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MELDUNG/585: Selbstkritisch nennt Tyson Fury seine Defizite beim Namen (SB)



Erfreulich nüchterne Einschätzung des eigenen Entwicklungsstands

Während David Haye mit dem größten Mundwerk aufwarten kann, das die internationale Schwergewichtsszene derzeit zu bieten hat, legt sein britischer Landsmann Tyson Fury eine bemerkenswerte Zurückhaltung an den Tag, was die Einschätzung seines aktuellen Leistungsvermögens betrifft. Dabei gilt der 23 Jahre alte Britische und Commonwealth-Meister nach seinem Sieg gegen Dereck Chisora als Kronprinz der höchsten Gewichtsklasse auf der Insel. Sei es aus eigener Einsicht oder unterstützt von seinem renommierten Trainer Emanuel Steward, der bekanntlich auch Wladimir Klitschko und andere namhafte Boxer unter seinen Fittichen hat, beurteilt Fury nüchtern und nachvollziehbar seinen Entwicklungsstand.

Vor seinem Kampf gegen Nicolai Firtha am 17. September in Belfast räumt der Brite unumwunden ein, derzeit noch nicht für ein Kräftemessen mit den Klitschkos bereit zu sein. Zwar setzen Manager Mick Hennessy und Trainer Emanuel Steward große Hoffnungen in den jungen Schwergewichtler, der ihrer Einschätzung nach eines Tages die Ukrainer beerben könnte, doch muß der in 15 Kämpfen ungeschlagene Hüne bis dahin noch einen langen Weg zurücklegen. Der US-Amerikaner Firtha mit seiner Bilanz von 20 Siegen, acht Niederlagen und einem Unentschieden ist angesichts seiner Erfahrung der bislang anspruchsvollste Widersacher Furys, an dem sich dieser weiterzuentwickeln hofft. Schritt für Schritt, so hat er mehrfach betont, wolle er seine Karriere aufbauen, und nicht der Verlockung eines frühzeitigen, aber aussichtslosen Titelkampfs gegen einen Weltmeister zum Opfer fallen.

Er sei noch ein Anfänger, den Klitschko ins Reich der Träume schicken würde, unterstreicht Tyson Fury selbstkritisch. Noch bemerkenswerter als diese realistische Einschätzung ist seine Analyse des eigenen sportlichen Werdegangs. Wie er hervorhebt, müsse er wieder zu den Grundlagen zurückkehren und lernen, wie man richtig kämpft. Als er 14 oder 15 Jahre alt gewesen sei, habe er Kombinationen mit zehn Schlägen gebracht, während er heute nicht einmal zwei oder drei schaffe. Wenngleich er seine Kämpfe gewinne, sei er längst nicht so gut wie damals. Einst sei er der schnellste Schwergewichtler seit Muhammad Ali gewesen, doch jetzt agiere er langsam und schwerfällig. Er gewinne auf Grund seiner körperlichen Überlegenheit, seines Kämpferherzens und seines ordentlichen Kinns, doch nicht wegen seiner boxerischen Fähigkeiten.

Das ist zur Abwechslung eine erfrischend fachkundige Aussage, die sich wohltuend von den großspurigen Behauptungen, wüsten Pöbeleien und banalen Standardfloskeln abhebt, die ansonsten das Feld beherrschen. Wieviel mehr ließe sich sachgerecht über den Boxsport und seine aktuellen Akteure sagen, wäre deren Präsentation, Rezeption und Diskussion nicht auf das marktschreierische Niveau des Buhlens um Boulevardpräsenz und Quoten gesunken!

16. September 2011