröffnungen selten. Wenn nicht der Turniersieg davon abhängt, beharren Großmeister lieber auf konventionelle Spielweisen. Und wann sah man zuletzt einen Großmeister auf einem Kandidatenturnier auf volles Risiko spielen? Schließlich geht es um die Qualifikation für die nächste WM-Runde. Die Aussicht, den Weltmeister herausfordern und damit satte Prämien einstreichen zu können, wird ungern mit einem Gambit strapaziert. Auf so hoher Ebene besitzt der Verteidiger gegenüber dem Angreifer den Vorteil der Professionalität auf seiner Seite. Wehrt er den Angriff besonnen ab, so verbürgt ihm der Mehrbauer in der Regel den Sieg. Der englische Großmeister John Nunn ist jedoch kein solches Kind vorsichtiger Kalkulation. In seinem Blute fließt durchaus noch etwas vom Wagemut der alten romantischen Zeit, obwohl er alles andere als verwegen aussieht. Blaß ist er und dünn, dieser Doktor der Mathematik, der sich im Alter von 15 Jahren in die Universität Oxford eingeschrieben hatte. Und doch, auf dem Kandidatenturnier 1992 in Szirak trotzte er allen Wahrscheinlichkeitsrechnungen und spielte das berüchtigte Marshall-Gambit gegen keinen geringeren als den jugoslawischen Angriffskünstler Ljubomir Ljubojevic. Und er wurde im heutigen Rätsel der Sphinx tatsächlich belohnt vom Gott Hasard. Eine Stellung wie aus dem Bilderbuch eines Gambitspielers. Der Jugoslawe hatte zuletzt 1.Te2-e6 gespielt, und plötzlich hingen zwei schwarze Figuren. Also, Wanderer, hatte Meister Nunn sich verschätzt?



SCHACH-SPHINX/06530: Aufs kleinste reduziert (SB)

Ljubojevic - Nunn
Szirak 1992

Auflösung des letzten Sphinx-Rätsels:
Auch ein Großmeister hätte es nicht besser machen können. Der IM Markus Stangl verstärkte die weiße Stellung bis zum Sieg mit 1.Sc2-d4! Tf8-e8 2.Sd4-b5! Ld7xb5 - 2...Dc7-c6 3.a2-a4 a7-a6 4.Sb5-d6 mit zermürbender Druckstellung und der Drohung 5.Td1-c1 - 3.Dc4xb5 Ta8-d8 4.Td1-c1! a7-a6?! - Schwarz stand positionell schon mit dem Rücken zur Wand, zum Beispiel 4...Td8-c8 5.b3-b4 b7-b6 6.Tf1-d1 Te8-e7 7.Le2-f3 Sh6-f7 8.Tc1-c4 - 5.Tc1xc5! Dc7-e7 6.Db5-c4 Td8-d2 - 6...Td8-d7 7.Tf1- d1 Tf8-d8 8.Td1xd7 Td8xd7 9.Tc5-c8+ Kg8-f7 10.Tc8-h8! - 7.Tc5-c7 De7- d8 8.Tc7xb7 - Schwarz steht verloren, aber er quälte sich noch ein paar Züge weiter, ehe er sich seine Niederlage eingestand - 8...Sh6-g4 9.Le2xg4 f5xg4 10.f4-f5 Dd8-g5 - es gab nichts mehr zu verderben - 11.f5-f6 Dg5xe3+ 12.Kg1-h1 g7xf6 13.Dc4-c7 und Schwarz gab auf.


Erstveröffentlichung am 13. April 2005

10. April 2018


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