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MELDUNG/911: Manuel Charr hofft auf weitere lukrative Auftritte (SB)




Kölner macht Benachteiligung im Klitschko-Kampf geltend

Manuel Charr hatte am 8. September in Moskau eine Niederlage gegen Vitali Klitschko bezogen, dem er durch Abbruch in der vierten Runde unterlag. Eine stark blutende Rißwunde an Charrs rechtem Auge veranlaßte damals den Ringarzt, dem Referee ein Ende des Kampfs zu empfehlen. Der Herausforderer bot zwar eine starke kämpferische Leistung, war aber boxerisch klar unterlegen. Dessen ungeachtet protestierte der 27jährige minutenlang lautstark gegen die Entscheidung zum Schutz seiner Gesundheit. Seither macht er geltend, man habe ihn der Chance beraubt, den Weltmeister im späteren Verlauf des Kampfs niederzuzwingen. Allerdings hatte sich bereits in den ersten Runden abgezeichnet, daß Charr erheblich mehr Treffer einstecken mußte, als er austeilen konnte. Gegen Ende der zweiten Runde rannte der Kölner mit gesenktem Kopf in den Gegner, der ihn dabei mit einem Schlag auf den Hinterkopf traf und erstmals in seiner Karriere auf die Bretter schickte.

Auf der anschließenden Pressekonferenz unterstrich der Präsident des Bundes Deutscher Berufsboxer, Thomas Pütz, daß der Ringarzt lediglich eine Empfehlung geben könne, die Entscheidung über den Abbruch jedoch beim Ringrichter liege. Dr. Stefan Holthusen, der die Verletzung untersucht hatte, sprach von einer Rißwunde, die schnell größer geworden sei und angesichts der starken Blutung eine freie Sicht verhindert habe. Weitere Treffer hätten den Cut noch weiter vergrößert und das Augenlid gefährdet. Daher habe dringender Anlaß bestanden, den Kampf nicht weiterlaufen zu lassen.

Wenngleich an dieser nachvollziehbaren Entscheidung kaum zu rütteln ist und die Aussichten auf eine Revision des Urteils gegen Null gehen, läßt Manuel Charr nicht locker. Verdenken kann man ihm das nicht, drohte er doch andernfalls als belangloser Gegner Klitschkos wieder in der Versenkung zu verschwinden. Solange er sich hingegen mit seiner Beschwerde über eine vermeintliche Benachteiligung im Gespräch hält, winken ihm weitere attraktive Auftritte.

Einige Tage später legte Charrs Promotionfirma offiziell Protest beim Weltverband WBC gegen den Abbruch ein. Der Einspruch wurde damit begründet, daß der Kölner vom Ringrichter zur Begutachtung der Verletzung in die falsche Ecke geschickt worden sei. Wie der Geschäftsführer der Diamondboy Promotion, Pit Gleim, dazu anführte, habe man beim offiziellen Treffen zur Verständigung über die Regeln am Vortag des Kampfs im Beisein beider Teams festgelegt, daß der Ringrichter im Falle einer Verletzung den betreffenden Boxer in die nächstgelegene Ecke zu einem der beiden Ringärzte zu führen hat. Da sich Manuel Charr zum fraglichen Zeitpunkt eindeutig näher an seiner Ecke befunden habe, hätte der eigene Ringarzt die Verletzung untersuchen müssen. Folglich habe es sich um einen eindeutigen Regelverstoß gehandelt.

Charrs Promotionfirma führt zur Unterfütterung ihres Arguments auch eine Aussage des BDB-Präsidenten Thomas Pütz ins Feld, der eigenen Angaben zufolge den Supervisor und den Präsidenten des WBC darauf hingewiesen hat, daß es zwei Ringärzte gibt und bei einer Verletzung der Arzt der jeweiligen Ringecke zuständig ist. In diesem konkreten Fall hätte der Arzt aus Charrs Ecke dessen Verletzung einschätzen müssen, so Pütz. Das WBC ist gehalten, den Einspruch zu prüfen, doch ist nicht davon auszugehen, daß er von Erfolg gekrönt wird.

Charrs Team hat sich inzwischen auf die Version eingeschossen, die Entscheidung des Ringarztes sei nicht nachvollziehbar gewesen. So führt Assistenztrainer Youssef Ramadan an, er habe Cuts gesehen, die tausendmal schlimmer gewesen seien als diese kleine Rißwunde. Da sie stark geblutet habe, hätten sich die Fernsehzuschauer wahrscheinlich erschreckt und gedacht, es handle sich um eine schwere Verletzung. Ein Grund, den Kampf abzubrechen, sei sie seines Erachtens keinesfalls gewesen. Ramadan erinnert in diesem Zusammenhang an den Kampf Vitali Klitschkos gegen Lennox Lewis, in dem der Ukrainer trotz mehrerer schwerer Cuts noch einige Zeit weitermachen durfte. Man hätte auch Manuel Charr die Chance gewähren sollen, das Blatt zu wenden. Natürlich könne man nicht behaupten, daß er definitiv gewonnen hätte, doch wäre es auf jeden Fall ein interessanter Kampf geworden.

Inzwischen plant Manuel Charr, der mit einer Bilanz von 21 Siegen und einer Niederlage in der Rangliste des WBC an Nummer sechs geführt wird, seinen nächsten Auftritt. Der Kölner wird aller Voraussicht nach am 1. Dezember in Düsseldorf in den Ring zurückkehren und dabei möglicherweise gegen den früheren WBA-Weltmeister Ruslan Tschagajew antreten. Da sich der Usbeke seit seiner Trennung von der Hamburger Universum Box-Promotion in Eigenregie vermarktet und auch Manuel Charr seine Geschicke in die eigenen Hände genommen hat, liegt eine Übereinkunft durchaus im Bereich des Möglichen.

9. Oktober 2012