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MELDUNG/817: Kehrtwende Bob Arums - Keine Revanche Pacquiaos gegen Bradley (SB)




Promoter hält Neuauflage inzwischen nicht mehr für gerechtfertigt

Promoter Bob Arum, bei dessen Firma Top Rank Manny Pacquiao und Timothy Bradley unter Vertrag stehen, hält in einer regelrechten Kehrtwende einen Rückkampf der beiden Weltergewichtler inzwischen nicht mehr für gerechtfertigt. Nach dem höchst umstrittenen Ausgang des Kampfs vom 9. Juni, bei dem Bradley durch ein Fehlurteil den Philippiner mit einem knappen Punktsieg als WBO-Weltmeister entthront hatte, war man fest von einer Neuauflage ausgegangen. Der Kampfvertrag aus der Feder Arums enthielt sogar explizit die Option einer Revanche im November, von der sich der Promoter eigenen Angaben zufolge abermals prächtige Einkünfte erhoffte.

Worauf Arums überraschendes Umdenken zurückzuführen ist, blieb zunächst im Dunkeln. Immerhin hatte ja der Verdacht die Runde gemacht, die Wertung des Kampfs sei womöglich manipuliert worden, um einen umsatzstarken Rückkampf sicherzustellen. Arum selbst hatte die Möglichkeit einer Einflußnahme auf das nicht nachvollziehbare Votum zweier Punktrichter mit den Worten zurückgewiesen, das könne er sich überhaupt nicht vorstellen. Die beiden Offiziellen seien ehrliche Leute, die sich allerdings den Vorwurf gefallen lassen müßten, mit ihren Augen stimme etwas nicht.

Ob dem Promoter die klassische Frage, wer von dem Fehlurteil am meisten profitiere, allmählich zu brisant und potentiell rufschädigend geworden ist, sei dahingestellt. Jedenfalls erklärt er nun, daß bei einer regulären Wertung des einseitigen Kampfs zwischen dem klar überlegenen Pacquiao und Bradley kein Mensch nach einem Rückkampf gerufen hätte. Das bloße Versagen der Punktrichter rechtfertige keine Revanche. Sein Heil in der Offensive suchend hat Arum überdies eine Untersuchung der Wertung seitens der Boxkommission von Las Vegas erbeten, bei der auch seine Beteiligung als Promoter unter die Lupe genommen wird. Dieser Schritt läßt darauf schließen, daß Bob Arum viel daran gelegen ist, alle Verdachtsmomente aus dem Feld zu schlagen und sich eine tadellose Vorgehensweise attestieren zu lassen.

Daß der Promoter infolge seines aktuellen Kurswechsels im Herbst auf eine große Summe Geldes verzichten muß, ist keine ausgemachte Sache. Nachdem er einem Rückkampf gegen Bradley eine Absage erteilt hat, steigt die Wahrscheinlichkeit, daß sich Manny Pacquiao zum vierten Mal in seiner Karriere mit Juan Manuel Marquez mißt, der ihm bei ihrem letzten Aufeinandertreffen im November 2011 erheblich mehr als Bradley abverlangt hat. Vor rund 15.000 Zuschauern in der ausverkauften MGM Grand Garden Arena lieferten die Kontrahenten einander damals einen vor allem in der Schlußphase ebenso spannenden wie hochklassigen Kampf, in dem Pacquiao den WBO-Titel im Weltergewicht dank eines Endspurts knapp aber erfolgreich verteidigte.

Der Mexikaner fühlte sich wie schon bei ihren ersten beiden Begegnungen im Ring auch diesmal vom Kampfgericht betrogen. Im Jahr 2004 hatte der erste Kampf mit einem Unentschieden geendet, in dem nicht wenige Experten ein Geschenk an den Philippiner zu erkennen meinten. Pacquiao setzte sich dann 2008 knapp nach Punkten durch, worauf Marquez erneut mit der Wertung haderte. So ist es dem Mexikaner zwar in drei Anläufen nicht gelungen, seinen Erzrivalen zu besiegen, doch böten die jeweils engen Resultate wie auch des Mexikaners feste Überzeugung, Pacquiao werde von der Branche notorisch ihm gegenüber bevorzugt, genug Stoff, um auch noch einen vieren Kampf zu munitionieren.

Daß derzeit keiner von beiden Weltmeister ist, dürfte dabei die geringste Rolle spielen. Pacquiao war in seiner überaus erfolgreichen Karriere achtmal Champion in diversen Gewichtsklassen und dürfte trotz seiner jüngsten Niederlage, die kaum jemand ernsthaft für bare Münze nehmen kann, weiterhin als weltbester Boxer aller Limits gehandelt werden. Ob Titel oder nicht ist er ein Kassenfüller erster Güte, zumal Bob Arum der Idee durchaus etwas abgewinnen könnte, vielleicht sogar den seit Jahren geforderten Kampf des Philippiners gegen Floyd Mayweather noch in diesem Jahr realisieren zu können. Da Pacquiaos Rücktritt vom aktiven Boxsport immer näher rückt, wird das Zeitfenster eng, das gemeinhin als Duell der Superlative apostrophierte Kräftemessen am Ende doch noch über die Bühne zu bringen.

Juan Manuel Marquez war Anfang Januar der Titel des WBA-Superchampions im Leichtgewicht aberkannt worden, da der 38jährige Mexikaner den im Februar 2009 durch einen Sieg über Juan Diaz gewonnenen Gürtel seither kein einziges Mal gegen einen Pflichtherausforderer verteidigt hatte. Nach den Regeln dieses Weltverbands muß ein Superchampion indessen mindestens alle 18 Monate einen solchen Kampf bestreiten. Marquez zog lukrativere Duelle mit namhaften Gegnern vor und trat nach seinem Titelgewinn zunächst im Weltergewicht gegen Floyd Mayweather an, dem er unterlag. Darauf folgte eine Revanche mit Juan Diaz und im November 2010 ein Kampf gegen WBO-Interimschampion Michael Katsidis. Nach einem Aufbaukampf gegen den weithin unbekannten Likar Ramos trat Marquez am 12. November 2011 in Las Vegas wie oben bereits erwähnt zum dritten Mal gegen Manny Pacquiao an, der ihn umstritten nach Punkten bezwang. Für den namhaften Mexikaner, dessen Bilanz bei 53 Siegen, sechs Niederlagen und einem Unentschieden steht, war der Verlust des Titels von untergeordneter Bedeutung, wie die im Raume stehende Option belegt, womöglich zum vierten Streich mit Manny Pacquiao in den Ring zu steigen und um Ruhm, Ehre sowie natürlich eine weitere ansehnliche Börse zu boxen.

16. Juni 2012