Plötzlich springt der Gaul, wie von einem gespensterhaften Impuls getrieben, nach 1...Sf6-g4? - ein Fehler, wie er wohl in jedem Jahr hundertemale vorkommt. Der Plan dazu mag ja plausibel erscheinen. Die lange Läuferdiagonale wird geöffnet und auch die Möglichkeit zu 2...Sg4-e5 sieht alles in allem und oberflächlich betrachtet gedeihlich aus. Doch Pläne müssen in der aktuellen Stellung wurzeln. Im Kopf ausgebrütet bleibt das Ei hohl und leer. Und das ist das Schöne, das Reizvolle am Schachspiel, daß man eben nicht ziehen kann, wie man will und wie es einem eine abstruse Laune ins Ohr bläst. Blick und Verstand müssen dem Notwendigkeiten Tribut zollen - so etwas nennt man logisches Erfassen. Alles andere ist Würfeln mit dem Zufall. Also, Wanderer, vertiefen wir uns in die Position. Steht die weiße Dame im heutigen Rätsel der Sphinx nicht günstig auf der Diagonale zum schwarzen König hin, und greifen weißer Turm und weißer Läufer nicht vorzüglich den schwarzen Damenbauern an? Schon rattern die Gedanken, schon spinnt der Blick kombinationsträchtige Fäden zwischen den Figuren. Ja, richtig! Wie konnte der Nachziehende diesen tödlichen Umstand bloß übersehen, fragen wir uns.
Smyslow - van der Weide
Linz 1980
Auflösung des letzten Sphinx-Rätsels:
Schlechter Komödiantenstil war's, als Schulz zu 1...Dd8-b8? griff.
Sein Kontrahent und Großmeister ließ sich natürlich nicht zu einer
Gedankenlosigkeit verleiten: 2.Ta1-b1! - prompte Widerlegung, denn nun
scheitert 2...c7-c6 einfach an 3.Df3xc6! - 2...Db8-a7 3.a3-a4 c7-c6
4.d4-d5 Da7-a5 5.d5xc6 und Schulz war anständig genug, um nun
aufzugeben.
Erstveröffentlichung am 18. September 2005
17. September 2018
Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang