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MELDUNG/976: Tomasz Adamek gewinnt auch die Revanche gegen Steve Cunningham (SB)




Wie vor vier Jahren knapper Punktsieg des Polen

Der in New Jersey lebende Pole Tomasz Adamek hat auch die Revanche gegen den US-Amerikaner Steve Cunningham knapp zu seinen Gunsten entschieden. Nach einem lebhaften und für die Zuschauer attraktiven Schwergewichtskampf über zwölf Runden waren die Punktrichter geteilter Meinung, doch hatten zwei von ihnen einen Vorsprung für Adamek notiert (115:112, 116:112, 113:115). Damit wiederholte sich in Bethlehem (Pennsylvania) das Ergebnis des ersten Aufeinandertreffens der Kontrahenten, das am 11. Dezember 2008 im Cruisergewicht ausgetragen worden war und ebenfalls mit 2:1 Stimmen für den Polen geendet hatte.

Der 36jährige Cunningham bestritt gegen den gleichaltrigen Adamek in Bethlehem erst seinen zweiten Kampf im Schwergewicht, wohin der Pole bereits vor geraumer Zeit aufgestiegen war. Die Hoffnung des US-Amerikaners, der die fünfte Niederlage seiner Profikarriere hinnehmen mußte, nach dem Verlust des IBF-Titels im Cruisergewicht und weiteren Rückschlägen nun in der Königsklasse wieder Tritt zu fassen, erfüllte sich nicht. Hingegen feierte Adamek den vierten Sieg in Folge seit seiner Niederlage gegen Vitali Klitschko, womit er dem angestrebten Kampf gegen Wladimir Klitschko wieder einen Schritt näher gekommen ist.

Zum Auftakt des Kampfes schienen beide Boxer vor allem darauf bedacht zu sein, sich keine Blöße zu geben. Während der Pole zunächst lediglich fintete und so gut wie gar nicht schlug, setzte Cunningham zumindest dann und wann seinen Jab ein. Im zweiten Durchgang wirkte Adamek etwas offensiver, doch wich ihm der Gegner immer wieder aus und wahrte durchweg genügend Distanz, um allen Problemen aus dem Weg zu gehen. Dieses Bild setzte sich auch in der dritten Runde fort, in der Cunningham endlich mit einer rechten Geraden den ersten nennenswerten Treffer landen konnte. In der Folge versuchte der Pole vergeblich, näher an den Gegner heranzurücken, der sich auf seine Jabs und gelegentliche Konter konzentrierte, die zweimal bei Adamek einschlugen. Bis zu diesem Zeitpunkt schien die Taktik des US-Amerikaners aufzugehen, dank seiner exzellenten Technik und Beweglichkeit zu punkten.

Mit einer starken fünften Runde meldete sich Adamek jedoch zurück und machte auch im folgenden Durchgang Druck, wobei allerdings Cunningham mit einer überraschenden rechten Geraden wiederum den klarsten Treffer verbuchen konnte. Da der US-Amerikaner allmählich die Distanz nicht mehr wahren konnte und immer häufiger in den Schlagabtausch verwickelt wurde, kamen die Zuschauer in zunehmendem Maße auf ihre Kosten. Cunninghams Trainer Naazim Richardson sah das Verhängnis heraufziehen und ermahnte seinen Schützling in den Pausen eindringlich, sich auf seine Technik und Taktik zu besinnen. Das schlug sich jedoch nur in Grenzen nieder, da der US-Amerikaner insgesamt zu passiv wirkte und nur gelegentlich mit seinen Kontern zum Zuge kam. Auch in der neunten Runde zeigte die aggressivere Kampfesweise des Polen Wirkung, der nun die gefährlicheren Treffer ins Ziel brachte und insbesondere mit seinem linken Haken Spuren im Gesicht des Gegners hinterließ.

Cunningham wußte natürlich, daß ihm die Felle wegzuschwimmen drohten, und so griff er im zehnten Durchgang entschlossen an. Während er auf Adamek zumarschierte, handelte er sich jedoch einen unabsichtlichen Kopfstoß ein, der die Schwellung an seinem rechten Auge noch deutlicher hervortreten ließ. Gegen Ende der Runde ließ Cunningham dann erheblich nach, so daß der letzte und möglicherweise bei der Vergabe der Punkte entscheidende Eindruck dem Polen zugute kam. Auch im folgenden Durchgang hatte zunächst der US-Amerikaner die Oberhand, bis ihn Adamek kurz vor der Pause wieder in die Schranken wies. Da keiner von beiden sicher sein konnte, genügend Punkte für den Sieg gesammelt zu haben, setzten sie in der zwölften Runde noch einmal alles auf eine Karte. Adamek suchte immer wieder den offenen Schlagabtausch, doch konnte auch Cunningham wuchtige Treffer landen, so daß der Kampf unter begeistertem Applaus des Publikums zu Ende ging.

Für weitere Dramatik sorgte dann das Kampfgericht, das fälschlicherweise zunächst ein Unentschieden verkündete. Da jedoch bei einem Punktzettel falsch zusammengezählt worden war, wurde das Ergebnis nachträglich in Split Decision zugunsten Adameks umgewandelt. Steve Cunningham, den die Mehrzahl der neutralen Beobachter knapp in Führung gesehen hatte, reagierte tief enttäuscht auf die neuerliche hauchdünne Niederlage. Er wisse nicht, was er noch tun solle, klagte der US-Amerikaner. Er habe seine Taktik konsequent durchgezogen und fühle sich betrogen. Man könne schließlich nicht jeden Gegner vorzeitig besiegen und damit für klare Verhältnisse sorgen. Er sei sehr traurig und frage sich, was im Boxen noch alles geschehen müsse, daß sich so etwas nicht wiederholt.

Naturgemäß fiel die Einschätzung Tomasz Adameks anders aus. Wie der Pole erklärte, sei ihm der Kampf beinahe wie ein Sparring vorgekommen, da so wenig geschlagen worden sei. Er fühle sich derart frisch, daß er sofort wieder in den Ring zurückkehren könnte. Ein Teil seiner Taktik sei es gewesen, in den letzten Sekunden jeder Runde Druck zu machen. Zudem habe ihn sein Trainer angewiesen, nach der achten Runde die Angriffe zu verstärken. Er habe gekämpft, Steve Cunningham sei davongelaufen. "Deswegen habe ich gewonnen", wies der Pole den im Raum stehenden Vorwurf, das Kampfgericht habe bei seinem Sieg nachgeholfen, entschieden zurück.

23. Dezember 2012