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MELDUNG/439: David Haye schwelgt in Siegesphantasien (SB)



Brite gibt Erfolgsrezept gegen Wladimir Klitschko zum besten

Die lange Vorgeschichte der angekündigten, verschobenen und abgesagten Kämpfe zwischen David Haye und den Klitschkos läßt es geraten erscheinen, erst dann vom Zustandekommen eines solchen Duells auszugehen, wenn die Boxer im Ring stehen und die erste Runde eingeläutet wird. Beide Parteien versichern derzeit, es werde definitiv am 25. Juni oder 2. Juli zum Kräftemessen des Briten mit Wladimir Klitschko kommen. Im Gespräch sind mehrere Austragungsorte, wobei ein deutsches Fußballstadion die wahrscheinlichste Option sein dürfte.

Sollte diesmal alles nach Plan laufen, haben entweder die Klitschkos im Sommer ihren sportlichen Lebenstraum realisiert und alle vier maßgeblichen Titel in ihren Besitz gebracht oder David Haye den seinen verwirklicht, den Abschluß seiner Karriere mit einem spektakulären Sieg über einen der beiden seit Jahren als unschlagbar geltenden Ukrainer zu krönen. In jedem Fall werden die Gürtel der Verbände WBA (Haye) sowie WBO, IBF und IBO (Klitschko) zusammengeführt, während Vitali Klitschko Weltmeister des WBC ist und sich kürzlich gegen den Pflichtherausforderer Odlanier Solis durchgesetzt hat, der sich bereits in der ersten Runde eine schwere Knieverletzung zuzog.

David Haye macht aus seinem Herzen bekanntlich keine Mördergrube und so schwelgt er bereits in aller Medienöffentlichkeit auf Wolke sieben eines Triumphs über Klitschko. Diesen zu schlagen, wäre der Höhepunkt seiner Karriere, es wäre die Kirsche auf dem Kuchen, sagte der Brite gegenüber dem Sender ESPN. Wenngleich er bereits einige bedeutende Kämpfe bestritten habe, werde der kommende alles übertreffen. Die Atmosphäre eines solchen Duells habe er noch nie erlebt: "Es gibt Super-Fights, aber das ist ein Mega-Fight."

Wie kaum anders zu erwarten, macht der nie mundfaule Brite keinen Hehl aus der Strategie, mit der er den körperlich überlegenen Ukrainer zu besiegen gedenkt. Sich auf ein Duell der Führhände einzulassen, wäre gegen einen Boxer mit derart langen Armen sicher keine gute Idee, merkt Haye zutreffend an. Er habe gesehen, wie Wladimir seine Gegner mit dem Jab auf Distanz hält, und dürfe ihm nicht erlauben, seinen Rhythmus zu finden. Er werde Klitschko keine Zeit zum Überlegen geben, die Distanz überbrücken und "Bomben abfeuern".

Das klingt nicht schlecht und entspricht durchaus der Kampfesweise, die dem Briten liegt und beim Titelgewinn gegen Nikolai Walujew und später gegen John Ruiz zum Erfolg geführt hat. Allerdings darf man nicht vergessen, daß diese beiden Kontrahenten zwar körperlich massiv, aber alles andere als beweglich agieren, so daß der Brite seine Wendigkeit ungehindert ausspielen konnte. Im Grunde hat Haye nur das ausgesprochen, was alle Gegner der Klitschkos vor dem Kampf als Plan angekündigt haben. Warum sollte dem 30jährige Briten gelingen, woran seine Vorgänger seit Jahren gescheitert sind?

"Ich muß wie eine Biene zustechen", nimmt David Haye eine Anleihe bei Muhammad Ali, wobei das Fehlen des tanzenden Schmetterlings in seiner Aussage nahelegt, daß der Brite trotz seines unbestrittenen boxerischen Könnens nicht weiß, wovon Ali gesprochen hat. Damit stünde Haye jedoch nicht allein, denn das Mißverständnis, Muhammad Ali habe mit dieser berühmten Aussage lediglich eine blumige Beschreibung seiner Kampfesweise und nicht zugleich einen grundlegenden technischen Hinweis gegeben, beherrscht das Feld.

Unterdessen ist nach wie vor ungeklärt, wer der nächste Pflichtherausforderer Wladimir Klitschkos bei der IBF wird. Der Verband hat wie schon in der Vergangenheit ein Turnier mit vier Kandidaten angesetzt, dessen Sieger gegen den Weltmeister antreten soll. Eddie Chambers, der die Rangliste anführt, hat sich bereits gegen Derric Rossy durchgesetzt, der an Nummer zwölf geführt wird, wobei Rossys Plazierung einmal mehr die Beliebigkeit und Willkür dieser Verfahrensweise deutlich macht. Parallel dazu sollte sich der sechstplazierte Samuel Peter mit Maurice Harris messen, der an achter Stelle rangiert. Der Nigerianer zog jedoch einen Kampf gegen den an siebter Stelle notierten Robert Helenius aus dem Sauerland-Boxstall vor, dem er jüngst durch K.o. unterlag.

Ersatzweise soll der 35 Jahre alte Harris nun am 27. Mai in Reno mit Tony Thompson in den Ring steigen, worauf der Sieger gegen Chambers anzutreten hat. Daher steht zu befürchten, daß entweder Chambers oder Thompson auf Wladimir Klitschko treffen, der beide bereits klar dominiert und besiegt hat. Joker in diesem trostlosen Spiel bleibt vorerst David Haye, der mit einem Sieg über den Ukrainer die Karten kurzfristig neu mischen könnte. Da der Brite jedoch mehrfach versichert hat, er werde seine Karriere definitiv im Herbst beenden, wäre auch diese Variation aller Voraussicht nach nur von kurzer Dauer.

7. April 2011