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MELDUNG/999: Wem wird Wladimir Klitschko den Zuschlag geben? (SB)




Kür möglicher Kandidaten für die freiwillige Titelverteidigung

Als Superchampion der Verbände WBA und WBO sowie Weltmeister der IBF und IBO im Schwergewicht sollte es Wladimir Klitschko eigentlich nicht an Gegnern fehlen, die in den Ranglisten unter den Top 15 notiert sind und damit als Herausforderer in Frage kommen. Der Kandidatenkreis schrumpft jedoch beträchtlich, wenn man ihn auf jene Boxer beschränkt, die der Ukrainer noch nicht besiegt hat und die so populär sind, daß sie sich hierzulande gut vermarkten lassen. Regulärer Weltmeister der WBA ist Alexander Powetkin, den der Verband als Pflichtherausforderer Klitschkos nominiert hat. Dieser lehnt es jedoch ab, wie von der WBA und Sauerland Event gefordert, schon jetzt mit dem Russen in den Ring zu steigen. Statt dessen hat Wladimir Klitschko für den 6. April eine freiwillige Titelverteidigung angekündigt, so daß nun die Spekulationen ins Kraut schießen, wen sich der Champion als Gegner aussucht.

Ein attraktiver Herausforderer wäre der Brite Tyson Fury, der sich in jüngerer Zeit über England hinaus einen Namen gemacht hat. Mit 2,06 m Größe ist er ein Riese von Gestalt, und da er bislang alle Kämpfe gewonnen hat, kann er sich als körperlich imposanter wie auch boxerisch aufstrebender Kandidat präsentieren. Ursprünglich wollte Fury seine Karriere Schritt für Schritt aufbauen, zuerst Europameister werden und sich dann einen interkontinentalen Titel sichern, um so die erforderliche Reife für einen Kampf um die Weltmeisterschaft zu erlangen. Von diesem bemerkenswert vernünftigen Plan hat Fury jedoch inzwischen Abstand genommen, wobei ihn Promoter und Trainer in der Auffassung zu bestärken scheinen, daß er mittlerweile genügend boxerische Fortschritte gemacht habe, um es mit Wladimir Klitschko aufzunehmen. Kaum machte die Nachricht von dessen Vorhaben die Runde, seinen Titel im Frühjahr freiwillig zu verteidigen, als sich Tyson Fury auch schon als möglicher Gegner ins Gespräch brachte. Nach Maßgabe nüchterner Abwägung käme dieser Kampf wohl zu früh für den Briten, der dabei zwar viel Geld verdienen, aber einen sportlichen Rückschlag riskieren würde, der seinen sorgsam gepflegten Nimbus zu pulverisieren drohte. Zuletzt machte der ebenfalls über zwei Meter große und zuvor ungeschlagene Pole Mariusz Wach die deprimierende Erfahrung, Klitschko in technischer und taktischer Hinsicht klar unterlegen zu sein.

Eine weitere britische Option wäre Dereck Chisora, der den deutschen Zuschauern seit der Niederlage gegen Vitali Klitschko und den anschließenden Handgreiflichkeiten mit David Haye auf der Pressekonferenz als ausgesprochener Rüpel bekannt ist. Als solcher ließe sich Chisora durchaus verkaufen, wofür sich das allerdings längst überstrapazierte Motto anböte, dem Briten müsse für seine Ausfälle auch gegen die Klitschkos eine Lektion erteilt werden. Indessen hat Chisora zuletzt drei Kämpfe in Folge verloren und ist derzeit bei keinem Weltverband unter den Top 15 aufgelistet. Darüber hinaus besitzt er nach wie vor keine britische Lizenz und wirbt gegenwärtig um Milde bei der zuständigen Boxkommission. Sollte sich diese erweichen lassen, wäre für Dereck Chisora zunächst der von ihm geplante Aufbaukampf ratsam, keinesfalls jedoch ein Gang mit Klitschko.

