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SCHACH-SPHINX/06597: Schwaches Nervengerüst (SB)


In den 1990er Jahren hatte der indische Großmeister Viswanathan Anand das Himmelstor zum obersten Schachthron zweimal aufstoßen wollen. 1995 scheiterte er am PCA-Weltmeister Garry Kasparow recht eklatant und im Januar 1998 war der FIDE-Weltmeister Anatoli Karpow standfester, als viele Kritiker es für möglich gehalten hatten. Anands Zeit scheint noch nicht gekommen zu sein, wenngleich ihm kaum einer der heutigen Großmeister - abgesehen eben von Kasparow, Karpow und Kramnik - das Wasser reichen kann. Schwächen zeigt der überzeugte Vegetarier insbesondere am Nervenkostüm, wenn die Zweikämpfe auf die Nadelspitze zusteuern. An der Vorbereitung kann es nicht liegen. Anand hat fähige Analytikerfreunde und ist auch selbst kein Kind des Müßiggangs. Die Zahl seiner Neuerungen auf dem Gebiete der Theorie ist schwindelerregend hoch, sein Stil ausgebufft, raffiniert, ohne jedoch ins Künstliche zu verfallen wie bei vielen anderen. Ihn auf dem Schachbrett zu überrumpeln ist schwer, eher noch überrumpelt er sich selbst, gibt zuweilen Gewinnpositionen aus der Hand, weil er im entscheidenden Moment die Siegeskombination übersieht. Es sind eben die Nerven, die ihm immer wieder zum Stolperstein werden. Im heutigen Rätsel der Sphinx allerdings ließ er sich vom englischen Großmeister Michael Adams nicht foppen, als dieser mit seinem letzten Zug 1...Td8- d7! eine kleine Falle stellte, Wanderer.



SCHACH-SPHINX/06597: Schwaches Nervengerüst (SB)

Anand - Adams
Linares 1994

Auflösung des letzten Sphinx-Rätsels:
Auf den Freibauern setzend, opferte der Anziehende nach 1...Ta7-c7 seine Dame mit 2.Lh3xd7! und hatte sich dabei nicht verkalkuliert, denn nach 2...Tc7xc6 3.d5xc6! - 3.Ld7xc8 Tc6xc8 und Schwarz steht wegen der Schwäche des weißen d-Bauern besser - 3...Dc8-c7 4.Tc1xc5 Dc7-d6 - 4...Tf8-d8 5.Tc5-d5! - 5.b2-b4 g7-g6 - 5...Tf8-d8 6.Ld7-f5 Dd6-c7 7.Lf5-d3 - 6.Tf1-d1 d4-d3 7.Ld7-h3 Lf6-d8 8.Sf3-e5 d3-d2 9.Se5- c4 Dd6-e7 10.Td1xd2 De7-e1+ 11.Lh3-f1 stand Weiß bereits auf Gewinn, als Schwarz mit 11...Ld8-b6? fehlgriff und nach 12.Sc4xb6! De1xd2 13.c6-c7 aufgeben mußte. Doch auch nach dem besseren 11...Ld8-c7 12.Td2-e2! De1-d1 13.Te2-e7 Tf8-c8 14.Sc4-e3 hätte Weiß ohne allzu große Probleme gewonnen. Das Opfer hatte sich also ausgezahlt, wer aber wollte behaupten, es habe sich bis zum Schluß vorausberechnen lassen? Mut ist oft der entscheidende Faktor zum Sieg.


Erstveröffentlichung am 19. Juni 2005

16. Juni 2018


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