Ein Publikumsmagnet und Quotenrenner wäre ein Duell zwischen Wladimir Klitschko und Marco Huck, zumal der Cruisergewichtler aus dem Sauerland-Boxstall bei seinem Ausflug ins Schwergewicht eine gute Figur gegen Alexander Powetkin gemacht hat, der seinen Titel nur mit einem mühsamen Punktsieg retten konnte. Huck, der nicht über mangelndes Selbstbewußtsein klagen kann, hat des öfteren versichert, daß ihm nichts lieber wäre, als dem Ukrainer die Leviten zu lesen. Promoter Sauerland und Trainer Ulli Wegner sind da schon zurückhaltender und raten ihrem Schützling, vorerst weiter im niedrigeren Limit aufzuräumen. Indessen hat Huck im Falle Powetkins schon einmal seinen Kopf durchgesetzt und ist dabei nicht schlecht gefahren. Das größte Hindernis dürften jedoch die beiderseitigen Fernsehpartner sein, da Klitschko auf seinen Sender RTL bestehen und Sauerland kaum von der ARD abrücken würde.

Ein ernstzunehmender Herausforderer wäre der Finne Robert Helenius - doch nicht hier und heute, sondern vielleicht in einem Jahr. Der bei Sauerland unter Vertrag stehende Skandinavier ist ungeschlagen, hat drei frühere Weltmeister besiegt und war zeitweise Europameister. Nach einer Schulterverletzung, die ihn zu einer langen Pause zwang, hat er sich zwar erfolgreich zurückgemeldet, doch muß er erst wieder Tritt fassen, ehe er ernsthaft daran denken kann, den großen Wurf zu wagen. Ebenfalls aus dem Hause des Berliner Promoters kommt der vermutlich gefährlichste Kandidat für einen Titelkampf. Der Bulgare Kubrat Pulev hat den riesigen Weißrussen Alexander Ustinow auf beeindruckende Weise demontiert und ist nur noch einen Kampf vom Status des Pflichtherausforderers entfernt. Obgleich Pulev einem breiteren Publikum noch nicht allzu bekannt sein dürfte, vereint er doch solide technische Fertigkeiten mit kämpferischen Qualitäten und kann auch körperlich überlegene Gegner auf die Bretter schicken.

Ebenfalls auf Qualifikationskurs ist Tomasz Adamek, den Vitali Klitschko im September 2011 klar besiegt hat. Der in New Jersey lebende Pole hat seither vier Kämpfe gewonnen, dabei allerdings gegen Eddie Chambers und Steve Cunningham keinen souveränen Eindruck hinterlassen. Auch Adamek braucht noch einige Zeit, um mit gewissen Erfolgsaussichten an die Tür des Weltmeisters zu pochen.

Zu nennen wäre auch der ungeschlagene Denis Boitsow, dessen Karriere durch den Zusammenbruch des Universum-Boxstalls wie auch mehrere Verletzungen in jüngerer Zeit nicht recht von der Stelle kam. Ihm fehlt gegenwärtig die Ringpraxis, weshalb er gut beraten ist, den im Februar geplanten Aufbaukampf zu bestreiten. Manuel Charr, der in Moskau gegen Vitali Klitschko verloren hat, zehrt in gewisser Weise von der Version, die Gesichtsverletzung habe ihn vorzeitig um die Chance gebracht, den Ukrainer in den späteren Runden niederzukämpfen. Da Charr durch den damaligen Kampf förmlich ins Rampenlicht sprang, sich dafür jedoch dem Vernehmen nach hoch verschuldete, würde er vermutlich sofort einschlagen, böte man ihm erneut die Gelegenheit, sich mit einem Klitschko zu messen.

Außenseiter in dieser Kür möglicher Anwärter ist der ehemalige Europameister Alexander Dimitrenko. Der Hamburger ist hoch gewachsen und hat hierzulande viele Fans, doch mußte er sich Kubrat Pulev vorzeitig geschlagen geben und war zuletzt im Duell mit dem Aufbaugegner Samir Kurtagic am Boden. Ein großes Fragezeichen steht derzeit hinter Odlanier Solis, der seit dem verletzungsbedingten Abbruch gegen Vitali Klitschko im März 2011 und der nachfolgenden Knieoperation nur ein einziges Mal geboxt und dabei Konstantin Airich nach Punkten besiegt hat. Wenngleich der Olympiasieger von 2004 über enormes Potential verfügt, konnte er seit dem schweren Rückschlag in seiner Profilaufbahn bislang kein klares Zeichen setzen, daß wieder mit ihm zu rechnen ist.

20. Januar 2013